In den USA der 1920er-Jahre wäre ihr der kometenhafte Aufstieg verwehrt geblieben, in Paris spielte ihre Hautfarbe scheinbar kaum eine Rolle, auch wenn Josephine Baker hier als "nackte Wilde" im fragwürdigen Bananen-Röckchen die Afrika-Klischees zu bedienen hatte. Die Einwanderin aus St. Louis, die mit 19 Jahren aus den USA nach Frankreich kam und bis zu ihrem Lebensende blieb, stand wie kaum eine andere Tänzerin und Sängerin für die enthemmten Zwanziger.
Sie schlief mit Männern und Frauen und war zeitweilig mit einem sizilianischen Hochstapler verheiratet. Mit ihr hielten die "Revue Nègre" und der "Hot Jazz" Einzug in die europäischen Metropolen, Picasso und Ernest Hemingway, Le Corbusier und Max Reinhardt schwärmten über die erotisch aufgeladenen Auftritte der strahlend lachenden Entertainerin. Jean Cocteau verstieg sich gar zu der Charakterisierung: "Dieses schöne Idol aus braunem Stahl, Ironie und Gold!"
Lange blieb es Bakers Schicksal, zu einer Ikone dieses im Rückblick kurzen hedonistischen Jahrzehnts erstarrt zu sein. Spätestens aber seit #MeToo, "Black Lives Matter" und ihrer posthumen Ehrung in Frankreich, als sechste Frau und erste Woman of Color in den Pariser Panthéon einzuziehen, hat sich der Fokus auf ihre Person gewandelt. Zunehmend wird sie auch als politische Figur wahrgenommen. Denn das einstige Revuegirl weigerte sich nicht nur, in Paris zu singen, solange die Deutschen die Stadt während des Zweiten Weltkriegs besetzt hatten. Baker schloss sich der französischen Résistance an, wurde Mitglied der Luftwaffe und versteckte Juden und Angehörige des Widerstands auf ihrem Anwesen in der südfranzösischen Dordogne.
Ein selbstbestimmtes Leben gegen alle Widerstände
Die überaus wohlhabende Diva gefährdete sich als Spionin und schmuggelte Geheiminformationen in ihren Partituren. In den französischen Kolonien in Nordafrika sang sie für die Soldaten und bestand darauf, das Publikum nicht nach Hautfarbe zu trennen, denn sonst "wäre es nicht der Mühe wert, gegen Hitler zu kämpfen."
Damit war ihr Engagement noch lange nicht zu Ende. Die Feministin setzte sich nach Kriegsende für Frauenrechte ein, adoptierte zwölf Kinder unterschiedlicher Herkunft und Religion und hielt im August 1963 beim Marsch auf Washington neben Martin Luther King eine Rede gegen den Rassismus, den sie auf ihren Tourneen in die USA selbst erleben musste.
Und so stößt man sich bei der aktuellen Baker-Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn weder an dem etwas pathetischen Titel "Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit", noch an dem didaktischen Ansatz. Schließlich geht es um ein Vorbild, das Diversität einforderte, als dies noch nicht konsensfähig war, und das durch sein gegen alle Widerstände selbstbestimmt geführtes Leben bis heute inspiriert.
Ein Glanz, in dem sich alle sonnen wollen
Das tun tatsächlich auch die historischen Fotos, autobiografischen Schriften, Schallplatten, Zeitschriften, Interviews und Filmausschnitte. In ihnen wird eine lebenslustige Frau wieder greifbar, die als Teenager Zeugin von Lynch-Morden war und die Freiheit, die ihr Frankreich bot, mit Parteinahme und Kampf gegen die Besatzer erwiderte, während eine Coco Chanel mit den Deutschen kollaborierte und offen antisemitische Positionen einnahm.
Wie Baker von ihren Zeitgenossen gesehen wurde, lässt sich ebenfalls an unzähligen Beispielen studieren: vom österreichischen Architekten Adolf Loos, einem Verehrer, der für sie ein Haus mit schwarz-weiß-gestreifter Marmorfassade entwarf, über Henri Matisse und Alexander Calder, die sie porträtierten, bis zu Anfeindungen im Deutschland des Jahres 1929, als sie in Berlin im Theater des Westens auftrat und in nationalsozialistischen Propaganda-Blättern als "Halbaffe" diffamiert wurde. Die opulente Schau registriert noch Einflüsse auf Andy Warhol, Keith Haring, Peter Lindbergh, Grace Jones, Madonna, Angelina Jolie oder Naomi Campbell – wie es halt bei Legenden so ist, in deren Glanz sich irgendwann Generationen von Stars und Sternchen sonnen möchten.
Baker selbst wirkte am Ende ihres turbulenten Lebens erschöpft. Beinahe bankrott, musste sie 1975 wieder auf Tournee gehen. Doch die laut Hemingway sensationellste Frau, die jemals jemand gesehen habe, passte mit ihren voluminösen Roben und nostalgischen Chansons nicht mehr so recht in den Zeitgeist, ihr progressiver Touch schien verflogen. 1975 starb die "Weltmutter" mit nur 68 Jahren. Die Kinder ihrer "Regenbogenfamilie" lebten kleine Leben, als Gärtner, Gemüsehändler, Versicherungsvertreter. Ihren politischen Kampf setzten andere fort.