Von der Akademie ins freie Künstlerleben

Kreativ statt prekär

Karlsruhe (dpa) - Sophie Innmann und Stefan Wäldele sind auf dem Sprung: Die Kunstakademie ist Vergangenheit, jetzt haben sie in Karlsruhe ihre allererste eigene Ausstellung gestaltet. Ihr künftiges Leben als freie Künstler ist genauso offen wie die Eingangshalle der Orgelfabrik in Karlsruhe-Durlach, wo sie ihre Arbeiten noch bis Ende Februar präsentieren.

«Das ist ein genialer Raum», sagt die 28-Jährige. «Den zu fassen und zu füllen war eine große Herausforderung.»  Sophie Innmann hat einen Basketball-Korb in der Fabrikhalle aus dem 19. Jahrhundert platziert. Das Geräusch der auf den Hallenboden knallenden Bälle ist Teil der Installation. «Es geht mir um Aktion, Handlung und Bewegung im Bild, im Raum», erklärt die aus Oberfranken kommende Künstlerin.  An die Wand gelehnt stehen Sudoku-Tafeln, bei denen Stefan Wäldele Rätselaufgaben nicht mit Ziffern, sondern mit Farbflächen gestaltet hat. Eine andere Arbeit von ihm sind beschriftete Plastikstühle - und die von der Vernissage-Feier übrig gebliebenen Bierkästen sind am Tag danach auch Teil der Ausstellung geworden. 

Nicht nur der Raum ist eine Herausforderung, auch das Leben als freie Künstlerin. Das Einkommen liegt im Schnitt gerade mal bei 10 932 Euro jährlich - so weist es die Statistik der Künstlersozialkasse (KSK) für unter 30 Jahre alte Frauen im Bereich der Bildenden Kunst aus. Dabei kommen viele Künstler erst gar nicht in die KSK, weil sie zu wenig verdienen. 

Eine Zeit lang überlegte Sophie Innmann, ob sie nicht Lehrerin werden sollte. Aber dann entschied sie sich für den schwierigeren Weg mit dem größeren Freiraum. Für die Ausstellung «+18» bekommen die beiden keinen Cent. Geld verdient Sophie Innmann mit Gestaltungsaufträgen, etwa vom Badischen Staatstheater für ein Bühnenbild. 

Ähnlich leben viele der 10 000 freien Künstler, die im Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) organisiert sind. Nach einer Untersuchung des BBK haben 68,3 Prozent der Künstler Jahreseinkünfte von weniger als 5000 Euro, nur 1,3 Prozent nehmen mit ihrer Arbeit 50 000 Euro und mehr ein. «Diese Situation verträgt sich ganz schlecht mit dem Anspruch, dass wir eine Kulturnation sein wollen», sagt BBK-Vorsitzender Werner Schaub. 

Sophie Innmann hat trotzdem keine Angst vor einem Absturz ins Kunst-Prekariat. «Ich habe nicht das Gefühl, dass mich das treffen wird.» Sie betrachte die Chancen realistisch und erwarte nicht, dass sie einmal auf großem Fuß leben werde. Es werde aber immer Aufträge geben und dann finde sie auch Unterstützung in der Vernetzung mit Künstlerkollegen überall in der Welt. 

Ähnlich idealistisch sieht das ihr Ausstellungspartner Stefan Wäldele. Der ausgebildete Krankenpfleger entschied sich für den Berufsweg des Künstlers, als er im Krankenhaus einen Maler kennenlernte. «Ich definiere mich immer wieder neu», sagt der 30-Jährige, der gern mit Wörtern und Namen spielt, auch mal HipHop- und Rap-Texte schreibt. Er will nach Paris, weil die Kunstszene dort besonders lebendig sei. «Wir sind auf der Suche», sagt er und fügt hinzu: «Vielleicht dauert das ein Leben lang.» (Peter Zschunke, dpa)

Die Ausstellung in der Orgelfabrik in Karlsruhe-Durlach läuft bis zum 22. Februar; der Eintritt ist frei