Kochkolumne von Mohamed Amjahid

Ein scharfes Statement gegen die Salatgurken-Gleichgültigkeit

Sauer statt gleichgültig: Eingelegte Salatgurke von Mohamed Amjahid
Foto: Mohamed Amjahid

Sauer statt gleichgültig: Eingelegte Salatgurke von Mohamed Amjahid

Der Rechtsruck in Europa und der Unwille zum Antifaschismus machen unseren Kochkolumnisten richtig sauer. Ein perfekter Ausdruck für seinen Gemütszustand sind diese einfachen wie schmackhaften eingelegten Gurken

Ich bin richtig sauer! Und damit könnte ich an dieser Stelle schon zum passenden Rezept für diese Kolumne übergehen, aber anscheinend muss ich für einige noch darstellen, warum die politische Säure in meinem Gemüt gerade überschäumt. Für jene, die nicht sehen können oder wollen, dass alles wieder mal den Bach runtergeht, hier also die Erklärung: 

Um uns herum bröckeln gerade die politischen Systeme und die Versprechen der westlichen Welt, human und menschenrechtszentriert für alle ein gutes Leben zu ermöglichen. Die entsprechenden Werte, die stets zeremoniell gefeiert werden, sie haben sich längst als Lügen entpuppt. Europa ist dabei zur Lügenwerkstatt der Welt avanciert. 

Statt Friedensprojekt, Prosperität, Solidarität und Sicherheit geben nun Marine Le Pen, Giorgia Meloni und Alice Weidel den Ton an, viele andere kuschen und folgen ihnen… und irgendwie habe ich spätestens an dieser Stelle der Kolumne den Eindruck, dass ich mich wiederhole, dass alles gesagt ist, dass ich nur noch auf längst Geschriebenes verweisen und dabei feststellen kann: Ich bin richtig sauer! Ich schreibe diese Zeilen für alle, denen es genauso wie meiner Wenigkeit geht. 

Neulich, als ich mich auf den Weg auf eines dieser säurehaltigen Podien gemacht habe, auf denen ich abermals meine Recherchen und Argumente gegen die organisierte Menschenfeindlichkeit in Deutschland und Europa darlege, habe ich eine halbe Salatgurke auf dem Esstisch in meiner Küche entdeckt. Da lag sie, neutral und undifferenziert, ein wenig ausgetrocknet an der Schnittstelle, irgendwie traurig. 

Die Zutaten sind alle da

Vor meiner Abfahrt noch schnell aufessen konnte ich sie schlicht nicht, auf die stundenlange Zugfahrt mitnehmen, fand ich jetzt auch nicht so ideal. Wegwerfen kam nicht infrage. Blieb nur noch: Schnell einlegen. Aus der Salatgurken-Gleichgültigkeit wollte ich ein scharfes Statement zaubern. Ein Blick in den Vorratsschrank zeigte: Alles da, sogar die passenden Einmachgläser standen bereit. Man muss nur politisch wollen, dann kann man auch als Gesellschaft und politisches System die Rechtsextremen zurückdrängen. Der entsprechende Unwille zum Antifaschismus – obwohl alle Zutaten in greifbarer Nähe sind – ist genau das, was mich empört. 

Ich habe also erstmal in den Küchenschrank gegriffen und zwei Einmachgläser mit kochendem Wasser desinfiziert und trocknen lassen. Dann habe ich jeweils ein paar Pfefferkörner und eine geschälte Knoblauchzehe, 2 TL Zucker, 2 TL Salz und eine Prise getrockneten Dill hinzugegeben. Auf die beiden Gläser habe ich die geschnittene Salatgurke verteilt, zu einem Drittel mit Apfelessig, den Rest mit warmem Wasser aufgefüllt und die Gläser gut verschlossen. 

Nach drei Tagen und meiner Rückkehr waren die eingelegten Gurken fertig und haben sehr gut im Salat geschmeckt. Sie hatten während meiner Déjà-vus auf den Podien der Republik den pikanten Geschmack des Pfeffers, die Säure des Essigs und meines Gemüts gut angenommen.