Marina Fokidis, die Krise dauert nun schon fünf Jahre und die letzten Wochen habe sie noch einmal radikal verschärft – wer 60 Euro Bargeld am Tag erhält, kauft keine Kunst. Was bedeutet das für den griechischen Kunstmarkt?
Griechenland hatte nie einen sehr starken Kunstmarkt, und wenige Künstler verkaufen ihr Werk international. Nicht weil es hier keine guten Künstler gäbe, eher weil es so etwas wie einen Art Council hier nicht gibt, und auch kaum starke Sammler, die griechische Künstler in die internationale Öffentlichkeit bringen helfen. Es gibt Galerien wie The Breeder aus Athen, denen es gelungen ist, einige griechische Künstler international zu etablieren. Jetzt leiden die Galerien natürlich, weil die wenigen Sammler, die überhaupt gekauft haben, damit jetzt aufgehört haben. Die Galerien müssen ihr Programm umstellen. Einige verlegen sich jetzt darauf, nur noch griechische Künstler zu vertreten – absurderweise wirkt das Label der Armut attraktiv auf den internationalen Kunstmarkt.
Und wie haben die Künstler reagiert?
Schon in früheren Jahrzehnten haben griechische Künstler durchaus davon profitiert, dass sie abseits des internationalen Kunstmarktes gearbeitet haben. Sie mussten nicht marktfähig sein und haben ihre ganz eigenen, sehr idiosynkratischen Stimmen ausbilden können, die oft erst jetzt als solche geschätzt werden. Die aktuelle Krise hat nun die Künstler dazu gebracht, nicht mehr auf Galerien und Institutionen zu warten, sondern sich selbst mit Pop-Up-Spaces in die visuelle und diskursiven Debatten einzumischen. Es gibt eine große Tendenz zu Kollaborationen und Performances.
Die sind billiger zu realisieren ...
Natürlich, aber auch, weil die Leute in Griechenland gemeinsame Aktivitäten zurzeit einfacher finden als die einsame Kontemplation über ein Kunstwerk. Es ist schwierig, sich in diesem Tumult zu konzentrieren. In Athen gibt es täglich zahlreiche Diskussionsveranstaltungen in großen und kleinen Institutionen oder Projekträumen, sogar in privaten Wohnungen. Die Leute haben das Bedürfnis nach Austausch.
Jetzt hat das Volk "Nein" gesagt. Was herrscht in der Kunstszene vor: Pessimismus oder Optimismus?
Es gibt ein griechisches Wort, das das Gefühl sehr gut beschreibt: χαρμολύπη. Es beinhaltet die Worte Freude und Trauer: ein freudiges Trauern, ein süßes Leid. So fühle ich mich zurzeit. Das Nein war ein starkes Zeichen. Die Feiern mit den griechischen Tänzen und all dem Nationalismus in der Luft, die nach Bekanntgabe der Ergebnisse auf dem Syntagma-Platz in Athen stattfanden, lassen mich allerdings daran zweifeln, ob die Leute wirklich verstanden haben, was sie da gewählt haben. Ich hoffe es. Ich selbst hatte das seltsame Gefühl, dass das Herz und der Kopf sich an gegensätzlichen Orten befanden in den letzten Tagen: Nein und Ja. Jetzt wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Que Sera, Sera!