Im Eingang gibt es erst mal ein Bier, auf Tabletts werden kleine Snacks herumgereicht. Das Publikum sitzt auf Sofas oder auf Kissen, zwischen üppigen grünen Gummibäumen, extra designte Düfte durchwehen den Raum. In der Mitte steht die Gastgeberin hinter ihrem Laptop, das Mikrofon in der Hand, und begrüßt freundlich die Ankommenden.
So kann es aussehen, wenn die dominikanisch-amerikanische Tänzerin und Choreografin Isabel Lewis zu einer ihrer "Occasions" lädt. Sie legt selbst produzierte Musik auf und streut live ein paar Beats ein, dann wieder spricht sie zu philosophischen Themen. Manchmal singt die Frau mit dem offenen Lächeln auch, manchmal tanzt sie. Und wenn nach drei, vier Stunden die Energie im Raum hoch genug ist, dann tanzen die Leute mit. "Ich möchte, dass die Leute sich wohlfühlen, sich entspannen", erklärte Lewis, die seit 2009 in Berlin lebt, einmal im Interview mit Monopol. "Und ich möchte eine neue Form der Partizipation. Oftmals pressen diese Mitmachformate das Publikum in vorgefertigte Container. Ich will mein Publikum verführen. Sie können sich beteiligen, müssen aber nicht."
Isabel Lewis, die früher gelegentlich auch zu Tino Sehgals tänzerischer Crew gehörte, ist mit ihren Performances auf vielen großen Kunstevents vertreten gewesen, von der Frieze bis zur Dia Art Foundation. "Ich kann der Kunstszene etwas geben, was ihr fehlt", sagt sie. "Die Kunst funktioniert visuell. Ich erweitere die Erfahrung auf alle Sinne."
Zur Art Basel hat sie ein mehrere Wochen andauerndes Projekt entwickelt, das den Messeplatz belebt. "Basilea" ist eine Kooperation mit dem Kollektiv Recetas Urbanas um den spanischen Architekten Santiago Cirugeda und der spanischen Künstlerin Lara Almarcegui. Recetas Urbanas haben gemeinsam mit Freiwilligen aus Basel und von außerhalb auf dem Messeplatz eine Architektur errichtet, die sie als multifunktionale Bürgerstruktur bezeichnen: ein vor allem aus recycelten Materialien bestehendes Gebäude, das Platz für Performances, Workshops und andere Aktivitäten bietet. Während der Messewoche fügt Lara Almarcegui eine Installation aus Steinen hinzu, die täglich aus einem lokalen Steinbruch geholt werden. Und Isabel Lewis ist dafür zuständig, den Ort zu bespielen, mit Workshops und Aktionen, die ebenfalls bereits Ende Mai stattfanden.
"Das Projekt ist eine erweiterte Form meiner Occasions und zielt ebenfalls darauf, Tastsinn, Geruch, Geschmack zu rehabilitieren, und auch einen Sinn für das Ritual in einer zeitgenössischen posttraditionellen Gesellschaft. In dem Workshop-Format soll man eine ästhetische Erfahrung mit dem Körper machen können, ein physischer und intellektueller Prozess gleichzeitig." Atmen, Bewegung, die Aufmerksamkeit für den Körper, Zuhören, Konzentration, Tai Chi, all das soll zusammen von den interessierten Baslern erlebt werden. Auch für die gestressten Messebesucher wird Isabel Lewis Angebote machen: mit sanften Bewegungsübungen morgens ab 10 Uhr, einem gemeinsamen Spaziergang über den Messeplatz und einem öffentlichen Talkprogramm mittags, mehr Musik und Performance nachmittags.
Produziert wird das gesamte "Basilea"-Projekt von der New Yorker Institution Creative Time, die sich mit Kunst im öffentlichen Raum beschäftigt. Ein Ziel der Kuratorin Elvira Dyangani Ose ist, den Messeplatz, der seit 2013 von den neuen schicken Messe-Raumschiffen von Herzog & de Meuron eingefasst wird, wieder besser an die Stadt anzubinden. "Man kann den Platz als einen dieser Nicht-Orte sehen, wie sie der Anthropologe Marc Augé in den 90er-Jahren beschrieb: eine Leerstelle ohne sinnvolle Verbindung zum Rest der Stadt", erklärt Ose. "Gleichzeitig ist der Messeplatz ein Ort der Wünsche. Die Leute wollen ihn benutzen, sie erinnern sich daran, wie er vor der Umgestaltung war."
Isabel Lewis will für ihr Projekt an zwei ganz unterschiedliche Szenen in der Stadt anknüpfen, die beide ihre Körper benutzen, um die Stadt zu erobern: an junge Parcours-Sportler und an die Trommler der berühmten Basler Fasnacht. "Seit dem Mittelalter gibt es hier eine besondere Art des Trommelns, dessen Phrasierung man mit dem Swing im Jazz verglichen hat", erzählt Lewis. Es gibt Hunderte von Trommelgruppen in der Stadt, die sie einladen will, mit ihr zu performen. Gemeinsam mit dem Komponisten und Perkussionisten Colin Hacklander will sie Musik komponieren, die die Basler Trommler integriert. Und bei einer großen finalen Choreografie sollen dann alle zusammenkommen: die Trommler, die Parcours-Sportler, dazu Tänzer und Tai Chi. "Es geht nicht um Technik oder Erfahrung, sondern eher darum, sich zusammenzutun und nonverbal zu kommunizieren", erklärt Lewis. Was wir mal ganz plump übersetzen in: Macht euch locker und tanzt mit.