Jeff Koons ist eigentlich immer schon ein "Love him or Hate him"-Künstler gewesen. Er ist extrem polarisierend: Seine Werke verärgern viele Menschen, die seine teuer produzierten (und noch viel, viel teurer auf dem Kunstmarkt gehandelten) Veredelungen geläufiger Kitsch-Objekte als banal und zynisch ansehen. Und man muss schon sagen: Das mit dem Kunstmarkt läuft wirklich gut. Koons Arbeiten drehen sich um gesellschaftliche Konzepte von Wert und Markt – und so trifft der 91,1 Millionen Dollar-Auktionsrekord seiner von einem aufblasbaren Kinderspielzeug inspirierten Edelstahl-Figur ("Rabbit") den Nagel auf den Kopf.
Zuerst nimmt Koons ein scheinbar wertloses Objekt, das man vielleicht in irgendeinem billigen New Yorker Laden mal schnell für die quengelnden Kinder gekauft hätte. Und steigert dann – nicht nur durch die aufwendige Kopie in rostfreiem Edelstahl, sondern eben auch durch das ganze sich nun erst eröffnende Bedeutungsgefüge künstlerischer und marktwirtschaftlicher Wertschöpfung – den Wert dieses Wegwerfobjektes gezielt und freudvoll in die Höhe.
1986, im Entstehungsjahr von "Rabbit", wurde der Edelstahlhase in einer Auflage von drei Stücken für immerhin je 40.000 Dollar verkauft. Und das ist eben genau, worum es bei Koons geht: wie Werte gemacht werden, wie der Mensch als soziales Wesen oft hierarchisch festlegt, was wertvoll ist und was nicht. Eine nicht ganz unwichtige Frage, würde ich mal sagen. Dass nun seit den 1990ern eine grotesk aus dem Ruder laufende artifizielle Wertbehauptungsblase namens "sekundärer Kunstmarkt" Koons Hasen in diese astronomischen Höhen wuchtet, ist dabei ein so obszönes wie großartiges Beispiel für das menschliche Spiel um Wert, Besitz und Deutungshoheiten, das so stark unseren gesamten Lebensalltag bestimmt – und nicht nur die Kunstwelt.
Koons' frühe Kunstwerke sind bereits deutlich geprägt von Elementen unserer Konsumkultur, die in ihrer scheinbaren Alltäglichkeit unbedeutend scheinen, aber durch seine künstlerische Inszenierung zu Versprechen von Glück, Wert und Liebe werden. So wie einst Marcel Duchamp mit seinen Readymades Alltagsgegenstände durch Kontextverschiebung zu Kunst machte und später dann Andy Warhol Suppendosen und Waschmittelpackungen der reinen Produkt-Sphäre enthob, so nahm sich Koons mit seiner ersten großen Ausstellung namens "The New" zu Beginn der 1980er mit großer Raffinesse noch einmal Produkten an, die zu Kunst werden: Staubsaugern.
Mit gleißendem Neonlicht beleuchtet, steckten diese fabrikneuen Staubsauger in passgenauen Acrylboxen und sind heute, 45 Jahre nach ihrem ersten Auftritt in der Kunstwelt, noch einmal interessanter. Denn nun sind sie ganz und gar nicht mehr neu. Der Reiz des Neuen, damals wie heute eines der wunderbarsten Marketingmittel überhaupt, verfliegt so schnell, dass diese geradezu hermetisch in ihren Plexiglasvitrinen ruhenden Konsumprodukte den Ansätzen von Duchamp und Warhol nochmal eine Ebene hinzufügen: die des Marketings, der Psychologie und Soziologie des Begehrens. Warum will man etwas haben? Was weckt Begehrlichkeit? Wie wird Wertigkeit inszeniert?
Jeff Koons hat sich mit genau diesen Mechanismen intensiv beschäftigt und sie gerne auch eingesetzt. Die Anzeigen, die er 1988 in großen Kunstmagazinen für seine "Banality"-Ausstellung schalten ließ, sind in ihrer perfekt inszenierten Hochglanzästhetik eine lustvolle Provokation des Kunstbetriebs. Koons im edlen Bademantel am Pool mit Luxus-Zelt und geschmückten Seelöwen, Koons mit zwei Bikini-Schönheiten, Torte und einem wiehernden Island-Pony inmitten prächtiger Blumen, Koons als aufmerksamer Lehrer inmitten begeisterter Schulkinder oder mit Schwein und quiekigen Ferkelchen – diese Motive waren so sehr der Werbeindustrie entlehnt, so nah an der scheinbaren Vulgarität der Warenwelt und so meilenweit entfernt vom Bild des seriösen Künstlers, dass sie genau in dieser harten Inszenierung brilliant waren.
Kunst und Selbstinszenierung sind natürlich auch vor Koons schon eng verwoben gewesen, siehe Picasso, Warhol oder Dalí. Aber das hier war dann doch nochmal ein Schock – weil es eben deutlich über eine ironische und kritische Reflexion von Werbung hinausging. Es war keine spöttische Auseinandersetzung mit Werbung, sondern die Essenz von Koons affirmativer Obsession mit genau dieser Waren- und Werbewelt.
Und es sollte erst richtig losgehen. Mit der Ausstellung "Banality", die diese Anzeigen bewarben, zeigte Jeff Koons simultan bei Max Hetzer, Ilona Sonnabend und Donald Young große Porzellanfiguren, die einerseits massengefertigte Kitschfiguren und Postkartenmotive zur Vorlage hatten, oder in genau dieser überzeichneten Ästhetik Jane Mansfield beim erotischen Spiel mit dem Pink Panther und Michael Jackson mit seinem Affen "Bubbles" zeigten. Was für ein Power-Move. Vollgas. Ich würde sagen, deutlicher kann man es nicht machen. Jeff Koons meinte es ernst. Und ich war begeistert.
Damals war ich 17 Jahre alt und wollte Künstler werden. Und was Koons da machte, war einfach so gegen den Strich, ich konnte das weder zynisch noch ironisch finden – es war eine trotzige Behauptung gegen das Diktat des guten akademisch geschulten Geschmacks. Toll! Nippes, Kitschobjekte, Stofftiere, Spielzeug, all das durfte ja von gebildeten Menschen nicht ernst genommen werden, es durfte nur an der Kneifzange des ironischen Abstands in die Tempel der Kunst. Aber nun stand all das da, groß, teuer, in den hippen mächtigen Galerien. Man hätte es als Aufmerksamkeit heischenden Tabubruch abtun könne, aber es war mehr: ein scharfer und verliebter Blick auf Versprechungen, Sehnsüchte und die feinen Unterschiede, auf Hierarchien und Abgrenzungen. Und es war auch eine flammende Liebeserklärung an das Nicht-Erlaubte.
Die Heirat mit Pornostar und Politikerin Iona Staller und die daraus hervorgehende pornografische Ausstellung "Made in Heaven" trieb den Tabubruch noch weiter. Ich habe die Ausstellung damals 1991 in Köln bei Max Hetzler gesehen. Es gab abgeklebte Fensterscheiben, Jeff Koons und Ilona Staller überlebensgroß beim Sex, als Skulptur, als riesige durchinszenierte Fotografien, dazu weitere Keramiken. Es war wild! Und auch hier: Nicht weil es shocking war, sondern weil man sah, dass es Koons um etwas ganz anderes als um den Schock ging. Ich glaube, es ging um das Vermischen von Welten und Glaubenssätzen, und um die geradezu teenagerhafte Entdecker-Energie, die das freisetzt – und das meine ich sehr positiv.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, und auch Jeff Koons wird mal müde, ein bisschen zumindest. Einige Jahre zog er sich zurück, um dann in den 2000ern wieder aufzutauchen, mit vereinzelten Skulpturen, Digitaldrucken, einigen großen Objekten im öffentlichen Raum und, was ich eigentlich am interessantesten finde, einer Gastrolle in dem Film "Milk".
Heute wird Jeff Koons 70 Jahre alt. Er sei gefeiert, und zwar nicht mit Bergen von Geld und Auktionsrekorden, sondern mit einer tiefen Verbeugung vor seiner obsessiven Neugier auf die Mechanismen des Begehrens und die unsichtbaren Mauern der Gesellschaft. Happy Birthday!