Künstlerin Danica Dakić

"Kunst ist keine Berichterstattung, Kunst ist Kunst"

Die Künstlerin Danica Dakić stellt gerade beim Herbstsalon im Berliner Gorki-Theater aus und beschäftigt sich dort mit den Auswirkungen des Jugoslawienkrieges. Ein Gespräch über Medienbilder und politische Erinnerung
 

Danica Dakić, Sie zeigen beim Herbstsalon im Berliner Maxim Gorki Theater unter anderem Ihre "Zenica Trilogie". Die Stadt Zenica, in der sie gefilmt wurde, liegt in Bosnien-Herzegowina. Sie zeigen den Ort als aufstrebende Großstadt der architektonischen Moderne und Zentrum der Industrialisierung im ehemaligen Jugoslawien. Gleichzeitig ist Zenica heute noch von den Folgen des Krieges wie Umweltverschmutzung und Arbeitslosigkeit geprägt. Finden Sie, dass der Jugoslawienkrieg und seine Folgen in Westeuropa genügend aufgearbeitet werden? Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine hieß es ja, es gebe zum ersten Mal seit 1945 einen Krieg in Europa ...

Jede Berichterstattung ist Teil eines politischen Konzeptes. Unterschiedliche Konzepte produzieren unterschiedliche "Wahrheiten".

Welchen Umgang mit dieser Thematik würden Sie sich wünschen, auch im Kontext zum gegenwärtigen Ukraine-Krieg?

Ich würde mir wünschen, dass man mit diesen Themen weniger plakativ oder pauschalisierend umgeht. Es geht darum, die Komplexität einer politischen Krisensituation zu erfassen, um nach tragbaren Lösungen zu suchen. Der Krieg in Ex-Jugoslawien hat mein Leben und meine Kunst stark geprägt. Ich bin vier Jahre vor dem Krieg nach Deutschland gekommen und habe den Krieg auch hier verbracht. Der Kontakt zu meiner Familie und zu all meinen Freunden in Sarajevo war für beinahe vier Jahre abgerissen. Das war für mich eine sehr harte Erfahrung. Die einzige Idee, dass dort – in meiner "Heimat" – noch etwas existierte, gaben mir die Medienbilder, und so habe ich angefangen, diese Bilder und Nachrichten zu sammeln. Die Diskrepanz zwischen einer medialen und einer nichtmedialen Realität ist seitdem etwas, was mich auch künstlerisch sehr beschäftigt.

Welche Bilder wurden während des Jugoslawien-Krieges durch die Medien vermittelt?

Bilder der Zerstörung. Ich fragte mich: Wird irgendein Beweis dafür übrigbleiben, dass ich, oder überhaupt etwas, dort existiert hat? Die Wahrnehmung hängt immer von der eigenen Position ab. Als ich nach dem Krieg nach Sarajevo "zurückkam", fühlte ich eine unsichtbare Mauer zwischen mir und den Menschen, die den Krieg dort verbracht haben. Wir mussten uns neu kennenlernen.

Die Kunst ukrainischer Künstlerinnen und Künstler hat aktuell eine sehr starke Präsenz. Sollte zeitgenössische Kunst im Moment reagieren und eine Botschaft vermitteln, das Publikum direkt erreichen und aufrütteln? Oder braucht sie in manchen Fällen eine gewisse Inkubationszeit, um richtig wirken zu können?

Kunst ist keine Berichterstattung, Kunst ist Kunst. Gute Kunst kommuniziert auf mehreren Ebenen und ermöglicht unterschiedliche Lesarten. Auch der künstlerische Umgang mit Krieg kann sehr unterschiedlich sein. Nicht auszustellen in einer Zeit des Krieges kann auch ein Statement sein.

Da Sie unterrichten: Was macht gute Kunst für Sie aus, und was geben Sie Ihren Studierenden mit?

Lehre ist eine gemeinschaftliche Wissensproduktion, man lernt voneinander. Die Grenzen zwischen der künstlerischen Arbeit und der Lehre werden für mich persönlich, aber vielleicht auch generell immer fließender und ich empfinde diese Entwicklung als eine große Bereicherung. Bevor ich im letzten Jahr an die Kunstakademie Düsseldorf berufen wurde, habe ich den internationalen Masterstudiengang Public Art and New Artistic Strategie an der Bauhaus-Universität Weimar geleitet. Es war ein Privileg, mit herausragenden jungen Künstler:innen aus der ganzen Welt erkunden zu dürfen, was es heißt, heute in der Welt zu sein.

In welcher Weise hat das Unterrichten Ihre eigenen aktuellen Arbeiten geprägt, was nehmen Sie daraus mit?

Der Austausch mit jungen Künstler:innen ist ein großes Geschenk. Im Moment läuft auch eine Ausstellung, die ich gemeinsam mit ehemaligen Studierenden entwickelt habe.

Nach dem Abschluss Ihres eigenen Malereistudiums wechselten Sie zu den Medien Fotografie und Video. Wie kam es zu diesem Wechsel, und wie spiegelt sich dies in Ihren Arbeiten wider?

Ich bin eine Bildermacherin. Meine Arbeiten, die Videos, Filme, Audio-Installationen oder Fotografien geworden sind, konnten in anderen Medien nicht realisiert werden.

Sie arbeiten und leben zwischen Düsseldorf und Sarajevo. Welche Verbindung haben Sie jeweils zu den beiden Orten und wie hat dies Ihren Umgang mit dem Thema kulturelle Identität geprägt?

Im letzten Jahr habe ich einen Ruf der Kunstakademie Düsseldorf angenommen, wo ich die Klasse für Film und Video leite. Ich freue mich, in der Stadt, die seit über 30 Jahren meinen Lebensmittelpunkt bildet, auch als Professorin meinen Beitrag leisten zu können, denn die Kunstakademie in Düsseldorf war der Grund, weshalb ich 1988 nach Deutschland gekommen bin. In Düsseldorf ist mein Studio, aber auch in Sarajevo arbeite ich viel. Ich bin in beiden Städten ein bisschen zu Hause, aber auch ein bisschen fremd. Die Distanz zu beiden Orten ermöglicht eine kritische Beobachterposition, die für einen Künstler, eine Künstlerin ja sehr fruchtbar sein kann. Zu lernen, mit dem Unterschied zu leben, ja, aus ihm heraus zu sprechen, das ist das Potenzial der Nichtübereinstimmung.

Das Maxim Gorki Theater in Berlin ist ein sehr politischer Ort zum Ausstellen. Was bedeutet er für Sie?

Das Gorki ist mein künstlerisches Zuhause in Berlin. Ich bin eine "Veteranin", die das große Glück hatte, bei jedem Herbstsalon bisher dabei sein zu dürfen, auch mit meinen Studierenden aus Weimar.

Das Konzept des Total-Theaters von Walter Gropius ist in "Zenica Trilogie" eingeflossen: Gibt es eine Verbindung zu der Tatsache, dass Sie hier in einem Theater ausstellen?

Ja, in "Zenica Trilogie" fügt sich alles zusammen. Das Theater spielt tatsächlich eine große Rolle. Das bosnische Nationaltheater in Zenica – ein architektonisches Juwel der sogenannten jugoslawischen Moderne – das sich in einem Prozess des Sich-Auflösens befindet, aber trotzdem arbeitet, wird sogar selbst zum Protagonisten.

Sie haben in einem Vortrag erwähnt, dass Sie oft mit Protagonistinnen und Protagonisten aus den "nicht sichtbaren Teilen der Gesellschaft" arbeiten. Wie kommen Sie mit Ihren Protagonisten in Kontakt?

Ich fange oft mit einem Bild im Kopf an, einer abstrakten Vorstellung, die für mich das Potenzial verspricht, sich zu einem Weg zu entwickeln. Wohin der Weg führt, entscheidet sich recht unterschiedlich von Arbeit zu Arbeit. Im Fall der "Zenica Trilogie" bin ich einem Zeitungsartikel gefolgt, und habe zwei "unsichtbare Helden" kennengelernt: Die Brüder Izet und Adil Safić, die die Protagonisten in dem Film "The Cleaner" wurden. Auf ihre jeweils eigene Weise übernehmen die beiden Brüder Verantwortung für die Gestaltung ihrer Lebenswelt in einer durch Umweltverschmutzung und Arbeitslosigkeit desillusionierten Gegenwart.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Ich habe gerade einen Film fertiggestellt. Es ist eine filmische Meditation darüber, wie Zukunft aussehen kann, wenn alles stehen bleibt.