Radiobeitrag

Keine Versöhnung mit der Vergangenheit

Die Künstlerin Kara Walker wurde mit Scherenschnitten bekannt, die brutale Geschichten über Rassismus erzählen. In Basel sind nun hunderte ihrer bisher ungezeigten Zeichnungen zu sehen. Eine fantastische Ausstellung

Kara Walker war eine der ersten schwarzen Künstlerinnen, die Kolonialgeschichte und Versklavung, Diskriminierung und systematischen Rassismus zum zentralen Thema ihrer Kunst machte. Sie war auch als eine der Ersten darin erfolgreich und auf internationalen Biennalen und Ausstellungen vertreten – und lange Zeit damit ziemlich alleine. Jetzt widmet ihr das Kunstmuseum Basel eine große Einzelausstellung, und angesichts des aktuellen Paradigmenwechsels in der Diskussion um systematischen und gewalttätigen Rassismus ist die Schau auch ein Rückblick auf eine Zeit, in der diese Stimme selten zu hören war.

Bekannt wurde Walker durch ihre meisterhafte Technik des Scherenschnitts, die die Welt buchstäblich in Schwarz und Weiß teilt. Damit legt sie Klischees und Zuschreibungen offen und schafft schonungslose Historiengemälde. Ihr Panorama spannt sie von der Sklaverei bis zu Barack Obamas Präsidentschaft. Spannend ist zu sehen, welche Bilder die Künstlerin in all den Jahren ihres Schaffens seit den 1990er-Jahren zurückgehalten hat. Der Katalog zur Ausstellung zeigt mehr als 600 größtenteils unpublizierte Werke aus den Jahren 1992 bis 2020, die Walker bisher in ihrem Archiv unter Verschluss hielt. Kleine Skizzen, Studien und Collagen wechseln sich ab mit tagebuchartigen Notizen, mit Schreibmaschine beschriebenen Karteikarten und Aufzeichnungen von Träumen.

Auch interessant: wie ihre provokanten und teilweise obszönen Darstellungen, die durch ihre unschuldige, illustrative Darstellungsweise manchmal besonders perfide werden, sich mit dem aktuellen Stand des Diskurses vertragen. Der Rassismus, die Gewalt und die Sexualität bei Kara Walker nehmen nämlich überhaupt keine Rücksicht auf mögliche Irritationen und Verletzungen, warum sollten sie auch. Walker bietet keine Versöhnung mit der Vergangenheit an, sondern zeichnet und überzeichnet Geschichtsbilder, Klischees und Mythen, die weit in die Gegenwart hineinreichen. Aktuell waren sie immer, aber gesehen, verstanden und anerkannt werden sie womöglich erst heute so ganz.

Über Kara Walkers Ausstellung in Basel spricht Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr auch im Radio bei Detektor FM. Im Gespräch geht es auch um verschiedene Generationen der aktivistischen Kunst und darum, was Kara Walker von jüngeren Künstlerinnen und Künstlern unterscheidet.