Rückblick 2019

Kunst-Fails des Jahres

Gut gemeint, böse Absicht oder einfach ungeschickt: Kunst-Pannen, über die wir 2019 die Köpfe geschüttelt haben

Neo Rauchs "Anbräuner"

Der Maler Neo Rauch versuchte sich im Sommer in einer Karikatur: Das Bild "Der Anbräuner" sollte eine Replik auf einen Text des Kritikers Wolfgang Ullrich darstellen – und war an Plattheit kaum zu überbieten. "Die Zeit" sah kein Problem darin, ihren Mitarbeiter auf so diffamierende Weise dargestellt zu sehen und druckte das Bild ab. Später wurde das Gemälde bei einer Benefizauktion für 750.000 Euro an den Berliner Immobilienunternehmer Christoph Gröner versteigert, der das Bild im Foyer seines "Vereins für den gesunden Menschenverstand" aufhängen will. Oh je!

Lars Eidingers Aufnahmen von Obdachlosen

Natürlich, auch Schauspieler können bildende Künstler sein; Gattungsknäste sind langweilig. Auch dass Lars Eidinger in seiner allerersten Ausstellung, im Neuen Aachener Kunstverein, manche Videos und Fotos zeigte, die zuerst für Instagram gemacht wurden, ist ok. Aber was ist mit den Persönlichkeitsrechten der Obdachlosen, Schlafenden und Betrunkenen, die er im öffentlichen Raum fotografiert hat? "Wenn ich ein Bild von einem Menschen poste, der schläft oder in einem Einkaufswagen sitzt, dann identifiziere ich mich mit diesem Menschen. Ich führe sie nicht vor. Ich sehe mich in diesen Bildern selbst", rechtfertigt er sich. Diese Aneignung von Elend macht die ganze Angelegenheit noch zweifelhafter. 

Damien Hirsts Hotelzimmer des Grauens

Der Künstler Damien Hirst hat eine Hotelsuite ge­staltet. Sie liegt geografisch in Las Vegas und ästhetisch jenseits der Beschreib­barkeit. Weshalb wir es hier bei Fakten und Bildern belassen haben. 

Die Ausstellung weiblicher Akte von Springer-Chef Mathias Döpfner

Diese Ausstellung wirkte in Teilen wie eine Google-Bildrecherche, Suchbegriff "Vulva", schrieb Monopol-Redakteurin Silke Hohmann in ihrem Verriss zu "Nude" in der Villa Schöningen in Potsdam: "Wenn diese Werke zusammenhanglos nebeneinander gezeigt werden, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner 'nackt' gebracht, verflacht das eigentlich gute Thema." Pornografie schneidet die außerhalb des Sexuellen liegende Gedankenwelten ab und verzichtet auf Sinnzusammenhänge – genau wie diese Ausstellung.

Verpeilte AfD-Plakatwerbung mit Kunst

Im Europawahlkampf riss die AfD auf einem Wahlplakat ein Gemälde von Jean-Léon Gérôme komplett aus dem Zusammenhang: Das Bild des französischen Malers zeigt eine nackte Sklavin, die von Turban tragenden Männern umringt und bedrängt wird. Die AfD hat die Slogans "Damit aus Europa kein Eurabien" wird und "Europäer wählen AfD" auf das Bild gedruckt. Das Clark Art Institute in Massachussetts, zu dessen Sammlung das Gemälde "Der Sklavenmarkt" von 1866 gehört, fordert daraufhin ein Ende der Instrumentalisierung des Kunstwerks.

Bizarre Ansprüche der Hohenzollern

Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof, Gemälde und Geld - all das fordern die Hohenzollern-Erben. Schon die Begründung dieser Anspruchshaltung ist einen Aufschrei wert. Den gab es spätestens dann auch auf breiter Front, nachdem Moderator Jan Böhmermann in seiner Sendung "Neo Magazin Royal" eine halbe Stunde lang die Nachfahren der letzten Monarchie in Deutschland zerlegte.

Das Versagen des Senats in Sachen Art Berlin

2019 fand die voraussichtlich letzte Ausgabe der Art Berlin statt. Im Dezember hatte die Muttergesellschaft Koelnmesse überraschend ihren Rückzug aus Berlins wichtigster Kunstmesse bekanntgegeben. Der Berliner Senat zeigte sich danach ahnungslos: Die Kulturverwaltung als Hauptveranstalter der Berlin Art Week, in der die Messe eingebettet war, erklärte sich nicht zuständig, die Senatsverwaltung für Wirtschaft war nach eigenen Angaben nicht über die Schwierigkeiten informiert. Diese Ahnungslosigkeit bestätigt das ungute Bild, das der Berliner Senat ohnehin in Sachen hauptstädtischer Kunstmarkt abgibt.

Das Zentrum für politische Schönheit greift daneben

Das Künstlerkollektiv um Philipp Ruch stellte im Dezember in Berlin eine Stele auf, in der angeblich Asche von Holocaust-Opfern eingearbeitet ist und die an die Ermächtigung des NS-Regimes durch Konservative erinnern sollte. Jüdische Organisationen sahen die Holocaust-Opfer instrumentalisiert, die Aktion sei pietätlos und störe die Totenruhe. Das ZPS entschuldigte sich und räumte die Stele weg. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dem Kollektiv seine rabiaten Mittel selbst um die Ohren fliegen. Wie wird das ZPS, dessen politischer Anspruch immer auch mit Selbstgerechtigkeit durchzogen ist, in Zukunft auftreten? Demütiger? 

Ai Weiweis Deutschland-Bashing

Ai Weiwei ist 2019 nach England gezogen, aber nicht ohne vorher viel Lärm zu machen. Der chinesische Künstler beklagte öffentlich, dass Deutschland keine "offene Gesellschaft" sei und kaum Raum für Debatten lasse – und klang dabei wie ein larmoyanter "besorgter Bürger". Dabei spricht er selbst zu beinah jedem Thema in jedes Mikrofon - und argumentiert dabei zumeist mit grobem Besteck. Viel Erfolg im Brexit-England, wirklich, no hard feelings

Jeff Koons gedenkt Terroropfern mit Bling-Bling

Knapp vier Jahre nach den Anschlägen auf die Konzerthalle Bataclan und andere Orte in Paris wurde 2019 Jeff Koons' elf Meter hohe Skulptur "Bouquet of Tulips" eingeweiht. Die überdimensionale Faust mit elf bunten Ballonblumen in typischem Koons-Popglanz soll eine Hommage an die 130 Opfer der terroristischen Angriffe sein und ist ein Geschenk des Künstlers an die Stadt Paris. Laut ihres Schöpfers soll die Arbeit eine Abwandlung der Hand der Freiheitsstatue darstellen - ein Monument der Freundschaft zwischen den USA und Frankreich. Doch in einem offenen Brief sprachen sich Kulturschaffende gegen den Aufbau der Skulptur aus. Sie sei vom Motiv her unangemessen, undemokratisch und überhaupt vor allem Eigenwerbung für den Starkünstler. Und ein wirkliches Geschenk ist die Chrom-Gedenkstätte übrigens auch nicht: Die rund 3,5 Millionen Dollar Aufbaukosten waren nicht inklusive, sondern wurden durch private Spenden aus Frankreich und den USA aufgebracht.

Eike Schmidt brüskiert Wien

Was für ein Eklat: Obwohl der Wechsel von Florenz nach Wien seit zwei Jahren feststand, sagte Uffizien-Direktor Eike Schmidt dem Kunsthistorischen Museum (KHM) überraschend wenige Wochen vor dem geplanten Amtsantritt ab. Die Folge: ein brüskierter österreichischer Außenminister, Kopfschütteln in der Wiener Kunstszene – und Interimsdirektorin Sabine Haag kann am KHM weitermachen. Er habe das Gefühl gehabt, dass Haag bleiben wolle, erklärte Schmidt später. Und durch die neue Konstellation in der italienischen Kulturpolitik habe sich seine Situation in Florenz kurzfristig geändert. Sind jetzt also alle glücklich? Ein schales Gefühl bleibt nach diesem Vorgang trotzdem.