1984 vernichtete und beschädigte ein Feuer im Mönchengladbacher Haus des ZERO-Künstlers Heinz Mack Objekte im heutigen Millionenwert. 35 Jahre später werfen zwei prominente Kunstkenner dem heute 88-Jährigen vor, damals beschädigte Werke von Künstlerfreunden eigenhändig aufgearbeitet und als Originale in den Markt gebracht zu haben. Auslöser ist der wegen Betrugs verurteilte einstige Kunstberater Helge Achenbach.
Erstmals nimmt Mack persönlich Stellung zu den teils jahrzehntealten Täuschungsvorwürfen. Sein Fazit: "Wie in jeder anderen Branche gibt es natürlich auch hier missgünstige, unzufriedene und intrigierende Zeitgenossen", so Mack in einem schriftlich geführten Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Herr Mack, wie viele und welche Kunstwerke Ihrer privaten Sammlung wurden bei dem Brand in Ihrem Haus 1984 beschädigt oder ganz zerstört?
Der Brand liegt 35 Jahre zurück. Stellen Sie sich vor, was es bedeutet, von einem auf den anderen Moment alles unwiderruflich zu verlieren: Dinge von persönlichem Wert, Möbel, Kleidung, wichtige Dokumente aus meinem Archiv, eigene Kunstwerke sowie den Großteil der wundervollen Sammlung von Werken meiner engen Künstlerfreunde. Sechs dieser Werke wurden vom Feuer verschont und nur leicht beeinträchtigt. Glücklicherweise befanden sich auch eine Reihe von Werken in einem anderen Gebäude und waren deshalb nicht betroffen.
Was haben Sie mit den beschädigten Kunstwerken gemacht? Haben Sie die Werke restauriert oder neu aufgebaut?
Die Werke meiner Künstlerfreunde, die mich einst mit tiefer Freude erfüllt hatten, wurden zu Spiegelbildern des Verlustes, ich sperrte sie einfach weg. Es dauerte eine geraume Zeit, bis ich das Geschehene einigermaßen verarbeitet hatte und mich den sechs beeinträchtigen Werken zuwendete. Es war der letzte Versuch, etwas zu retten. Mit voller Hingabe sowie meinem ganzen künstlerischen Einfühlungsvermögen und Können restaurierte ich die Arbeiten im Dialog mit zwei fachkundigen und renommierten Restauratoren, Otto Hubacek und Heinz Althöfer. Konkret ging es hierbei um zwei Schwämme und ein Leinwandbild von Yves Klein, ein Objekt von Joseph Beuys, ein kleines Leinwandbild von Max Bill, eine Geige von Arman. Am Ende merkte ich jedoch, dass ich auch durch die Instandsetzung dieser sechs Arbeiten keinen Frieden fand.
Wem haben Sie die Werke nach dem Brand angeboten? Nur Achenbach oder auch Galeristen?
Geldsorgen hatte ich zum Glück nach dem Brand nicht. Deshalb hatte ich auch nie an einen Verkauf der Sammlung gedacht. Aber einige Zeit danach kam es zu mehreren persönlichen Treffen mit Helge Achenbach. Wir kamen dabei auch auf meine innere Zerrissenheit gegenüber der verbliebenen Sammlung zu sprechen, hatte ich doch mittlerweile mit einer tiefen Abneigung gegenüber den verbliebenen Werken zu kämpfen. Achenbach fragte mich, ob er mich von einem Teil der verbliebenen Sammlung befreien solle und mir diese abkaufen könne. Wir einigten uns am Ende auf 13 Arbeiten. Der restliche, unberührte Teil der Sammlung befindet sich noch heute weggesperrt in einem Lager. 2014 stellte ich einige Arbeiten von damals für die Ausstellung "ZERO Zeit. Mack und seine Künstlerfreunde" zur Verfügung. Darüber hinaus hat kein Werk der ehemaligen Sammlung den Lagerraum jemals verlassen.
Waren unter den Werken, die sie verkaufen wollten, auch restaurierte Arbeiten und haben Sie das den Kunden auch gesagt?
Ich selbst hatte keine Kunden, jedoch Herr Achenbach. Er übernahm die erwähnten 13 Werke aus meinem verbliebenen Bestand. Unter den von Achenbach ausgewählten Arbeiten befanden sich die sechs restaurierten Werke. Selbstverständlich setzte ich ihn von Beginn an über die Restaurationen in Kenntnis.
Warum hat Achenbach die Werke an Sie zurückgeben? Haben Sie die Arbeiten danach zerstört? Wenn ja, wann und auf welche Weise?
Nach einem Vorfall auf der Kunstmesse Fiac setzte er mich massiv unter Druck. Die Tatsache, dass ich ihn informiert hatte, war mit einem Mal nichtig. Achenbach hatte seine Kunden offenbar nicht über die Restaurierungen informiert. Er war schon seinerzeit ein erfolgreicher und sehr gut vernetzter Kunsthändler. Ich sah damals keinen anderen Ausweg, als Achenbachs Forderungen zu entsprechen und zahlte wie gefordert den vollen Kaufpreis von 800 000 Mark zurück. Als «Entschädigung» behielt er die übrigen sieben Arbeiten, darunter eine bedeutende Bronze von Hans Arp. Ich persönlich habe mir nichts vorzuwerfen, aber wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann dass ich die Restaurierungsarbeiten nicht auf den Werken vermerkt habe. Das bedaure ich heute zutiefst. Das war einfach gedankenlos und naiv.
Angeblich sollen Sie seinerzeit nicht alle Kunstwerke zerstört haben. Gibt es Aufnahmen zu der Zerstörung?
Wie gesagt, der restliche unberührte Teil der Sammlung befindet sich noch heute weggesperrt in einem Lager. Sieben originale Werke sind damals bei Achenbach verblieben, sechs habe ich zurückgenommen. Diese wurden von mir verbrannt. Ich habe das damals zwar fotografisch dokumentiert, diese Fotos sind aber leider aktuell nicht auffindbar.
Auch der Galerist Rudolf Zwirner behauptet, in den 1980er Jahren ein Werk aus Ihrer Sammlung erworben zu haben. Der französische Künstler Arman habe seine eigene Arbeit (Geige) dann als "nicht original" bezeichnet. Was hat sich damals zugetragen?
Ich hatte niemals Kontakt mit Herrn Zwirner - weder beruflich noch privat. Seine aktuellen Aussagen gegenüber der Presse, Jahrzehnte nach der besagten Messe, lassen mich staunen. Arman rief mich nach der Fiac an und brachte zum Ausdruck, er habe kein Problem mit diesem Vorfall. Wir waren nach wie vor enge Freunde. Dies bekundete er, indem er mir kurze Zeit später sogar eine neue Geige schenkte, die ich heute noch besitze.
Was ist Ihrer Meinung nach die Motivation Achenbachs und Zwirners, nach rund 30 Jahren diese Verdächtigungen an die Öffentlichkeit zu bringen? Es wurde ja niemals Anzeige erstattet.
Na, was glauben Sie denn? Seit letztem Monat ist das zweite Buch von Achenbach auf dem Markt. Die Behauptungen in seinem Buch über mich waren derart unhaltbar, dass sie herausgestrichen wurden. Achenbach ist ein rechtskräftig verurteilter Betrüger. Einer, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und nun seine verdrehten Anschuldigungen zur Vermarktung nutzt. Und was Rudolf Zwirner betrifft: Die Berichterstattung schadet dem Verkauf seiner kürzlich erschienenen Autobiografie sicher auch nicht.
Es entsteht der Eindruck, man wolle Sie gezielt diskreditieren. So werden auch Gerüchte gestreut, Sie würden späte Werke in die 60er- bis 70er-Jahre vordatieren.
Ich bin absolut empört und versichere Ihnen, dass eine solche Anschuldigung fernab von jeder Realität ist. Ich war derjenige, der die Auflösung der Gruppe ZERO im Jahre 1966 mit aller Härte durchsetzte. Für mich war es an der Zeit, neue und eigene künstlerische Wege zu gehen. Meine eigene künstlerische Weiterentwicklung steht für mich absolut im Vordergrund. Es entbehrt jeder Logik, warum ich in irgendeiner Form Rückschritte machen sollte. Restaurierungsarbeiten an meinen frühen Werken überlasse ich seit jener Zeit ausschließlich Fachleuten. Jede kleinste Veränderung, wird ohne Ausnahme, mit höchster Stringenz und Penibilität auf den Werken oder in unserem internen Archiv notiert. Ich mache Fehler kein zweites Mal.
Wem trauen Sie noch auf dem Kunstmarkt oder in der Kunstwelt?
Die Kunstwelt ist glücklicherweise voller loyaler, vertrauenswürdiger und wunderbarer Menschen. Wie in jeder anderen Branche gibt es natürlich aber auch hier missgünstige, unzufriedene und intrigierende Zeitgenossen. Das ist aber nicht meine Welt. Meine Welt ist das Atelier und ich, mit meinen 88 Jahren, bevorzuge es, meine Zeit vollumfänglich konstruktiv zu nutzen und mich meinen künstlerischen Ideen zu widmen.
Der 1931 geborene Heinz Mack war Ende der 1950er-Jahre in Düsseldorf Mitbegründer der Künstlergruppe ZERO, zu der auch Otto Piene und Günther Uecker gehörten. Macks monochrome Reliefs und Raster aus der ZERO-Zeit sind heute Klassiker der Moderne. Der Künstler wurde vielfach geehrt. Seine Werke werden in internationalen Museen gezeigt