Kiki Kogelnik in Zürich

Diese Künstlerin hatte die Zukunft in sich

Es ist kaum zu glauben, dass diese Arbeiten schon 50, 60 Jahre alt sind. In einer fulminanten Retrospektive zeigt das Kunsthaus Zürich die poppige und gleichzeitig tiefe Kunst von Kiki Kogelnik

Der weite, plüschige Pullover und die engen Hosen in Stiefeln ergeben eine todschicke Silhouette. Die Frau mit der Baskenmütze auf dem lebensgroßen Gemälde schaut uns direkt in die Augen, selbstbewusst, ernst und ein bisschen kokett. "I have seen the Future" steht auf dem Gemälde – ein Selbstporträt von 1973. Und wenn man jetzt ihre große Retrospektive betrachtet, die gerade im Kunsthaus Zürich Station macht, muss man zugeben: Kiki Kogelnik hatte recht. Das Werk der 1935 in Österreich geborenen Künstlerin hatte sehr viel Zukunft in sich. Und nach einer viel beachteten Präsentation in Cecilia Alemanis Venedig-Ausstellung 2022  wird es mit dieser Ausstellung wohl endgültig ins zeitgenössische Bewusstsein katapultiert. 

Die knalligen Farben ihrer Pop-Art-Malerei, die Nähe zur Mode, das Spiel mit dem Frauenbild verschaffen Werken einen ungebrochen starken Auftritt. Und wie sie Technologie und Medizin integriert, wie sie Performance, Installation oder auch alternative Materialien wie Glas oder Keramik nutzt, verweist direkt auf die Gegenwart – wobei ihr Werk, in dieser Retrospektive sorgfältig aufgearbeitet und ausgebreitet, einen Facettenreichtum und gleichzeitig eine Konsistenz hat, die nur in der Rückschau auf ein ganzes Künstlerleben sichtbar werden kann.

Es war leider eher kurz, dieses Leben: Kogelnik, 1935 in Graz geboren, starb 1997 mit 62 Jahren an den Folgen eines Krebsleidens. Dafür umfasste es mehrere Kontinente. Ihr Debüt feierte Kogelnik noch in Wien in der Galerie naechst St. Stephan, wo sie Ende der 1950er-Jahre ihre abstrakten Gemälde zeigte. Nach ihrer Übersiedelung nach New York – sie hatte sich in den US-amerikanischen abstrakten Maler Sam Francis verliebt – wurden die Bilder immer poppiger, bis 1962 einige kugelrunde Brüste in den Farben und Formen auftauchten. Es war die gerade gestorbene Marilyn Monroe, der Kogelnik ihre Referenz erweisen wollte, und zwar auf wildere, deutlich körperlichere Weise als Andy Warhol mit seinen Siebdrucken, die ungefähr gleichzeitig entstanden.

Dem Werk sieht man keine Frustration an

Kogelnik, wie auch ihre Ateliernachbarin Carolee Schneemann und viele andere Frauen, wurde in dem Boy’s Club der New Yorker Kunstszene lange nicht so sichtbar, wie sie es verdient hätte. Aber dem Werk sieht man keine Frustration an. Die Frau auf dem Gemälde "Now is the Time", das der Ausstellung den Titel gab, tanzt in verschiedenen farbigen Plateausandalen zu gepunktetem Minikleid, der Moment gehört ihr. 

Später begann Kogelnik mit Installationen zu experimentieren. Sie ließ bunte Figuren aus Vinyl von Stangen hängen wie Kleider in einer Boutique. Diese "Hangings" sind zweidimensionale, seltsam schlaffe und gleichzeitig prächtig glänzende Figuren, die sich auch in ihrer Malerei immer wieder breit machen. Auch die Frauenfiguren sehen manchmal aus wie Scherenschnitte, es sind zunächst mehr Typen als Individuen, erst später schleichen sich wieder öfter Selbstporträts hinein. Das keramische Werk, das bis in die 1970er-Jahre zurückreicht, ist wunderbar eigenwillig. Frauen tragen Tennisschläger als Augen, ein Totenkopf baumelt zwischen Gabel und Messer hängend von einer Stange.

Der Tod ist schon früh ein häufiger Gast in Kogelniks Werk, aber er scheint ein guter Tänzer zu sein. Bei ihr haben auch die Skelette Swing, so wie die fröhliche Pop-Ästhetik Tiefe. Dass diese Werke 50, 60 Jahre alt sind: Man kann es kaum glauben.