Bekannt wurde die 1944 in Newcastle upon Tyne geborene Künstlerin mit raumgreifenden, oftmals provisorisch wirkenden Werken. Die britische Bildhauerin schuf aus Bauholz, Pappkarton, Zement, Lehm und bunten Kleiderstoffen skulpturale Gebilde, die schwer zu erfassen sind, die sich vor den Betrachtenden auftürmen und ausbreiten, ihnen oftmals den Weg versperren.
Gleich nach ihrem Kunststudium 1965 stellte Barlow ihre provisorischen, fast ruinös wirkenden Skulpturen im angesagten Institute for Contemporary Art in London aus – doch ihre Karriere hob nicht ab. Sie erzog fünf Kinder und brachte als Professorin an der Slade School in London Künstlerinnen und Künstler wie Rachel Whiteread, Spartacus Chetwynd, Tacita Dean oder Douglas Gordon auf den Weg. Ihre eigenen Skulpturen wurden fast alle zerstört – eine Galerie hatte sie nicht und auch keinen Platz, die Werke selbst zu lagern. Doch auch wenn ihre Kunst dem Kunstmarkt zu sperrig war, hat sich die Künstlerin nicht glatt schleifen lassen und ihre spröde Formensprache konsequent weiterentwickelt.
Erst als sie 2009 in Pension ging, bekam ihre Karriere neuen Schwung. Plötzlich fiel nicht nur ein paar Insidern auf, wie großartig Barlow mit Material im Raum umgeht, wie rau, originell und spannungsreich ihre Skulpturen sind. 2010 stellte sie unter anderem in der Serpentine Gallery und im Migros Museum Zürich aus, die Galerie Hauser & Wirth nahm Barlow unter Vertrag. Ihre Installationen füllten die großzügigen Duveen Galleries der Tate Britain und wurden auf der Hauptausstellung der Biennale von Venedig gezeigt.
"Sie hat unser Herz erobert"
2017 bespielte sie in Venedig den britischen Pavillon, 2021 war eine große Retrospektive im Haus der Kunst in München zu sehen. Im gleichen Jahr erhielt sie den Kurt-Schwitters-Preis der Niedersächsischen Sparkassenstiftung. "Was für ein Verlust für die Kunstwelt", sagte der Direktor des Sprengel Museums Hannover, Reinhard Spieler, am Dienstag. Barlow habe eine der eindrücklichsten Arbeiten in der Geschichte des Sprengel Museums eingerichtet. "Als Mensch wie als Künstlerin hat sie das Herz unseres Museums erobert und wir verneigen uns in großer Dankbarkeit vor ihr. Unser ganzes Mitgefühl gilt ihrer Familie."
Seit Oktober ist im Sprengel Museum Barlows Kunstwerk "Breach" aufgebaut, eine raumgreifende Installation mit bunten, geometrischen Elementen. Diese Ausstellung ist noch bis zum 19. März zu sehen.
"Ich bin wohl obsessiv, aber keine Perfektionistin", sagte die Britin am Rand ihrer gefeierten Soloschau 2014 in der Londoner Tate Britain. Ihre Arbeiten entstammen einem ergebnisoffenen Prozess, ihre Ausdruckskraft raubt vielen Betrachtern regelrecht die Sprache. "Skulptur", so Barlow, "ist etwas, was du nicht in Worte fassen kannst."