Ich war vor wenigen Wochen auf Malta, weil ich einen Hang zu korrupten Regimen habe, die Meinungsfreiheit und Menschenrechte nicht respektieren und deswegen viel investigativen Journalismus verdienen. So stand ich vor dem Mahnmal in Valetta, das an die ermordete Journalistin Daphne Caruana Galizia erinnert. Diese hatte die Machenschaften mächtiger Männer auf Malta aufgedeckt, ließ nicht locker und wurde schließlich ermordet.
Diese Kolumne möchte ich allen Kolleg*innen widmen, die sich teilweise unter Lebensgefahr für Recherche-Journalismus einsetzen. Einige von ihnen mussten leider mit ihrem Leben bezahlen: Daphne Caruana Galizia († 16. Oktober 2017 in Bidnija), Ján Kuciak († 21. Februar 2018 in Veľká Mača), Lourdes Maldonado López († 23. Januar 2022 in Tijuana), Shireen Abu Akleh († 11. Mai 2022 in Dschenin), Percival Mabasa († 3. Oktober 2022 in Manila) und viel zu viele mehr.
Am Mahnmal las ich die traurigen und wütenden Botschaften der Menschen, die es nicht mehr ertragen, dass Journalist*innen überall auf der Welt sterben. Ich war etwas überrascht, dass ich äußert viel Maltesisch verstehe. Ich wusste, dass die Sprache der Insel nordafrikanisches Arabisch und Italienisch kombiniert. Aber dass mir so viele Worte und grammatikalische Formen so vertraut vorkommen, hat mich doch berührt.
Ein essbarer Sandkuchen aus dem Sandkasten
Auf einem vom Regen durchnässten Blatt in einer Klarsichtfolie konnte ich noch den Satz erkennen: "Jafu Bih u ma Hadux Passi!" Was so viel bedeutet wie: "Sie wussten, dass es passieren wird, und sie haben nichts dagegen unternommen." Im Gegenteil: Die korrupten und menschenfeindlichen politischen Systeme zu vieler Staaten arbeiten aktiv gegen jede Form der Aufklärung, gegen den Wandel, gegen die Gerechtigkeit. Dieses strukturelle Problem kennt keine Sprachbarrieren. Es müsste eigentlich naheliegen, dass über menschengemachte Grenzen hinweg der Schmerz, die Ungleichheit, die Ungerechtigkeit uns alle gleichermaßen berühren, sodass sich endlich etwas ändert.
Nicht nur politisch und sprachlich, sondern auch kulinarisch - und das hier ist nunmal eine Kochkolumne - habe ich auf Malta wieder einmal gelernt, dass die Grenzen zwischen unseren Gesellschaften fließend sind. Am Frühstücksbüffet habe ich eine Süßigkeit entdeckt, die ich gut aus Marokko kenne. Dort isst man Sellou (auch Sfouf oder Zmita gennant) gerne beim Fastenbrechen zu Ramadan. Der ist nun zwar vorbei, aber meine Mutter hat immer so viel davon gemacht, dass wir für mehrere Wochen nach dem heiligen Monat noch davon naschen konnten.
Je länger Sellou kühl, dunkel und trocken lagert, desto mehr entfalten sich die Aromen. Das besondere daran: Die Konsistenz. Stellen Sie sich einen essbaren Sandkuchen aus dem Sandkasten vor. Man löffelt das Dessert und kaut lange auf den klein-groben Bestandteilen, um die Röstaromen und ätherischen Öle von gebranntem Mehl, Nüssen und Sesam im Mund zu entfalten.
Geduld für das Mehl und den politischen Wandel
Meine Mutter hatte mir das Rezept geschickt. Zuerst musste ich die Mengenangaben aber durch zehn teilen, um nicht auf einen Jahresvorrat Sellou zu kommen. Die Zubereitung ist etwas aufwendig, dafür aber eine gute Ablenkung von der Nachrichtenlage: 250g Weizenmehl sieben und in einem schweren Topf rösten – auf kleiner Flamme ständig rühren. Es werden sich kleine Klümpchen am Anfang bilden, das ist normal. Das Rühren sorgt dafür, dass das Mehl nicht verbrennt. Es braucht viel Geduld, so wie leider für den angesprochenen politischen Wandel auch.
Das Mehl wird langsam goldbraun und beiseite gelegt. 200g Sesam ebenfalls bei ständigem Rühren und kleiner Flamme rösten, bis die Saat bräunlich-knackig wird und die Küche nach Röstaromen duftet. Alles gut abkühlen lassen. Den Sesam mahlen, zwei Teelöffel aber als ganze Körner aufheben. 150g blanchierte Mandeln in einen Topf geben und mit kaltem geschmacksneutralem Pflanzenöl bedecken, alles erhitzen und die Mandeln schonend frittieren, bis sie goldbraun werden. Abtupfen, abkühlen lassen und fein mahlen. Ein paar Mandeln für die Deko aufheben.
Alle trocknen Zutaten gut vermengen (am besten mit den Händen), bis alles ineinander geht und keine Klümpchen mehr zu sehen sind: das geröstete Mehl, den gemahlenen und ganzen Sesam und die gemahlenen Mandeln, 60g Puderzucker, ½ TL gemahlenen Gewürzfenchel, ½ TL Zimt, eine Prise frisch geriebene Muskatnuss, eine Prise Gummi-Arabicum-Pulver.
Alles findet sich in gut sortierten Gewürzregalen großer Supermarktketten, im arabischen Supermarkt oder online. 100g Butter schmelzen, den weißen Schaum entfernen (dann bleibt das Sfouf länger haltbar), peu à peu in die trockenen Zutaten geben und gut vermengen. Einige nutzen anstatt Butter das gefilterte Öl, in dem die Mandeln frittiert wurden. Man kann Zmita entweder trockener anrühren oder so, dass sie etwas fettiger bzw. fester am Ende wird. Auch bei der Konsistenz von Süßigkeiten wird es Zeit für eine überfällige Abwechslung.