Galeristin Bärbel Grässlin im Interview

"Kunst ist Bestandteil des Lebens"

Frau Grässlin, herzlichen Glückwunsch zum 30. Jubiläum Ihrer Galerie! Würden Sie diesen Beruf heute wieder wählen? 

Darüber habe ich nie nachgedacht, da ich nicht an Reinkarnation glaube.  

Ihre ganze Familie ist der Kunst verbunden: Ihre Eltern sammelten Kunst und hatten häufig Künstler zu Gast, Ihre Schwester wurde Museumschefin, Ihr Bruder auch ein engagierter Sammler. Warum wurden Sie Galeristin?

Das Interesse meiner Eltern an der Kunst und den Künstlern des deutschen Informels hat natürlich in meiner frühen Jugend meine Leidenschaft an der zeitgenössischen Kunst geweckt. So wie mein Vater sich für das Sammeln der eigenen Generation entschieden hat, war für mich sehr früh klar, dass ich auf meine Art und Weise versuchen wollte, mit den Künstlern meiner eigenen Generation zu arbeiten. Direkteren Kontakt zu den Künstlern als durch tägliche Zusammenarbeit ist kaum möglich, daher die Entscheidung, Galeristin zu werden. Da ich die Älteste der vier Geschwister bin, leistete ich in gewisser Weise Pionierarbeit in der Auseinandersetzung mit der eigenen Generation. Mein Bruder entschied sich, die elterliche Firma zu leiten, meine Schwester Karola für eine kunsthistorische Laufbahn und Sabine machte ihre Leidenschaft fürs Kochen zum Beruf. So unterschiedlich die Berufswahl – Kunstsammeln war immer unser verbindendes Element.

Sie begannen Ihre Karriere erst als Mitarbeiterin, dann als Geschäftspartnerin von Max Hetzler. Was haben Sie bei dem Galeristen – damals noch mit Sitz in Stuttgart – gelernt?

Die Fähigkeit klare pragmatische Entscheidungen zu treffen und inhaltlich konsequent zu bleiben und Durchhaltevermögen.

Wie kamen Sie auf den Standort Frankfurt? Sind Sie immer noch glücklich in der Stadt?

Da es im Rheinland bereits in den 80er-Jahren sehr viele etablierte Galerien gab, suchte ich nach einem Standort, der es mir möglich machte, weiterhin mit den mir wichtigen und vertrauten Künstlern zu arbeiten. Da bot sich Frankfurt als unbeackertes Feld für mich an. Übrigens hat Kasper König mich in der Entscheidung ermutigt, ohne zu wissen, dass er drei Jahre später als Direktor der Städelschule und des Portikus in Frankfurt eine neue Heimat finden würde. Dann wurde Jean-Christophe Ammann 1991 an das neugebaute Museum für Moderne Kunst als Direktor berufen. Diese Neubestzungen durch unseren damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann weckten die Stadt aus ihrem Dornröschenschlaf. Rückblickend bin ich stolz darauf, dass ich dazu beitragen durfte, in Frankfurt eine aktive und sehr lebendige Kunstszene mit aufbauen zu dürfen. Mit Philippe Pirotte, Susanne Gaensheimer, Max Hollein, Clémentine Deliss und Franziska Nori erlebte die Kunstszene abermals einen gelungenen Generationenwechsel, daher gibt es keinen Grund, Frankfurt den Rücken zu kehren – im Gegenteil!

Frankfurt brachte Sie in Kontakt zur Deutschen Bank, die Sie über eine Dekade lang beim Aufbau einer Kunstsammlung beraten haben. Wie beeinflusste diese Tätigkeit Ihre Arbeit als Galeristin?

Die Zeit der Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank war in vielerlei Hinsicht sehr spannend. Durch die vielen Kontakte zu meinen Kollegen war ich stets über alle aktuellen Tendenzen in der Szene informiert und konnte daher aktiv am Aufbau der Sammlung teilnehmen und meinen Wissensstand erweitern. Gleichzeitig gab es mir einen finanziellen Rückhalt und half dabei, die Galeriearbeit konsequent weiterzuführen.

Was muss man für den Beruf Galeristin mitbringen?

Die Kunst als existenziellen Bestandteil des Lebens zu sehen – Pragmatismus, kaufmännisches Geschick, Überzeugungskraft, Leidenschaft für die Sache, Durchhaltevermögen, Networking und Vertrauen in die eigene Künstlermannschaft.

Sie arbeiten offenbar gerne mit Männern: In Ihrem Programm haben Sie nur zwei Künstlerinnen. Wie kommt das?

Offensichtlich komme ich mit Männern langfristig besser klar!

Ihre größte Niederlage in den 30 Jahren?

Von einem meiner Künstler verlassen zu werden.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? 

Weiterhin Spaß und Erfolg in der Zusammenarbeit mit meiner Künstlermannschaft zu haben und diese Aufstellung auch zukünftig um spannende Mitspieler erweitern zu können. 

Was hat sich auf dem Kunstmarkt in den vergangenen 30 Jahren verändert?

In den 80er-Jahren war die Kunstwelt weltweit überschaubar und die Sammler sehr viel individueller. Die Szene kannte sich, man war so etwas wie eine Großfamilie. Kunst wurde mehr als Bekenntnis und aus Leidenschaft für die Sache gekauft als aus spekulativen Gründen. Die weltweite digitale Vernetzung veränderte nicht nur die Geschäftswelt, sondern auch die Kunstwelt. Heute gilt mehr denn je das Motto: schneller, lauter, spektakulärer, profitabler!

Was ist der wichtigste Rat an junge Galeristinnen und Galeristen?

Sich nicht von diesen aktuellen Tendenzen blenden zu lassen, sondern sich mit Spürsinn und Feingefühl ein eigenes Galerieprofil aufzubauen.

"30 Jahre Galerie Bärbel Grässlin fotografiert von Wilhelm Schürmann und Wolfgang Günzel", Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt a.M., bis 14. Februar 2015