Kochkolumne von Mohamed Amjahid

Pizza für alle Einkommensklassen

Unser Kochkolumnist wird niemals verstehen, warum Normalverdienende im Kapitalismus die Superreichen verteidigen. Doch er findet eine versöhnliche Lösung: ein Pizzarezept, das sich für alle lohnt

Ich war neulich zur Abwechslung bei einem der reichsten Menschen Europas einkaufen. Das Vermögen von Dieter Schwarz, Besitzer von Lidl und Kaufland, wird auf rund 44 Milliarden Euro geschätzt. Ich habe ihm mit besagtem Einkauf 28,45 Euro mehr Umsatz gebracht. 

Als wäre das nicht schlimm genug, beobachtete ich beim Einpacken ein Gespräch zwischen der Supermarkt-Mitarbeiterin an der Information und einer wütenden Kundin. Die Frau, die mit einem Kassenzettel wedelte und auf ihren Einkaufswagen zeigte, konnte nur gebrochen Deutsch. "Falsch bezahlen!", sagte sie immer wieder. Die Mitarbeiterin war sichtlich genervt, antwortete schnippisch zurück: "Was wollen Sie eigentlich!?"

Es ging einige Male hin und her, bis sich herausstellte: Die Kundin beschwerte sich, dass sie zu wenig bezahlt habe. Anstatt eines großen 20er-Gebindes Orangennektar für mehr als vier Euro wurde an der Kasse nur der Preis eines kleinen Trinkpäckchens berechnet: 22 Cent. Die Mitarbeiterin entschuldigte sich leicht belustigt und etwas beschämt. Die Kundin zückte ihr Portemonnaie und legte viele Münzen auf den Tresen. Ihr islamischer Glaube, versuchte sie zu erklären, verbiete ihr, etwas wissentlich zu nehmen, was ihr nicht zustehe. 

19 Trinkpäckchen auf den Nacken von Dieter Schwarz

Ich möchte an dieser Stelle eine Fatwa, also ein islamisches Rechtsgutachten, aussprechen: Im Namen des barmherzigen Allahs ist es halal, also religiös erlaubt, 19 gratis Trinkpäckchen auf den Nacken von Dieter Schwarz zu exen. Schlimm genug, dass der Fruchtgehalt von weniger als 25 Prozent mit Zuckerwasser aufgefüllt wurde. Dieter Schwarz kann es sich leisten, 19 Trinkpäckchen zu verlieren. Sein Management hat das schon in seine Milliardenumsätze eingepreist. 

Niemals werde ich verstehen, warum Normalverdienende, manchmal arme Menschen mit einer emotionalen Vehemenz die Reichen und Superreichen schützen, umschmeicheln, lieben. Menschen wie Elon Musk bis aufs Blut verteidigen: Was steckt dahinter? Der Glaube, dass man selbst irgendwann mal ein Dieter oder Elon werden könnte? Religiöse Überzeugung? Kapitalistische Solidarität? 

Schlechte Nachrichten: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden aus den Verteidigern der Superreichen selbst keine solchen, eher birgt der besagte Orangennektar gesunde Nährstoffe. Und dann wählen viele Menschen so, dass das obere ein Prozent keine oder wenige Steuern bezahlt, sein Vermögen vervielfältigen, Ressourcen und Arbeitskräfte ausbeuten kann. Ich werde es niemals verstehen. 

Pizza als Gesellschafts-Kitt

Nachdem ich hier nun wieder einmal die Gesellschaft gespalten habe, möchte ich nun anders als Musk und Co. ein bisschen versöhnen. Denn alle mögen Pizza, vor allem, wenn sie frisch zubereitet wird. Der Teig geht so einfach, dass wirklich jede Person ihn hinbekommt: 

Ich habe 250 ml lauwarmes Wasser, einen frischen Hefewürfel, 1 TL Zucker und eine Prise Salz vermischt und 15 Minuten lang ruhen lassen. In eine Schüssel habe ich 500 g Pizzamehl (mit der Bezeichnung 00 - so wie der Kontostand vieler Ehrenmitglieder der Gewerkschaft der Superreichen) gegeben, darauf kommen 1 TL Salz, 2 EL Olivenöl, nach und nach das Wasser-Hefe-Gemisch. Wenn ein geschmeidiger Teig entsteht, an einem warmen Ort 45 Minuten lang ruhen lassen, auf einer bemehlten Fläche durchkneten, leicht ausrollen und mit den Händen vorsichtig auf einem mit Backpapier ausgelegten Backblech flach ziehen. 

Du hast die Wahl

Belegen kann man die Pizza nach Geschmack. Ich habe mich für rustikal entschieden, denn ich hatte noch eingekochte Tomatensauce aus 300 g passierten Tomaten, 1 gehackten Zwiebel, 1 zerdrückten Knoblauchzehe, 1 TL Honig, 70 ml Olivenöl, Salz und Pfeffer. Die Tomatensauce aus dem Päckchen, das - Daumen drücken - von der Kasse hoffentlich nicht erfasst wurde, macht es auch. Darauf habe ich etwas Pizzakäse und sonnengetrocknete Tomaten gegeben und bei 220°C Ober-/Unterhitze für circa 25 Minuten gebacken. Mit einer frischen Burrata serviert. 

Kleiner praktischer Tipp: Die frische Hefe im Teig kann durch Trockenhefe und das 00-Pizzamehl durch übliches 405er Mehl ersetzt werden, es wird aber in der Beschaffenheit und im Geschmack des Teigs einen Unterschied geben. "Du hast die Wahl", würde Dieter Schwarz texten lassen. Ich rede mir ein, dass die Gewinnmarge auf frische Zutaten kleiner ist als jene von Tiefkühlpizza. Wenn es wirklich so sein sollte, haben wir religiös-konform den Hyperreichen wieder ein paar Cents abgezockt.