Künstlerin Cao Fei im Interview

"Wir leben in einer Übergangsphase"

Die Künstlerin Cao Fei spricht über ihr BMW Art Car, neue Bilderströme und veraltete Technik 

Auf den ersten Blick ist das BMW Art Car der chinesischen Künstlerin Cao Fei einfach ein mattschwarzes windschnittiges Rennauto. Ein beinahe schlichter Wagen, wenn man ihn mit den bunt gemusterten Vorgängermodellen von Jeff Koons und John Baldessari oder dem gefrorenen Raumschiff von Olafur Eliasson vergleicht. Erst wenn man sein Handy mit einer speziellen App auf das Auto richtet, erwacht es auf dem Display zum Leben und wird von bunten Kringeln und Linien umtanzt. Augmented Reality, erweiterte Realität heißt das Zauberwort. Wir haben auf der Art Basel / Hong Kong mit Cao Fei über Autos, Virtualität und den Retrocharme von veralteter Technik gesprochen.


Cao Fei, ein Großteil Ihrer Arbeit ist immateriell und spielt im virtuellen Raum. Warum wollten Sie so ein massiges Objekt wie ein Auto designen?
Ich bin kein großer Autofan, ich habe kein Auto und bis jetzt nicht mal einen Führerschein. Ich fahre mit dem Fahrrad zu meinem Studio. Aber die Geschichte des Art Cars ist voller großartiger Künstler, deshalb hat es mich gereizt, ein Teil davon zu sein. Für mich war es eine Herausforderung, und ich habe viel darüber nachgedacht, wie ich das Auto leichter und lebendiger machen kann. Das Auto ist an sich sehr mächtig und männlich besetzt. Ich wollte nicht noch mehr Material hinzufügen, oder die Oberfläche beschweren, indem ich das Auto anmale. Die augmented Reality nimmt dem Wagen etwas von seiner Schwere. Ich frage mich immer, wie ein Objekt emotional werden kann, nicht nur attraktiv anzuschauen.

In der Geschichte des BMW Art Cars sind Sie seit 1976 erst die dritte Frau, die ein solches Auto gestaltet. Hat es Sie gereizt, die Männerdomäne Motorsport  zu kapern?
Darüber habe ich nicht wirklich nachgedacht. Sobald das Auto in der Welt und auf der Strecke ist, macht es keinen Unterschied mehr, wer es designt hat. Das Auto sieht ein bisschen aus wie ein Batmobil, das gefällt den Leuten. Ich glaube nicht, dass Weiblichkeit dabei eine Rolle spielt. Auch die Motorjournalisten, die tatsächlich überwiegend Männer sind, haben mich und mein Auto akzeptiert.

Ihre künstlerische Erfolgsgeschichte spielt vor allem im Westen. Wird Ihre Arbeit inzwischen auch in Ihrer Heimat China wahrgenommen?
Es braucht Zeit, aber es bewegt sich etwas. Mehrere Museen haben wegen Ausstellungen mit mir gesprochen, aber genaueres kann ich noch nicht sagen. Ich hoffe, dass in den kommenden Jahren viel passieren wird.  

Hoffen die Leute immer noch, dass Ihre Kunst ihnen die jungen Leute in China erklären kann?
Ja, das kommt wahrscheinlich aus meinen frühen Arbeiten, als ich mit der Cosplay-Community gearbeitet habe. Aber dann denken die Leute, dass sich die Szene zehn oder zwanzig Jahre lang nicht verändert. Ich gehöre nicht mehr zur jungen Generation und alles verändert sich so schnell, dass man nicht von einer zusammengehörigen Gruppe sprechen kann.

Auch wenn Ihre Kunst virtuell ist, wird sie immer noch in Museen und auf Messen gezeigt. Braucht die Kunst diese traditionellen Räume?
Ich glaube wir leben in einer Übergangsphase. Es gibt ja auch immer noch Kataloge auf Papier, obwohl ich Ihnen alles in einem pdf schicken könnte. Im Moment existieren das Analoge und das Digitale gleichzeitig, und beides hat seine Berechtigung. Messen und Museen sind immer noch mächtig und wichtig für uns Künstler, aber das Internet ist genauso zentral. Ich bin dafür, die beiden Pole nicht gegeneinander zu stellen, sondern beides zu nutzen. Ich mache Kunst, die im Museum zu sehen ist, aber eben nicht mehr nur dort. Es gibt Instagram, Facebook-Live-Videos oder Apps. Die Kanäle, auf denen man Kunst sehen kann, sind vielfältiger geworden. Es ist wie ein Bilderstrom.  

Sie haben vor ein paar Jahren mit Second Life gearbeitet, einer virtuellen Parallelwelt, die heute kaum noch jemand nutzt. Auch anderen Techniken kann man quasi beim Veralten zuschauen. Was heißt das für Ihre Werke?
Ich bin gern die Erste, die etwas ausprobiert hat. Die Arbeiten sind eine Zeit lang Dokumente des Jetzt und dann werden sie von einer beschleunigten Gegenwart überholt. Alles geht zu schnell, als dass wir es kontrollieren könnten. Aber das macht nichts, weil die Technologien da waren und echte Menschen mit ihr intragiert haben. Ich kann nicht vorhersagen, was kommt, aber ich reagiere darauf. Wenn ich etwas erschaffen wollte, was Jahrhunderte lang gültig bleibt, würde ich malen.