Für diese Kolumne habe ich wochenlang Hunderte Videos analysiert, die auf TikTok und Instagram entstanden sind und in denen "gekocht" oder "gebacken" wird. Bevor ich meine Recherche-Ergebnisse vorstelle, möchte ich allerdings feststellen: Ich bin ein großer Freund von schnell, einfach, pragmatisch. Wer zum Beispiel freiwillig oder unfreiwillig Kinder in die Welt gesetzt hat, dem oder der fehlt oft die Zeit für aufwändige Kochkünste. Da muss es schnell und lecker und gesund oder irgendetwas mit Pasta und Tomatensauce sein.
Was bei TikTok und Instagram abgeht, ist mittlerweile aber ein Blick in den Abgrund kulinarischer Effekthascherei. Sehr beliebte Motive für die kurzen viralen Videos sind kitchen-hacks, also Tricks, mit denen das Leben in der Küche einfacher oder aufregender gestaltet werden soll. Manchmal ist es halt ein Stück Schokolade (natürlich von einem Großkonzern hergestellt) das auf einer Espresso-Tasse unter einer Kaffeemaschine platziert wird. Der heiße Kaffee bringt die Schokolade zum schmelzen, dabei fallen größere Stücke in die Tasse, die fettige Kakaobutter löst sich und man hat dann so eine Plörre, die ungenießbar aussieht. Das bekommt man in den Videos aber nicht mit, die dauern ja nur acht Sekunden.
Haferschleim für die Likes
Auch stupide: "Over Night Oats". Das sind Haferflocken, die am Vorabend mit Wasser oder Milch übergossen werden, um am nächsten morgen weich und ready fürs Frühstück zu sein. Ich mag die graue Pampe ja nicht so, das ist aber mitnichten der Grund, warum mich dieses "Rezept" nervt: Es sind nasse Haferflocken, meine Güte! Daran kann ich keinen hack erkennen. Schön blöd finde ich auch Anleitungen zum Backen mit Backmischungen, die es nur in Fernwest oder Fernost gibt. Warum zeigt mir der Algorithmus das an?
Die digitale Globalisierung bringt eh Trends mit sich, die sehr lange anhalten weil offline die erwähnten hacks zeitversetzt ankommen, die Algorithmen aber alles immer ausspielen. So kann man monatelang begutachten, wie Menschen in Neuseeland, China, Ägypten, Nigeria oder Brasilien Weißbrot toasten, Knoblauch in Schalen mit literweise Öl und ein bisschen Kräutern in Öfen schieben und sich dann ein Knoblauchbrot machen. Obligatorisch: Mit dem Messer über die Kruste kratzen für das besondere ASMR-Erlebnis. Millionen Aufrufe bekommen diese Videos. Wenn ich darüber so nachdenke, fällt das aber eher in die Kategorie langweilig.
Wie aus einem Albtraum erscheinen dagegen Influencer*innen, die sich angewöhnt haben, creepy in die Kamera zu starren, dabei Halloween-esk zu lächeln, während sich das Ringlicht in ihren glasigen Pupillen spiegelt und sie auf dem Küchentresen irgendetwas anrühren. Natürlich geht die Hälfte der Zutaten daneben, sie schmeißen zu viel Salz in die Schüssel, die Hälfte des Mehls landet auf dem hässlichen Marmor; dass der Schuss Öl sein Ziel verfehlt: Geschenkt! Hauptsache sie schauen über das Smartphone direkt in die Augen der Betrachter*innen, die sich eingeschüchtert fühlen und nicht wagen, sie wegzuwischen. Zumindest geht es mir so.
Mehr ist mehr?
Generell gilt in der Großküche der Sozialen Medien: verschwenden und klotzen, mehr ist mehr. Ein Trend der vergangenen Wochen ist zum Beispiel das Butterbrett. Menschen schmieren auf ein Stück Holz oder Plastik ein Kilo Butter und dekorieren es mit Feigenscheibchen, streuen Salz drauf und servieren es ihren Gästen. Dagegen ist an sich nichts zu sagen, nur das ganze Filmen und millionenfache Teilen ist schon ein bisschen peinlich. Interessant bleibt, dass sich der Preis für Butter in wenigen Montane um mehr als 50 Prozent verteuern musste, um diesen Trend klickbar zu machen: Schaut her, ich kann mir viel Butter leisten! Es heißt ja, dass Soziale Medien uns Menschen blöder machen. Ich glaube, sie sind manchmal nur ein Spiegel der menschlichen Blödheit selbst.
Ich könnte das ganze Internet mit solchen Beobachtungen vollschreiben, stattdessen habe ich schnell frische Pasta gemacht, um wieder runterzukommen. Keine Sorge: Ich habe kein Video dazu gedreht, lediglich ein gerade so noch veröffentlichbares Foto für meine Kolumne geschossen. Es braucht eigentlich nur drei Zutaten. Folgende Angaben reichen für zwei Portionen: 200 g Mehl (falls man das spezielle "00"-Pastamehl nicht zur Hand hat, geht auch handelsübliches Haushaltsmehl Typ 405), 2 Eier, eine Prise Salz. Einen homogenen, etwas klebrigen Teig kneten, bei Bedarf etwas mehr Mehl hinzugeben, von der Schüssel auf eine bemehlte Fläche transferieren und das Gluten gut rauskneten. In eine Frischhaltefolie packen und eine Stunde im Kühlschrank lagern. Teig ausrollen, die Pasta der Wahl formen, kurz in Salzwasser kochen und dazu Sauce nach Wahl reichen. Im Internet, auch auf Sozialen Medien, gibt es sinnvolle Video-Anleitungen zu verschiedenen Techniken, wie die Pasta wahlweise zu formen ist.