Schauspielerin Nicolette Krebitz

"Das Flussbad Berlin ist für alle"

Wenn es nach der Initiative Flussbad Berlin geht, schwimmen wir bald alle an der Museumsinsel in der Spree. Um das Projekt zu fördern, veranstaltet der Verein nun eine große Kunstauktion. Wir haben mit der Schirmherrin Nicolette Krebitz gesprochen

Arschbombe vorm Humboldt Forum? Türkische Teens und Omis aus Lichtenberg, die um die Museumsinsel schwimmen? Für die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt und Fans des Stadtschlosses eher eine Horrorvorstellung. Für den Verein Flussbad Berlin gerade angesichts der Klimakrise ein notwendiger Schritt für ein lebenswerteres und sozialeres Berlin. 

Weil der Initiative unter der neuen Regierung (wie so vielen anderen gemeinnützigen Vereinen) die Subventionen gestrichen wurden, braucht das Flussbad Geld. Und so veranstalten Unterstützer nun zur Berlin Art Week unter der Schirmherrschaft der Schauspielerin, Filmregisseurin und Drehbuchautorin Nicolette Krebitz eine spektakuläre Kunstauktion, mit gespendeten Werken von renommierten Künstlern wie Wolfgang Tillmans oder Olafur Eliasson.

Warum gerade die Kunstszene hinter diesem Projekt steht, es Zeit ist, umzudenken und wieso wir alle das Flussbad unterstützen sollten, erzählt die Schirmherrin Krebitz, die zufällig auch eine alte Freundin des Interviewers ist. Wir sind beide noch verschlafen, sie sitzt in ihrer Küche und qualmt eine. Als wir gerade fertig sind, sehe ich, dass ich nichts aufgenommen habe. Also alles von vorne, aber immerhin sind wir endlich wach. 


Nicolette Krebitz, nochmal zur Erinnerung: Was ist das eigentlich, ein Flussbad?

Ein Flussbad liegt an einem Fluss in der Stadt und bietet die Möglichkeit, diesen wie eine Badeanstalt zu nutzen: öffentlich, häufig ohne Eintritt. Eigentlich ohne Begrenzung, außer, dass es in fast allen Flüssen irgendwo Schleusen gibt, wodurch der Badebereich zwangsläufig begrenzt wird. In der Schweiz kann man das gut sehen, zum Beispiel im Flussbad Oberer Letten und Unterer Letten, wo man ganz toll in der Limmat baden kann. In München ist das Schwimmen in der Isar ein totaler Anziehungspunkt für die Stadt geworden. Das war auch ein ziemlich dreckiger Fluss, der teilweise unterirdisch durch die Stadt geführt wurde. Sie haben dort 15 Jahre daran gearbeitet, die Isar zu säubern und für die Bevölkerung wieder zugänglich zu machen. 

Aber die Spree ist doch noch immer noch total verdreckt.

Nee, das stimmt nämlich gar nicht. 

Ok, das ist ja ein interessantes Gespräch, ich war fest davon überzeugt.

Die Initiative Flussbad Berlin ist ja bereits seit vielen Jahren damit beschäftigt, die Spree beschwimmbar zu machen. Es gibt dazu auch eine Ausstellung im Flussbad-Garten am Mühlengraben. Eine der ersten Ideen war, dass man dort eine Bio-Filteranlage einbaut, die das Wasser säubert. Inzwischen ist die Wasserqualität während der Badesaison zwischen Mai und Oktober zu 90 Prozent der Zeit gut, der Fluss also beschwimmbar. Einmal in der Woche werden Wasserproben ins Labor geschickt, einmal am Tag wird eine Wasserprobe mit einem kleinen Roboter entnommen und sensorisch analysiert. Auf der Website des Flussbads kann man jeden Tag gucken, ob es grün oder rot ist, ob man schwimmen könnte. Immer mehr Leute schwimmen in Berlin in der Spree, obwohl es verboten ist. Die Kunst- Auktion "50 für Bad Berlin", die wir zur Art Week veranstalten, soll auch einer eigens entwickelten App dienen, auf der man nachgucken kann.

Aber eigentlich kann man reinspringen und kriegt keinen Ausschlag oder Durchfall? 

Klar. Es gibt nur ein Problem, wenn es viel regnet und dadurch die Kanalisation überläuft. Dann gibt es Kolibakterien und andere Sachen.

Es stimmt also gar nicht, dass der Schlachtensee oder die Krumme Lanke so viel sauberer sind als die Spree? 

Das Wasser ist ja dasselbe. Und ganz ehrlich, ich weiß nicht wie sauber ein öffentliches Freibad während der Hochsaison ist. Im Moment ist es so: Man könnte bei Grün auf der Webseite in den Fluss springen. Aber das Baden in der Spree ist seit 100 Jahren verboten, weil damals die Wasserqualität so schlecht war und man die Bevölkerung vor Krankheiten schützen wollte.

Aber wieso ist es denn heute nicht erlaubt, wo doch klar ist, dass die Wasserqualität besser ist? 

Das Badeverbot sollte unbedingt als erstes aufgehoben werden. In allen Großstädten wird ja gerade daran gearbeitet, dass man in die Gewässer gehen kann: in Kopenhagen, in Paris jetzt gerade zu Olympia, in London, in New York. Im Hudson River wird bereits hin- und hergeschwommen. Das hat natürlich mit dem Klimawandel zu tun. Aber auch mit einer veränderten Vision der Stadt: Dass der Fluss nicht nur der Ökonomie dient, also etwa Fracht- oder Fährschiffen, sondern ganz direkt den Bürgern. Es ist also auch mein Fluss, und ich kann ihn nutzen, um darin zu schwimmen. Das ist auch notwendig, wegen des Klimas und der hohen Temperaturen, die wir alle aushalten müssen, während wir das Geld verdienen und die Steuern zahlen. Oder auch nicht. Das Flussbad ist für alle gedacht, ganz egal, ob sie arbeiten. Die Hitze betrifft vor allem Geringverdiener und Leute, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, die keine Datsche haben, keinen Urlaub machen, nicht raus aus der Stadt kommen. Da macht es total Sinn, in den Fluss zu springen und sich abzukühlen. Dafür müssen Möglichkeiten geschaffen werden. 

Ich finde, das Thema hat auch etwas mit der Infrastruktur zu tun, die ja überall zusammenbricht. Egal, ob im Nahverkehr, im Gesundheits- oder Sozialwesen, in der Bildung. Da wäre es doch toll, etwas zu tun, das ganz praktisch hilft, Orte zu schaffen, an denen die Leute das Gefühl haben, sie bekommen etwas, sind Teil von etwas, dass sie zählen. An kaum einem öffentlichen Ort ist man sich physisch mit Fremden näher als im Schwimmbad, an keinem anderen Ort ist die Erfahrung von Gemeinschaft intimer und demokratischer. Alle schwimmen da durcheinander: Omis, Hipster, Leute mit migrantischem Hintergrund, mit allen möglichen Hautfarben, Biodeutsche, Behinderte, super sexy people. Es geht nicht nur um Abkühlung, sondern auch darum, dass die Stadt menschlicher und sozialer wird. 

Ja, dabei geht das so einfach. Wenn du Orte hast, an denen es dir gut geht, liebst du deine Stadt automatisch mehr, und das wirkt sich sofort auf das Miteinander aus. Da findet seit einiger Zeit ein Umdenken statt, dass Ressourcen auch für die Bewohner zugänglich gemacht werden müssen. 

Da verkörpert das Stadtschloss mit dem Humboldt Forum eher das Gegenteil. Das Schloss ist monolithisch, ein künstliches Mahnmal für das Kaiserreich. Hunderte von Millionen an Steuergeldern sind in diese disneyfizierte, historisierende Architektur reingeflossen. Ich kenne niemanden, der oder die denkt: Oh, wow, das Stadtschloss ist für uns alle da, wie toll, dass es für die Bevölkerung wieder aufgebaut wurde. 

Das sehen die Befürworter dieser Form von Stadtplanung anders. Zu den größten Gegnerinnen des Projekts Flussbad gehört Petra Kahlfeldt, die derzeitige Senatsbaudirektorin, die im Frühjahr 2021 ein Brandschreiben mit dem Briefkopf des Berliner Doms initiierte, das unser Projekt böswillig diskreditiert. Niklas Maak schrieb dann in der "FAS" darüber. Kahlfeldt und die Planungsgruppe Stadtkern, zu der sie gehört, sehen den Dom und die Museumsinsel als einen weihevollen, historischen Super-Hotspot der Spiritualität, Kunst und Besinnung, an dem es die innere Einkehr und bauliche Schönheit stören würde, wenn da Partys stattfinden und ein paar türkische Teens oder Hipster und Rentner aus Lichtenberg ins Wasser springen. Das Weltkulturerbe Museumsinsel soll kein billiger Vergnügungspark sein. In dieses Umfeld gehört auch die Gesellschaft Historisches Berlin, die sogar eine eigene Anti-Flussbad-Website betreibt. Frau Kahlfeldt nennt das Flussbad "asozial und elitär" .

Oh, das geht gleichzeitig? Ja, wenn man Königin Luise gut findet und auf "Make Preußen Great Again" steht, kann man das wohl so sehen. Ich bin sicher, dass da in diesen Gesellschaften und Fördervereinen ziemlich viele Mitglieder sitzen, die im Grünen wohnen oder Swimmingpools haben. Es geht doch darum, dass die Stadt nicht immer weiter privatisiert wird, nicht nur für diejenigen da ist, die genug Schotter haben, sich im auch immer vollgestopften Pool auf dem Dach vom Soho House abzukühlen. Und ob der nun immer eine so tolle Wasserqualität hat, weiß ich auch nicht. Lustig, dass gut situierte Bürger, die selbst solch eine elitäre, restaurative Form von Kultur und Stadtplanung propagieren, den Vorwurf machen, die Idee des Flussbads wäre elitär und egoistisch.  

Ja, Frau Kahlfeldt hält die Initiative für das Flussbad für kunst- und kulturfeindlich. Das ist absurd, weil da so viele Künstler und Künstlerinnen, Leute aus Architektur, Design, Musik, Literatur, Theater, Film, dahinterstehen. Wir alle sind die Kultur von heute. Deswegen ist es auch toll, dass wir jetzt die Kunstauktion "50 für Bad Berlin" machen können. Viele der Werke stammen von so prominenten Stiftern und Stifterinnen wie Thomas Demand, Olafur Eliasson, Katharina Grosse, Karin Sander, Haegue Yang, Wolfgang Tillmans oder Tobias Zielnoy, um nur einige zu nennen. Die Idee stammte von Jan Edler, einem der Mitbegründer des Flussbades. Er hat über drei Jahre lang Vereinsmitglieder und andere Künstler gebeten, Arbeiten für diese Auktion zu stiften. Es kamen so tolle Sachen zusammen. Und wir brauchen das Geld wirklich. In diesem Jahr sind unter der neuen Regierung Subventionen für so viele gemeinnützige Vereine in Berlin gekürzt worden, die sich für Kinder, Soziales, Antirassismus oder Umwelt einsetzen, darunter eben auch das Flussbad. Wir brauchen das Geld, um weiterzumachen. Zugleich stiften alle Kunst und engagieren sich, auch um klarzumachen, dass es nicht nur um ein Schwimmbad, sondern eine zeitgemäße, demokratische Sicht auf die Stadt geht. Kunst und Leben können doch nebeneinander passieren. 

Ich finde, das Stadtschloss verkörpert kulturelle Arroganz. Auch mit dem Humboldt Forum drin ist dieses Kulissenschloss nichts als ein hohles, pompöses Versprechen von gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe. 

Vor allem, wenn man überlegt, was da vorher gestanden hat.

Das kommt noch hinzu, dass damals der Palast der Republik als Zwischennutzung ein Kunst- und Ausstellungsort war, der eine ganz andere Vision verkörperte. Fast die gesamte Berliner Kunstszene, unglaublich viele Architekten und Architektinnen waren gegen die Rekonstruktion des Stadtschlosses. Da ist nicht nur ein Stück DDR-Geschichte abgerissen worden, sondern auch die Möglichkeit eines wirklich zeitgemäßen Ortes für Kunst und Kultur – mit einer zeitgemäßen Architektur, die nicht nur historisierend die Berliner Geschichte reflektiert. Im Grunde geht es bei dem Flussbad um eine Fortführung dieser dringenden Debatten. Man sieht ja auch an den Reaktionen, wie reaktionär und weit entfernt vom normalen Leben dieser Club ist.

Ja, und auch entfernt von uns, den Berlinern. Es geht nicht um irgendeinen Freizeitwahnsinn, sondern darum die Stadt betriebsfähig, lebenswert zu halten.