Die Werbung im Internet will mir seit Jahren flüssige Fertignahrung wie Huel oder Yfood verklickern. Und jedes Mal schmeißt das meinen inneren Wasserkocher an, auch weil es ärgert, wie schlecht personalisierte Werbung am Ende funktioniert. Viele glauben unterdessen tatsächlich, Flüssignahrung sei agil, keto, flexibel und modern.
Für vermeintlich selbstoptimierte Heißluftballons mit Nonsens-Jobs in Start-ups mag das stimmen. Ein ziemlich humor- und herzbefreites Dasein stelle ich mir darunter vor. Ich gehe an dieser Stelle davon aus, dass ein Großteil zustimmt: Gutes Essen und Trinken sind essentiell für das Leben und die Gesellschaft. Essen und Trinken sind zudem immer auch Inspiration für die Kunst gewesen. Man denke nur an üppigen Stillleben-Foodporn aus der Renaissance, Dosensuppen bei Andy Warhol oder die Eat-Art der 60er und 70er.
Bekannte Köchinnen und Köche in der Fine-Dining-Welt sehen sich im Gegenzug nicht selten als große Kunstschaffende. Schnell vergängliche Teller tragen potente Namen wie Gemälde. Bei Heston Blumenthal heißt das dann "Sound Of The Sea (2007)" oder "Damping Through The Boroughgroves (2015)".
Das Personal ist weg
Allerdings steckt die Welt der Gastronomie derzeit in einer der größten Krisen ihrer Geschichte. Erst kamen Lockdown und Pandemie, in der keine Geschäfte gemacht werden konnten. Dann ist heute kein Personal mehr da, weil die schlecht bezahlten und knochenharten Jobs offenbar doch nicht systemrelevant sind, viele umgesattelt haben und auch niemand daran denkt, wieder zurück an den Tresen oder Herd zu kommen.
Dazu kommen Inflation und wirtschaftliche Krise. Wenn die Gasrechnung plötzlich die Miete übersteigt, dann sparen Menschen zuallererst bei Freizeit, Kunst und Kultur. Gesellig mit Freundinnen und Freunden essen gehen, gehört auch zu den Dingen, auf die viele verzichten müssen. Nicht zuletzt beschweren sich derweil viele Gäste, dass Restaurant-Erfahrungen auch nicht mehr die sind, die sie mal waren. So etwas passiert, wenn ein Bruchteil der Servicekräfte dieselbe Arbeit machen muss wie vor drei Jahren und dann auch noch das Trinkgeld ausbleibt – weil ist ja bekanntlich Krise, das Essen war schon teuer genug. Das sieht perspektivisch ziemlich düster aus.
Seit vielen Jahren arbeiten unterschiedlichste Firmen an der Automatisierung des Kochens durch Roboter. Und was für einen passionierten Koch wie mich wie ein eiskalter Hochverrat anmutet, ein schimmliger Dolchstoß in die humanitäre Wärme der Menschheit, könnte ob der generellen Gemengelage vielleicht doch so etwas wie ein Rettungsszenario sein. Konzepte dafür existieren einige, und kochende Roboter gibt es immer mehr. Auf der ganzen Welt. Hier einige Beispiele:
In Foshan in der chinesischen Provinz Guangdong gibt es ein Restaurant, in dem Roboter kochen und sogar Teile des Services übernehmen. Die Kundschaft scheint es nicht zu stören, eher im Gegenteil.
In Japan werden Softeis, Yakitori und Nudelsuppen durch Roboter zubereitet. Gerade in Zeiten von Pandemien erweisen sich diese als besonders hygienisch und resilient gegen Infektionen.
In Paris befindet sich die Pizzeria "Pazzi", Hier bereitet ein millionenteurer Roboter bis zu 80 Pizzen die Stunde zu. Die Rezepte hierfür stammen vom dreifachem Pizzaiolo-Weltmeister Thierry Graffagnino
Jene, denen selbst eine Pizza kulinarisch zu weit weg ist, können beruhigt werden. Auch die gute alte Kettwurst gibt es aus Roboterhand, wenn auch recht stoisch und behäbig.
Etwas ungelenk ist auch der blutarme Koch mit Terminator-Armen von Moley Robotics, der dafür in der heimischen Küche installiert werden kann. Für mich wirkt das komplizierter als selbst zu kochen, wobei das dachte ich über den Thermomix auch. Und trotzdem steht dieser heute in nahezu jeder Küche.
Mir ist bei all diesen Maschinen etwas aufgefallen. Offensichtlich können heute Roboter in der Zubereitung von Essen einiges auf die Kette kriegen. Jedoch das Kleinschneiden von Gemüse, das Herrichten des mise en place, das Abräumen und den Tisch Abwischen müssen weiterhin lebendige Menschen erledigen. In diesen automatisierten Küchen und Etablissements werden ergo wir zu subalternen Zuarbeitenden der Maschinen. Sollte das nicht andersherum sein?
Andererseits, dass Software und Technologien uns vorschreiben, wie wir zu arbeiten haben, ist keine Neuigkeit, sondern längst Alltag bei Amazon, Uber, Gorillas und Konsorten. Dennoch verwundert, dass diese Aspekte bei der Entwicklung immer wieder vergessen werden. Dafür kann sich niemand bei einem Roboter-Koch beschweren, dass er in die Suppe gespuckt hätte oder ein Haar darin hat fallen lassen. Und lieber esse ich eine Roboter-Pizza als eingangs erwähnte grauselige Pulver-Protein-Smoothies.
Für die Systemgastronomie dürfte eine Standardisierung durch robotisierte Arbeitsprozesse nur eine Frage von Zeit und Geld sein. Patties im Akkord bei McDonald’s wenden hat mit Kochen nicht viel zu tun. Gute und kreative Köchinnen und Köche werden dadurch nicht ersetzt werden können. Das ist in der Kunst und Musik nicht anders. Im Koreanischen gibt es den Begriff "Son Mat", was wörtlich übersetzt Handgeschmack bedeutet. Son Mat wird in der Regel Müttern zugeschrieben, die über Jahre ihren ganz eigenen Geschmack entwickelt haben, den auch die besten Restaurants nicht hinkriegen.
Das klingt kitschig, ist aber auch deshalb so, weil die tiefe Liebe der Mutter für ihre Familie über die Hände in das Essen gelangt. Ähnliches sagen Bäcker und Bäckerinnen, wenn sie meinen, dass handgeknetetes Brot besser schmeckt als das aus der Maschine. Oder wenn Omas Kartoffelsalat der beste ist und in Italien nichts über die Kochkünste der eigenen Nonna geht. Es gibt beim Essen und Kochen Faktoren, die mechanisch, wissenschaftlich und durch Roboter schlichtweg nicht zu reproduzieren sind. Darunter fällt die Liebe.