Niklas Goldbach, Ihr Video "Into the Paradise Machine" beschäftigt sich mit dem Konzept der Center Parcs. Wie kam es dazu?
Die Arbeit entstand während der Corona-Pandemie. Der Center Parc galt vielen Menschen als sicherer Ort: eigenes Haus für die eigene Familie, Anreise mit dem eigenen Auto, eigenes Essen. Da sind Hunderte von Bungalows und doch bist du isoliert. Mich hat das fasziniert: 600 mal der gleiche Bungalowtyp, verbunden mit dem Versprechen in der Natur zu sein. Ich wollte die Strukturen verstehen, die Anlage filmisch sezieren. Außenaufnahmen, Drohnen. Das Ergebnis ist ein ganzer Tag in einem Park, den es so gar nicht gibt, denn ich habe in drei Ländern gedreht. Die Natur ändert sich. Die Strukturen bleiben die gleichen.
Ihr Interesse an der Architektur gilt ja immer auch den Narrativen dahinter.
Ja, denn Form und Idee der Center Parcs sind auch Ausdruck einer bestimmten Ideologie. Die Architektur zielt auf die Bedürfnisse der Kernfamilie und basiert auf konservativen Gesellschaftsbildern. Als Alleinreisender war ich da eigentlich fehl am Platz. Das Marketing-Prinzip ist: "When the children are happy, we are happy". Familienmenüs, die Badelandschaften, ständige Animation für die Kinder - das entlastet die Eltern, und das ist das Erfolgsmodell. Dabei ist dieser Urlaub nicht billig und er erfordert auch hohe Investitionen. Die Parks nutzen viel Fläche, brauchen viel Wasser, verbrauchen viele Ressourcen.
In "Today on Lumen 2000" gehen Sie diesen Investitionen nach.
Der Gründer der Anlagen, der Niederländer Piet Derksen, war ein gläubiger Katholik und hat sein Vermögen aus den Center Parcs in verschiedene Stiftungen investiert. Sie fördern Projekte, die der Verbreitung seiner Wertvorstellungen dienen. Über diese Projekte informierte die Stiftung in dem eigenen TV Magazin "Lumen 2000". Die frohe Botschaft wurde in 80 Länder gesendet - das war quasi Missionars-TV. Ich habe die Intro-Spots der TV-Serie zu einer eigenen Arbeit montiert, um klar zu machen, woher das Geld kommt und wohin es geht. Bewerten will ich das nicht.
Der Architekt der Center Parcs war Jaap Bakema. Er war 1943 in einem deutschen Deportationslager in Nordfrankreich interniert und hat dort Tagebuch geführt. Seine Notizen aus dieser Zeit bilden die Untertitel zu Ihren Filmbildern. Das ist sehr suggestiv.
Die Tagebücher waren für mich eine wirkliche Überraschung. Bakema beschreibt darin seinen Alltag, wie er mit einem deutschen Offizier Möbel baut, eine Werkstatt erweitert, die Natur wahrnimmt und wie sie ihm hilft das Lagerleben zu bewältigen. Darin kommt eine Philosophie zum Ausdruck, eine Orientierung an bestimmten Bedürfnissen, und ich denke, diese Erfahrungen haben ihn geprägt. Die Texte verleihen den Aufnahmen eine zusätzliche Ebene, aber nicht in dem Sinne "Center Parc ist gleich Lager". Die Arbeit macht die Schere auf.
Und sie verweist - wie viele Ihrer Arbeiten - auch auf den doppelten Boden im Paradies.
In der Ausstellung gibt es auch noch die Foto-Installation "A State Of Happiness". Der Titel entspricht dem Slogan der Center-Parc-Hymne von 2007. Er ist als Versprechen gemeint, aber doppeldeutig, da er nicht nur den emotionalen Zustand, sondern auch die Idee von Staat und Strukturen beinhaltet. Gegenstand der Serie sind die Domes, die Badelandschaften unter den großen Glaskuppeln. Sie sind der Mittelpunkt der Parcs, die künstlichen Paradiese, voller Palmen, Wasser. Rutschen. Die Bilder zeigen in einem pinken Rahmen meine Aufnahme, dann habe ich eine KI das Bild ergänzen lassen. Sie rechnet die Struktur weiter und ergänzt die Landschaft. Da werden aus Stahlträgern schon mal Palmen oder die Kuppeln wachsen ins Leere. Inke Arns hat das in ihrem Text zur Ausstellung schön formuliert: "Die Ruine ist dem Paradies bereits immanent".
Was ist für Sie das Paradies?
Das ist schwer. Ich denke, wir suchen das Unberührte, empfinden das Ungestaltete als paradiesisch. Aber ständig ist da auch der Wille zur Gestaltung. Und es entstehen ja auch tolle Sachen. Ein Dilemma. Die Sehnsucht, die hört nicht auf.