Mit seinem komplexen Innenleben aus Saiten, Stößeln, Dämpfern und Hämmern ist das Klavier die Black Box unter den Instrumenten. Kein Wunder, dass die Künstlerinnen und Künstler des 20. Jahrhunderts eine so helle Freude daran hatten, in den Korpus des Instruments einzudringen und ihm durch gezielte Manipulation neue Töne zu entlocken. John Cage erweiterte 1940 erstmals das Klangspektrum seines Klaviers, indem er es mit Fremdkörpern bestückte. Seine Technik des Präparierten Klaviers fand sowohl in der experimentellen Musik als auch in der Performancekunst Anklang.
Neben dem Eingriff ins Innenleben wurde auch der Angriff aufs Klavier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Tropus. Besonders anschaulich zeigt das Andrea Büttners Videoarbeit "Piano Destructions", ein Zusammenschnitt aus Performances, in denen sich unter anderem die Künstler Nam June Paik, Joseph Beuys, George Maciunas, Benjamin Patterson, Emmett Williams und Ben Vautier an dem Instrument abarbeiten. Die Klavierzerstörung lässt sich als eine Fortsetzung der Cage'schen Präparation mit anderen Mitteln verstehen – in beiden Fällen geht es um ein Umstürzen der bourgeoisen Hörgewohnheiten des westlichen Kanons. Auf die in den Tiefen des Klaviers verborgenen Exklusionsmechanismen nimmt auch Steven McCaffery Bezug, wenn er sein Klavier mit Tauben-Spikes versieht.
Aufprall und Brecheisen
McCafferys "Piano CONZ-antina" ist aktuell gemeinsam mit 23 weiteren präparierten Klavieren in den Berliner KunstWerken (KW) zu sehen. Die Instrumente stammen aus der Sammlung des italienischen Mäzenen Francesco Conz, der ephemere avantgardistische Werke durch den Ankauf von tausenden Skizzen, persönlichen Gegenständen und Memorabilien archivierte. Schnell wurde das Klavier als Austragungsort der visuellen Dimension musikalischer Performance zum Ankerpunkt der Sammlung.
Über 60 Pianos gab Conz in Auftrag. Die meisten von ihnen erweitern Cages Präparierung auf eine visuelle Ebene: Carolee Schneemann suggeriert mit einer ausgestanzten Silhouette den Aufprall eines weiblichen Körpers, Walter Marchetti spürt dem ikonischen Korpus mit Toilettenpapierrollen nach und Mark Brusse verweist mit Holzkiste samt "In case of loneliness only"-Aufschrift und Brecheisen aller Ikonoklastik zum Trotz auf die seelenheilende Wirkung des Instruments.
In den Kunstwerken sind die 24 präparierten Klaviere noch bis zum 19. Januar zu sehen. Begleitet werden sie von Performances und Improvisationskonzerten von Nina Kurtela, Phillip Sollmann & Konrad Sprenger, Charlemagne Palestine, Angharad Williams und Sky Walking.