"Goofy" ist Jugendwort des Jahres

Eine optimistische Sorte Trottel

"Goofy" ist das Jugendwort des Jahres – und diesmal können sich auch Ältere darunter etwas vorstellen. Schließlich lieben alle die gleichnamige Comicfigur, die nun zum 100. Disney-Geburtstag gleich doppelt in den Fokus rückt

Geht doch! Eine 39-Prozent-Mehrheit deutscher Jugendlicher hat ein Jugendwort des Jahres gekürt, das auch Leute kennen, die weit über 20 sind. "Goofy" ist jetzt fly, und die auf Gammelfleischpartys hartzen, sind nicht mehr lost, um ein paar für Außenstehende eher kryptische Begriffe auf bisherigen ersten Plätzen zu verwenden. Das ist der Witz an Jugendsprache. Wenn man aus dem Alter – also: der Jugend – raus ist, versteht man die Jugend nicht mehr. Soll man auch nicht.

Heranwachsende grenzen sich sprachlich ab. Das ist ganz normal. Von Jugendlichen wird man zum Beispiel selten hören, dass sie jemanden "attraktiv" finden, sondern der oder die Begehrte wird als "smash" bezeichnet (Jugendwort 2022). Aus "fremdschämen" wurde "cringe" – das Topwort des Jahres 2021, das inzwischen schon in die Alltagssprache einsickert und bereits Älteren geläufig ist.

Man kann auch die Jugendwort-Umfage ein wenig cringe finden. Seit 2008 wird sie vom Langenscheidt-Verlag durchgeführt. Über den tieferen Sinn der Aktion wird gestritten. Jugendsprache ist ein anspruchsvoller Gegenstand linguistischer Forschung. Einzelne Schlagwörter bringen mutmaßlich wenig Erkenntnisse über ein kompliziertes Feld. 

Aber ein wenig PR ist ja völlig okay: Das Verlagshaus profitiert natürlich vom Nachrichtenwert der Bekanntmachung. And the Winner is: Goofy. Lustigerweise hat die Firma Disney diesmal auch was davon. Wirklich nötig haben sie es nicht. Disney ist inzwischen ja schon im einträglichen "Star Wars"-Universum unterwegs.

Er will nur spielen

Die Halbwertszeit von Jugendwörtern ist kurz. Wenn die Allgemeinheit sie aufgreift und verarbeitet, sind sie keine Jugendwörter mehr. Das ist das Widersprüchliche an "goofy": Fast alle, ob jung oder alt, können sich darunter etwas vorstellen. Der aus dem Englischen entlehnte Begriff zielt auf eine tollpatschige, alberne Person oder ein entsprechendes Verhalten. 

In diesem Fall muss man aber kein Englisch können. Es genügt, sich an Micky Maus’ Kumpel Goofy zu erinnern, die schlaksige Comicfigur mit der langen Hundeschnauze, aus der zwei stumpfe Eckzähne ragen. Er beißt nicht. Er will nur spielen – und lässt auf dem Spielfeld kaum ein Fettnäpfchen aus. Goofys Selbstüberschätzung ist legendär. Er wähnt sich als Meister aller Klassen, um häufig schon an den einfachsten Aufgaben zu scheitern. Was nie tragisch ausgeht, denn Goofy ist eine Figur wie aus einem Schelmenroman, die unverwundbar und hochelastisch jedem Tohuwabohu entkommt. 

In seinen anspruchsvollsten Abenteuern entpuppt sich der Tollpatsch als Akrobat wider Willen. Er kann erstaunlich gut Wellenreiten, wie in einem berühmten Trickfilm zu sehen ist. Ein "Goofy Footed Surfer" allerdings, also einer, dessen linker Fuß zur Brettspitze zeigt. Die Technik ist falsch, die Performance kann sich trotzdem sehen lassen. Man sollte Goofy nie unterschätzen.

Jugendwort zum Disney-Jubiläum

Ausgerechnet zum Disney-Jubiläum ist "goofy" das Jugendwort des Jahres geworden. Ein verrückter Zufall eigentlich. Sicher auch ein Indiz für die bleibende Popularität der Disney-Figuren. Vor 100 Jahren, am 16. Oktober 1923, gründeten Walt und Roy Disney in Los Angeles das Disney Brothers Cartoon Studio. Im Mai 1928 hatte „Planet Crazy“, der erste Trickfilm mit dem anthropomorphen Mäuserich Mickey (deutsch: Micky) Premiere. Goofy hatte seinen ersten Auftritt in "Mickey’s Revue" von 1932. 

Erfunden wurde "Dippy Dawg" (verdrehter Hund), wie er zeitweilig genannt wurde, von dem Disney-Animator Art Babbitt, der den "Goof" in einem frühen Skript so charakterisierte: "Stell dir den Goof als Kombination aus einem ewigen Optimisten, einem leichtgläubigen guten Samariter und einem Trottel, einem unbeholfenen, gutmütigen Hinterwäldler vor … Dennoch ist der Goof nicht von der Sorte Trottel, die einem leidtun muss. Er schlabbert nicht, er sabbert nicht und er kreischt auch nicht herum."

Gutmütig, immerhin. Er sabbert nicht. Und wenn schon? Es steckt viel body positivity in Goofy. Mit einem erhöhten Body-Mass-Index hat er nicht zu kämpfen. Aber das heißt nichts. Auch dünne Leute können sich für ihren Körper schämen. Alle Leute. Oder Menschen, anthropomorphes Getier eingeschlossen, die unter ihrer eigenen Tollpatschigkeit in der Öffentlichkeit leiden. Nicht so Goofy. 

Er ruht in seiner Ungeschicklichkeit

Gegen jeden Anflug von bodyshaming und Gehemmtheit ist er immun. Entwindet sich jeder selbstverursachten Katastrophe. Nimmt den ganzen alltäglichen Slapstick-Schlamassel gar nicht wahr. Irgendwie ruht der Typ in seiner Ungeschicklichkeit – und deshalb ist er schon wieder swag (von lässig-cooler Ausstrahlung, Jugendwort des Jahres 2011).

Daher: Reg' dich nicht auf, wenn dich jemand "goofy" nennt. Vielleicht findet er dich amüsant und will dir ein Kompliment machen.