Jeff Koons, wie kann ein Auto die Grundlage für ein Kunstwerk bilden? Bestimmt das Werk das Auto oder umgekehrt?
Man muss seine Ideen intuitiv an die Oberfläche steigen lassen. So sehe ich die Welt: Für mich gibt es keinen Unterschied, ob ich ein Auto gestalte oder ein Kunstwerk. Beides ist ein Dialog, eine Konversation über Gefühle, Empfindungen, das Leben, Familie und Gemeinschaft. Es ist am besten, diese Erfahrungen mit anderen zu teilen. Es geht um Adrenalin, Freude, Energie, und darum, demokratisch damit umzugehen. Dieses Auto ist eine Meditation über die unendlichen Möglichkeiten des Lebens.
Sie sind mehrmals zwischen den USA und dem Werk in Dingolfing, des größten europäischen Fahrzeugwerkvon BMW, hin- und hergeflogen. Was war bei der Arbeit die größte Herausforderung?
Es war ein reines Vergnügen. All die Menschen zu treffen, die diesem Projekt ihre Mühe geschenkt haben. Alle wussten: Es wird kompliziert, dem Äußeren seine Details zu verleihen, und alle haben verstanden, dass hier viel mehr Hingabe als sonst gefordert war. Es dauert 300 Stunden, so ein Auto fertigzustellen, mit all den Kanten und Pigmenten, verschiedenen Metallflocken, Klarlacken, dem Finish.
Sie haben am Anfang über die Zukunft gesprochen. Interessant, denn der Verbrennungsmotor hat ja wahrscheinlich keine große Zukunft mehr, und es ist fraglich, ob das Auto überhaupt einen Platz in der Mobilität der Zukunft hat.
Wenn BMW mich einlädt, an einem neuartigen Prototypen mitzuarbeiten, fände ich das großartig. Die Frage ist aber auch, wie wir einen Sinn für die Zukunft entwickeln. Das liegt in unserer Biologie, selbst wenn wir etwas so Äußerliches wie dieses Auto vor uns haben. Sie fühlen, dass Sie es immer noch mit Menschen zu tun haben. Ich hoffe, dass alle, die dieses Auto sehen, ein Gefühl für die Bewegung bekommen, nicht nur im Sinne der Fortbewegung. Es gibt nämlich auch Mobilität als intellektuelle und gesellschaftliche Entwicklung. Wissen Sie, ich habe acht Kinder. Das Letzte, was ich will, ist hinter dem Lenkrad zu sitzen und die ganze Macht zu haben. Die soll nämlich auf die anderen übergehen, und die Gestaltung fängt das symbolisch ein. Alle haben die gleiche Macht.
Das BMW Art Car ist ein Einzelstück, während "The 8 X Jeff Koons" in einer Edition von 99 produziert wird. Sind das dann alles Kopien?
Ich bin sehr stolz auf mein Art Car, aber das Wundervolle an einer Edition ist, dass es mehr als ein Werk gibt. BMW wird die Autos um die Welt schicken, sie in Installationen und Museen zeigen. Und sie können ihre Ideen an mehr Menschen weitergeben, wenn es mehr davon gibt. Ich glaube daran, dem Glück zu folgen, das Leben voll auszukosten – und immer mit Optimismus für das Morgen ausgestattet zu sein. Ich weiß natürlich, dass Autos sich in Zukunft wandeln müssen, allein schon der Umwelt wegen. Wir haben es hier eben noch mit einem Verbrenner zu tun. Als junger Mann habe ich an einer Rennstrecke gearbeitet. Ich habe die Aufregung dort geliebt. Und in diesem Wagen steckt nun auch ein Stück Zukunft.
Die BMW Art Car Reihe bezieht ihre Faszination aus der Geschichte dahinter: von Alexander Calders Entwurf von 1975 über Andy Warhols 1979er-Version bis Jenny Holzers Design von 1999. Ist das jetzt die Demokratisierung dieses Projekts?
Ich habe für meine Kunst einen Produktionsbetrieb, damit kann ich schon einiges herstellen, ungefähr zwölf Skulpturen im Jahr. Aber BMW kann viel mehr produzieren. Jetzt kann zum Beispiel ein kleiner Junge in Hongkong das Auto sehen, und sagen: "Wow, hast du das gesehen?" Das erfreut mich.
Ihr BMW 8er ist also dazu gedacht, gefahren zu werden?
Wenn Sie mal in New York sind, werden Sie wahrscheinlich einen vor meinem Atelier sehen.
Haben Sie schon eine Probefahrt unternommen?
Bisher bin ich nur ein wenig in Innenräumen damit gefahren. Aber ich freue mich darauf, das Auto auf der offenen Straße zu fahren.
Was sind die Referenzen in ihrer Gestaltung? Worauf basiert der Lack? Woher kommen die Farben?
Ich habe mir die Farben angesehen, die BMW zur Verfügung hatte: Blau, Ecru, Silber, Gelb. Die Kombination hat mich angeleitet, außerdem das Spiel des Lichts auf dem Lack. Es ist natürlich ein bisschen wie Pop Art, aber ich will auch das Gefühl, den thrill: "Pop, Pop, Pop!" Und zugleich steckt Minimalismus darin. John Baldessari hat ein minimalistisches Auto gestaltet, und ich verehre die Arbeit von Donald Judd. Minimalismus hält das Ganze ein bisschen im Zaum. Weiterhin geht es um die tiefere Verbindung zur Menschheitsgeschichte. Zeit wird in meinem Design von Linien repräsentiert, die nach hinten breiter werden, dann ist dort eine Explosion dargestellt – das vermittelt ein Gefühl von Beschleunigung. Es ist ein Superheldenauto!
Sie haben gerade Pop als sinnliches Gefühl erwähnt, aber das ist eben auch ein kunsthistorischer Begriff. Sind Sie da nostalgisch?
Es gibt natürlich den Verweis auf Roy Lichtenstein. Nostalgie gehört dazu, aber sie geht über Pop hinaus. Die Pop-Künstler haben auch auf die Vergangenheit geblickt, so wie ich. Wenn ich mich auf Manet beziehe, dann hat er sich auf Goya bezogen, der wiederum auf Velazquez. Einen ähnlichen Dialog gibt es bei diesem Auto, es geht zurück auf Vorstellungen von Energie in der gesamten Menschheitsgeschichte. Das Rot im Inneren des Wagens könnte für den Mutterleib stehen, für das Subjekt und die Familie. Jedenfalls, dieses Auto ist ein Fest für alle Sinne.
Wie verhält sich das Auto zur Jacht "Guilty", die sie für den griechisch-zypriotischen Großindustriellen Dakis Joannous gestaltet haben?
Ich habe "Guilty" gemacht, als ich an dem Art Car gearbeitet habe. Die Jacht bezieht sich aber auf Marinecamouflage, die im Ersten Weltkrieg benutzt wurde, Schiffe zu verstecken, sodass man nicht genau wusste, womit man es zu tun hatte. Bei der 8er-Serie geht es mir hingegen wirklich um eine demokratische Vision von Macht, die über die Person hinter dem Lenkrad hinausgeht.
Warum haben Sie die Schrift von dem BMW-Logo entfernt?
Das ist das alte Logo der M-Klasse – ein Verweis auf die Geschichte von BMW. Ich habe aber auch mit Platos Vorstellung des reinen Wesens gearbeitet. Deshalb bin ich immer wieder zu der abstrakten Form des BMW-Logos zurückgekehrt.
Was für ein Preis wäre für ein Exemplar angemessen?
Das weiß ich wirklich nicht. Eines davon wird zugunsten einer gemeinnützigen Organisation versteigert – dem International Centre for Missing and Exploited Children. Ich hoffe also, dass die Auktion besonders ertragreich wird, denn so kann das Auto buchstäblich das Leben von Kindern retten.
Welches BMW Art Car gefällt Ihnen am besten?
Schwer! Das ist als müsste man ein Familienmitglied über das andere stellen – das kann ich nicht. Kürzlich habe ich Andy Warhols Auto in München gesehen. Spektakulär! So schön! Wenn ich Roy Lichtensteins Version sehe, dann ist es wie ein Traum. Alexander Calder hat das Eis gebrochen, er war der Erste. Jedes einzelne ist fantastisch.