Einer der größten scams in der Lebensmittelindustrie wird von Influencern getragen. Schon seit einigen Jahren ist es angesagt, dass reichweitenstarke content creator auf sozialen Medien ihre eigenen Getränke, Snacks und Fertiggerichte zusammen mit großen Konzernen vermarkten. Bei den (meist jungen) Verbrauchenden mag der Konsum dieser Lebensmittel eine besondere Nähe zu ihren Idolen suggerieren. Schaut man nüchtern auf die angebotenen Produkte, stellt man aber schnell fest: überteuert, nicht selten mit minderwertiger Qualität, eben ein scam.
Ich kann das so hart formulieren, weil ich die Produkte getestet habe. Der vergangene, sehr subjektive Test veganer Ersatzprodukte hat mir schon viel Kritik eingebracht. Der vegane Käse hat mir nicht geschmeckt, dafür habe ich viel Prügel einstecken müssen. Als standhafter Journalist wage ich mich dennoch in die nächste Höhle der Löwen: zu den Fans von Stars und Internet-Sternchen.
Hier gibt es nämlich eine große Auswahl des Schreckens zu testen: fragwürdige Kräutermischungen mit viel Zucker (75g für stolze 5,99 Euro), überteuerte Frühstückszerealien (von den Elevator Boys, die auf TikTok berühmt geworden sind, weil sie No-Brainer-Videos in Fahrstühlen veröffentlichen), aus undurchsichtigen Gründen gehypte Kaugummis (vom Influencer HeyMoritz, der sich selbst als "verrückten typen mit dummen ideen" bezeichnet).
Der Preis für Promi-Eistee: Diabetes
Sehr gern wird von Promis ein spezielles Getränk auf den Lebensmittelmarkt geworfen: Eistee. Ich vermute, dass dieser schlicht billig zu produzieren ist, hohe Margen verspricht und dem Zucker-Verlangen der Fans nachkommt. Ich habe sie alle probiert: "BraTee" des Berliner Rappers Capital Bra (für 1,99 Euro pro 750 ml) zum Beispiel. Die Sorte Wassermelone kommt mit einem verschwindend geringen Anteil von Wassermelonensaftkonzentrat über die Ladentheke. Dafür ist Aroma und viel, viel Zucker drin.
Somit erhöht sich der Preis des Produkts bei regelmäßigem Konsum und einer möglichen Diabetes-Erkrankung um das Vielfache. Immerhin hat die Sängerin Shirin David ihren "DirTea" vor einer Weile eingestellt. In einem Interview gab sie zu: "Die Produktionsqualität stimmte nicht, und ich konnte das einfach nicht vertreten."
Ich habe vor der Einstellung des Produkts nur ein Mal den pappsüßen Tee probieren können. In einem Wort: Zumutung. Die Business-Rapperin hat aber angekündigt, eine Neuauflage auf den Markt zu bringen. Diesmal soll der Tee sogar "die Haut verschönern". Wäre ich ein Verbraucher in den USA, würde ich wegen falscher Werbeversprechen zugreifen, klagen und selbst reicher Business-Rapper werden. Eine gute Nachricht in Sachen Eistee-scam: Die Marktanteile einiger Influencer-Zuckerwässer sollen sich wegen der hohen Inflation um bis zu 70 Prozent verringert haben.
Ein anderes beliebtes Spielfeld ist der Markt für Tiefkühlpizzen. Der Rapper Haftbefehl aus Offenbach am Main hat zum Beispiel seine Finger im Pizzateig. Aber auch hier dribbelt Capital Bra seit längerer Zeit um die Kundschaft herum. Seine "Gangstarella Pizza" soll sich laut einer Pressemitteilung zwischen 2020 und 2023 über 9,5 Millionen Mal verkauft haben. Dabei entspricht die Qualität dieser Promi-Pizzen allen marktüblichen Marken-TK-Pendants. Nur sind die Influencer-Kreationen gern deutlich teurer. Für deutlich weniger Geld bekommt man in derselben Tiefkühltruhe genauso viel Fett, Dextrose und Stärke geboten.
Rund um die Chips eines Twitch-Streamers namens Knossi haben große Lebensmittelhändler sogar ganze Kampagnen kreiert. Der Influencer mit Millionenpublikum sitzt darin neben einem Kollegen vor Gericht. In der Werbung heißt es: "Ihnen wird zur Last gelegt, durch die Verwendung ausgewählter Gewürze und unwiderstehlicher Geschmackskombinationen, die verboten leckeren Happy Chips kreiert zu haben."
Kriminell sind meines Erachtens der penetrante und modrige Nachgeschmack und das Sodbrennen, das ich von dieser hochverarbeiteten Zumutung eines Snacks bekommen habe. Nach den Chips, muss ich zugeben, habe ich diesen Test abgebrochen. Ich muss auf meine eigene Sicherheit achten.
Eine Pasta, schneller als jeder Twitch-Stream
Aufgefallen ist mir allgemein: Die Influencer und Stars produzieren ihre Produkte meist natürlich nicht selbst, sie sorgen auch nicht dafür, dass besondere Zutaten oder Rezepturen verwendet werden. Die angepriesenen, oft ungesunden Lebensmittel liegen im Regal neben ihren Imitaten aus denselben Fabriken großer Lebensmittelkonzerne. Unterschied: Beim einen Produkt prangt der Name einer vermeintlichen Ikone auf der Verpackung, beim anderen nicht. Fazit: scam.
Besser als jedes von Promis beworbene Junkfood ist frisch und selbst zu kochen. Cool! Damit bekomme ich die Kids bestimmt. Diese Spinat-Pasta für zwei Personen ist aber wirklich schneller als jeder Twitch-Stream von deinem Lieblings-Influencer:
Eine Handvoll Walnüsse in einer Pfanne ohne Öl kurz rösten, fein hacken und beiseitelegen. 80 g frischen Spinat in etwas Olivenöl mit einer kleingehackten Schalotte und einer Knoblauchzehe anbraten, bis der Spinat in sich zusammenfällt. 2 EL Crème fraîche hinzufügen. Mit Salz, Pfeffer und etwas Thymian würzen. Die gerösteten Walnüsse hinzufügen. 350 g Pasta al dente kochen. Wer die Sauce etwas cremiger mag, kann 2 bis 4 EL Pastawasser hinzufügen, rühren und kurz aufkochen lassen. Mit reichlich Parmesan und ganz ohne Likes oder scams servieren.