Galerist Thaddaeus Ropac

"Ich hatte das Glück, große Künstler kennenzulernen"

Thaddaeus Ropac war Praktikant bei Beuys und gründete 1983 seine erste Galerie - ausgerechnet in Salzburg. Heute gehört er zu den erfolgreichsten Kunsthändlern. Ein Gespräch zum 40. Jubiläum über seinen Weg in der Kunstwelt und seine Heimat Österreich
 

Herr Ropac, wie kam es, dass Sie 1983 eine Galerie im damals doch noch recht provinziellen Salzburg eröffneten und nicht etwa in einer größeren Stadt wie Wien oder München?

Es war eine Mischung aus Zufall und Missverständnis, dass ich hier gelandet bin. 1982 war ich in Deutschland auf der Documenta mit Joseph Beuys, wo eine unglaubliche Aufbruchstimmung herrschte. Beuys war für mich damals eine zentrale Figur, und ich hatte das Glück, bei ihm als Praktikant angeheuert zu werden. Das war spannend und wegweisend. Im Herbst war ich auch mit Beuys bei der Ausstellung "Zeitgeist" in Berlin, und das war genauso spannend, denn da wurden zum ersten Mal US-amerikanische zusammen mit den großen europäischen Künstlern gezeigt. Ich erlebte Georg Baselitz und Anselm Kiefer zum ersten Mal bewusst.

Welcher Plan folgte daraus?

Meinen ursprünglichen Gedanken, Künstler zu werden, habe ich schnell verworfen, aber ich hatte die Idee, nach Österreich zu gehen und eine Galerie zu eröffnen, um die Künstler zu zeigen, die ich da kennengelernt hatte. Natürlich dachte ich zuerst an Wien. Aber die Chemie hat nicht gestimmt. Da fiel mir das Buch "Die Schule des Sehens" von Oskar Kokoschka in die Hände, der 1953 in Salzburg die Sommerakademie gegründet hatte. Seine Idee, eine freie Akademie zu gründen, wo Menschen sich nicht bewerben müssen, nicht geprüft oder vorab ausgewählt werden, sondern nur die Kreativität gefördert werden soll, klang für mich fast so wie Beuys' Satz "Jeder ist ein Künstler". Dieses Buch und diese Idee, die waren einfach "a calling". Ich war vorher nie in meinem Leben in Salzburg. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich gewundert habe, wie klein die Stadt war, aber die Stimmung, die war toll.

Joseph Beuys hatte ja Kunst mit einem starken sozialen Auftrag verbunden. Wie reflektieren Sie dies in Ihrer Galerie?

Es war zusätzlich der politische Auftrag von Beuys, der mich interessiert hat. Er war Mitbegründer der Grünen in Deutschland, aber ich war vor allem von seiner Kunst fasziniert. Beuys hat mir ständig Rätsel aufgegeben, und diese musste ich "dechiffrieren".

In den 1980er-Jahren musste man die zeitgenössische bildende Kunst in Österreich noch mit der Lupe suchen, viele der Museen waren nicht in der Form und Größe von heute vorhanden, oder sie waren überhaupt noch nicht gegründet. In Salzburg wurde im selben Jahr 1983 das Rupertinum als Museum für Fotografie eröffnet, aber das Museum der Moderne auf dem Mönchsberg existierte erst als Plan. Woher kam Ihre Faszination für die Kunst?

Ich komme aus einem bürgerlichen Haushalt, aber Kunst hat da keine Rolle gespielt. Wir hatten Drucke des 19. Jahrhunderts an der Wand, die eher unbedeutend waren, aber die Literatur war immer sehr wichtig. Mein Vater hatte seine Bibliothek, und er hat viel gelesen, auch die Bibel. Die Sprache war relevant für mich.

In ihrer ersten Galerie in Salzburg zeigten Sie dann schnell große Namen.

Das hat sehr klein begonnen, aber mit wichtigen Künstlern, die mir vertraut haben. Ich bin nach Amerika, wo ich über die Vermittlung von Beuys Andy Warhol kennengelernt habe – da sind legendäre Ausstellungen entstanden, wie die Basquiat-Ausstellung von 1984. Jedes dieser Werke ist heute in einem großen Museum. Ich hatte damals keine Ahnung und war völlig naiv. Aber ich hatte das Glück, große Künstler einfach kennenzulernen. Und dann war es eigentlich nicht schwierig, alle haben mitgemacht. Verkauft haben wir in der Zeit alle nicht viel.

Aber irgendwann lief es dann an ...

Ja, ich habe auch viel mit österreichischen Künstlern gearbeitet, mit Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Valie Export, Oswald Oberhuber oder auch jüngeren wie Siegfried Anzinger. Nach drei, vier Jahren ging es dann langsam los mit dem Verkauf. Leider habe ich auch vom Ableben dieser Künstler indirekt profitiert. Beuys 1986, Warhol 1987, Basquiat 1988 – auf einmal waren sie weg. Das war ein Riesenschock für mich. Die letzte Ausstellung von Jean-Michel Basquiat bei uns wurde am 23. Juli 1988 eröffnet, da war er auch in Salzburg – und er starb am 12. August desselben Jahres. Wir machten drei Ausstellungen mit ihm: Die erste blieb völlig unbeachtet, 1986 haben wir schon einiges verkauft und die letzte war ausverkauft.

Heute gehört die Galerie Thaddaeus Ropac zu den weltweit führenden Galerien mit sechs Standorten: Zweimal Salzburg, zweimal Paris, London und Seoul. Was waren denn in den 40 Jahren die Highlights Ihrer Tätigkeit?

Der markanteste und wichtigste Schritt, den wir gemacht haben, war, nach Paris zu gehen. Das war 1990. Als ich ankam, sprach ich kein Wort Französisch, dennoch hat mich das Pariser Publikum sofort akzeptiert. Wir arbeiteten mit ganz aktuellen Künstlern wie Jeff Koons oder Peter Halley. Am meisten hat mich immer interessiert, US-die amerikanischen Künstler neben der deutschen Malerei von Anselm Kiefer, Sigmar Polke oder Georg Baselitz zu zeigen. Baselitz vertreten wir ja nun auch seit den frühen 2000er-Jahren. Auch Gilbert & George gehören zu dieser starken Bindung – es waren neben den Amerikanern die europäischen Künstlerinnen und Künstler, die immer wichtig waren.

Welche Strategie oder Methode verfolgen Sie beim Aufspüren neuer Positionen?

Inzwischen sind wir so ein großes Team geworden, da ist es ganz unterschiedlich. Wir haben in den letzten vier Jahren sechs neue Künstlerinnen und Künstler ins Programm genommen, viele sehr junge, aber es ist auch Martha Jungwirth darunter, die übrigens nächstes Jahr als erste österreichische Künstlerin nach Arnulf Rainer mit einer Einzelausstellung im Guggenheim-Museum Bilbao gezeigt wird. Es arbeiten viele tolle junge und arrivierte Menschen in unserem Team, wie Julia Peyton-Jones, die lange an der Serpentine Gallery in London Direktorin zusammen mit Hans-Ulrich Obrist war und bei uns ein eigenes Research-Team leitet. Über neue Positionen wird im Team entschieden. Zu Beginn waren es vor allem Künstler, die mich fasziniert haben und von denen ich 100-prozentig überzeugt war, die aufgenommen wurden. Und wir vertreten inzwischen mit Rauschenberg, Lichtenstein, Rosenquist, Castoro, Beuys oder Sturtevant einige wichtige Estates.

Wie groß ist das Team der Galerie?

Wir haben ungefähr 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Gab es einen Plan, die Galerie zu erweitern?

Das ist über die 40 Jahre organisch gewachsen: Wachstum sollte eine Möglichkeit sein, aber keine Notwendigkeit. Die Möglichkeiten wollte ich immer nutzen.

Und umgekehrt, gab es je die Idee, Salzburg zu verlassen?

Den Standort Salzburg wollte ich nie mehr aufgeben. Die Stadt ist so wichtig für mich. Ich fühle mich als Salzburger, lange bevor ich mich als Österreicher fühle. Für mich war die Idee, nach Paris zu gehen und ein wirkliches Risiko einzugehen, sehr attraktiv, aber es war ein volles finanzielles Risiko. Die Leute haben sich an den Kopf gegriffen. Ohne Kontakte und ohne die Sprache zu können, dafür mit Künstlern, die man damals beachtet hat. Dadurch hatte ich auf einmal ein tolles Publikum. Ich habe mich bis Oktober 1990 in Salzburg unglaublich bemüht, ein Publikum zu erreichen. Ein Publikum, da ging es nicht nur um Verkauf.

Wie haben Sie das gemacht?

Ich bin zu jeder Eröffnung gefahren und habe teilweise sogar selbst Flyer verteilt. Es ging darum, dass die Leute unsere Ausstellungen sehen. In Paris musste man so später nicht mehr agieren. Das Publikum war einfach da. Und mit unserem zweiten Pariser Standort Pantin hatten wir plötzlich die größte Galerie, die es in Europa gab: Ihre Dimensionen sind enorm und für Künstler eine echte Herausforderung. London kam vor acht Jahren dazu und Seoul vor drei Jahren.

Haben Sie mit Seoul einen Standort im asiatischen Raum gesucht?

Das ist kein Hub, wie Hongkong oder demnächst vielleicht Singapur. Nach Korea hat mich die Tatsache gebracht, dass wir in Hongkong – wo wir zunächst eröffnen wollten – zwei negative Erfahrungen mit der chinesischen Zensur gemacht haben. Und diese Angst hat mich von dort wieder vertrieben. Korea pulsiert durch eine offene Stimmung, mit Akademien und einer Kunstszene, die für sich schon immer existiert hat. Korea ist so sophisticated. Und so solide im Respekt der Kunst und den Künstlern gegenüber. Wir sind superhappy.

Welches Programm fahren Sie an welchen Standorten, wie wird das entschieden?

Das wird vom Leading Team diskutiert. Wir machen zwischen 35 und 40 Ausstellungen an allen Standorten pro Jahr und arbeiten mit 70 Künstlern und Estates. Alles wird sehr demokratisch besprochen.

Welche besonderen Eigenschaften muss ein Galerist mitbringen für das Business, und was raten Sie jungen Künstlerinnen und Künstlern, wie sie sich auf dem Markt präsentieren sollen?

Als Galerist braucht man ein Talent, um Kunst zu erkennen. Die Expertise kann man ständig verbessern und erweitern, aber die Grundlage dazu muss vorhanden sein. Es gibt Leute, die sich mit einer enormen Überzeugung immer für mittelmäßige Kunst einsetzen. Und dann braucht man Glück und die Möglichkeit, die eigene Leidenschaft auf die anderen zu übertragen. Ein Künstler oder eine Künstlerin hingegen muss in der Lage sein, den Geist unserer Zeit zu spüren und zu verstehen. Daraus entsteht Innovation.

Bei dem Pensum und den vielen Reisen, die Sie unternehmen: Wie gehen Sie mit der Anstrengung um? Welche Balancepraxis üben Sie?

Es ist schon sehr anstrengend. Aber ich habe gelernt, mit meiner Insomnia umzugehen.

Im September eröffnen vier neue Ausstellungen in Ihren Galerien. Sind Sie überall immer dabei?

Ich bemühe mich sehr, es gelingt aber leider nicht immer.