Ein Blog eignet sich hervorragend und vielleicht sogar noch besser als die sogenannten sozialen Medien, um Klatsch und Tratsch zu verbreiten. Zum Beispiel: Wer wird die neue Direktorin des Düsseldorfer Kunstvereins? (Wird diese Woche bekannt gegeben!) Oder, wer folgt Marion Ackermann und Beat Wismer auf ihre noch dieses Jahr vakant werdenden Düsseldorfer Chefposten? Die Antworten auf die letzte Frage wird wohl noch etwas dauern.
Ebenfalls interessant: Wird sich Agnes Husslein mit ihrer Bewerbung um die eigene Stelle der künstlerischen Leitung des Wiener Belvedere gegenüber anderen Konkurrentinnen und Konkurrenten durchsetzen können? Auch hier wird die aktuelle Woche Weichen stellen. Bekannt ist hingegen jetzt schon, wer diese Woche den mit 150.000 Schweizer Franken dotierten Roswitha Haftmann-Preis erhält: Heimo Zobernig.
Was sollen alle diese Fragen, Bemerkungen und Andeutungen? Im meinem von Monopol kostspielig finanzierten Fachkurs für Blogger habe ich gelernt, dass abgesehen von dem eventuellen Unterhaltungswert solcher Manöver, diese hervorragend dazu dienen, Informationen, Einfälle, Meinungen und Berichte über Ereignisse zu verbreiten.
Ähnlich informelle Informationen würzen aber auch immer wieder Gespräche und Artikel zur zeitgenössischen Kunst und tragen zur Wert- und Urteilsprozessen bei. Nicht von ungefähr bilden die in der Regel sich im hinteren Teil gegen Ende der Zeitschriften befindlichen Rubriken wie "Out of Office" (in Monopol) oder die ähnlich aufgebauten "Berichte" von Events im Magazin "Architectural Digest" beliebte Fixsterne auch in den vermeintlich seriösen Printmedien. Hier geht es, neben dem üblichen "sehen und gesehen werden" und dem vagen Versuch, Starkultur zu zelebrieren, vor allem auch um Selbstvergewisserung in einem bestimmten System. Mit der gleichen Logik funktioniert "Scene & Herd bei "Artforum.com", dem Onlineportal der New Yorker Mutter aller Kunstzeitschriften. Mir kann keiner erzählen, dass er oder sie wirklich die Texte dieser Rubrik liest, aber jede/r schaut, wer dabei ist und wer nicht.
In ihrem Editorial zur Gossip-Ausgabe von "Texte zur Kunst" im März 2006 erwähnen Isabelle Graw, Clemens Krümmel und André Rottmann, dass Pierre Bourdieu in "Die Regeln der Kunst" eine rapide Zunahme von Klatsch und Tratsch im Kunstbetrieb schon zum Ende des 19. Jahrhundert konstatiert. Neue Märkte fordern neue Kommunikationsformen. In diesem Heft lässt sich auch wunderbar nachlesen, wie Tratsch sich als Selbstermächtigungsgeste und als Mittel zur Abgrenzung nutzen lässt. Ich weiß etwas, das du nicht weißt.
Eine subtile Form von Gossip, die man wohl eher Innuendo nennen sollte, verwenden von mir sehr geschätzte Künstlerinnen und Künstler wie Cosima von Bonin oder Lukas Duwenhögger. Im Gegensatz zum ordinären Klatsch einer Tracy Emin, die in ihrer Arbeit "Everyone I have slept with 1963-1995" gemäß des Titels alle ihre Beischlafgefährten aus dem genannten Zeitraum im Innern eines Campingzeltes auflistet, begnügen sich von Bonin und Duwenhögger mit kunstvollen Andeutungen auf soziale, künstlerische oder sexuelle Zugehörigkeiten. So lesen wir auf der Schwarzweißfotografie von Cosima von Bonin "Ohne Titel (Krebber über Krebber)" von 1990 auf dem nackten Oberkörper einer jungen Frau mit Zöpfen 17 Namen von Künstlern u.a. von Duchamp, Picabia und Schwitter und eben auch den des Ehemanns Cosima von Bonins, Michael Krebber. Ich erinnere mich noch genau, dass damals viele dachten, die Dargestellte sei die Künstlerin selbst, die so ihren Mann in den Kanon der Kunstgeschichte überführen wolle. Tatsache war jedoch, dass Cosima von Bonin diese Anzeige gefunden und mit dem Namen ihres Mannes manipuliert hatte.
Nicht weniger hinreißend sind die Arbeiten von Lukas Duwenhögger, der gerade mit seiner aktuellen Ausstellung im Artists Space in New York für Furore sorgt. Seine dort ausgestellten Bilder und Installationen beziehen sich auf historische Ereignisse, literarische Texte sowie andere gesellschaftliche und kulturelle Aspekte der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert. Ausgangspunkte seiner allegorischen, figurativen Arbeiten sind dabei sowohl Werke der so genannten Trivialkultur wie Cabarets als auch Bücher von Willa Cather, Henry James oder Ronald Firbank. Dabei sind die Anspielungen seiner bühnenartigen Gemälden und Installationen auf homosexuelle Repräsentationen und Rollenzuweisungen ebenso deutlich wie ihre Exzentrik verwirrend. Absolut herrlich. A Must See!