Sammlerin Maja Hoffmann

"Wir konzentrieren uns nicht auf die Probleme, sondern auf die Lösungen"

Mit ihrer Luma Foundation ist die Schweizerin Maja Hoffmann eine der einflussreichsten Sammlerinnen weltweit. Hier spricht sie über ihr Festival Elevation 1049 in Gstaad und erklärt, wie Kunst Realitäten produziert
 

Frau Hoffmann, Ihre Luma Foundation organisiert das Festival Elevation 1049, das Kunst in die Schweizer Alpen bringt. Warum 1049?

Das ist die Höhe von Gstaad. Das Städtchen ist berühmt für den Wintersport, auch für seinen Glamour. Doch jetzt steht es auch für die Beschäftigung mit dem Klimawandel. Es fällt immer weniger Schnee in dem Ort, in den Dörfern drumherum und in den gesamten Alpen. Ich habe das Festival 2014 zusammen mit Neville Wakefield und Olympia Scarry gegründet, um darüber nachzudenken: Was kann man hier entwickeln, das nicht mit Skifahren verbunden ist, was drängende Fragen der Gegenwart adressiert und die ganze Community in Gstaad anspricht.

Sie bringen hochkarätige Künstlerinnen und Künstler nach Gstaad, in diesem Jahr zum Beispiel Theaster Gates, Oscar Tuazon oder Haroon Mirza. Es gibt nicht nur Ausstellungen, sondern auch Performances und Installationen im öffentlichen Raum. Wie sind die Reaktionen im Ort? 

Elevation 1049 ist getragen von den Leuten, die in Gstaad wohnen, von der Tourismusbehörde und der Gemeinde. Alle sind behilflich. Es ist kein kommerzielles Projekt, aber es braucht trotzdem Unterstützung. Wir sind da, um Diskussionen zu generieren. Wir produzieren viele Installationen in situ, mitten in den Bergen. Da gab es schon sehr schwierige Situationen, die aber am Ende ein tolles Ergebnis hatten. Was das Projekt wirklich besonders macht, ist das Gemeinschaftsgefühl.

Gibt es auch Kunstwerke, die in Gstaad geblieben sind?

Das ist eines unserer Ziele, aber es ist bislang schwierig, privates Land zu finden, das gleichzeitig öffentlich zugänglich ist. Das Gebiet, auf dem wir ausstellen können, ist meist entweder landwirtschaftlich genutzt, dann muss die Kunst im Sommer weg, oder es ist Bauland. Einmal konnte eine Installation von Doug Aitken zwei Jahre lang stehen bleiben, das war das längste. Aber wir arbeiten daran. Es ist wunderbar, wenn sich Menschen wie auf Pilgerreisen in die Berge aufmachen und Kunstwerke ganz in Ruhe genießen können, gemeinsam mit der Schönheit der Natur. Kunst außerhalb des White Cubes zu zeigen, hat sich längst zu einer eigenen Bewegung entwickelt. Wichtig ist uns dabei, dass die Künstler und Künstlerinnen im Zentrum stehen und dass sie etwas Spezielles aufbauen. Das ist eine besondere Energie. 

Worauf freuen Sie sich besonders? 

Stefanie Hessler, Direktorin des Swiss Institute New York, zeigt als diesjährige Gastkuratorin ihr spannendes Konzept "Energies". Theaster Gates wird als Außeninstallation große Bronzeskulpturen zeigen und in der "Carpentry" Keramikarbeiten, die in der Luma Foundation in Arles entstanden sind. In Arles war er "Artist in Residence" und hat ein wundervolles Projekt entwickelt, bei dem er viel mit den lokalen Communitys gearbeitet hat. Ein Teil dessen, was dort entstanden ist, zeigen wir nun in Gstaad, und die großen Außenskulpturen im Schnee. Dazu gibt es noch eine musikalische Performance mit den Black Monks. 

Die Luma Foundation hat mittlerweile viele Ausstellungsorte: Im Löwenbräu-Areal in Zürich und vor allem im südfranzösischen Arles, wo Sie 2021 nach mehreren Jahren Bauzeit einen großen Kulturkomplex mit dem spektakulären Turm des Architekten Frank Gehry und mehreren umgebauten ehemaligen Industriehallen eröffnet haben. Was ist die Idee hinter der Luma Foundation?

In Zürich ist sie entstanden, um die Kunsthalle Zürich zu unterstützen und das Löwenbräu Areal im Rahmen einer öffentlich-privaten-Partnerschaft zu entwickeln. Ziel war es, kommerzielle Galerien mit Non-Profit-Galerien, Kunsthallen und Museen unter einem Dach zu vereinen  ein Vorhaben, das Zeit brauchte, aber schließlich erfolgreich umgesetzt wurde. Auch in Arles steht das Prinzip der public-private-partnership im Mittelpunkt: Es geht darum, sich gegenseitig zu unterstützen und anzuerkennen, dass Kunst nicht bloß eine Nebensache des Alltags ist, sondern eine essenzielle Rolle spielt. Die Wurzeln des Kulturzentrums in Arles reichen jedoch noch weiter zurück  sie liegen in einem ökologischen Projekt.

Inwiefern?

Mein Vater hatte dort ein Institut gegründet, das die Ökologie der mediterranen Feuchtgebiete erforscht. Das Institut hat zahlreiche Partnerschaften im Mittelmeer. Es ist wichtig, dass dieses Projekt bekannter wird. Aus dieser Arbeit heraus entstand die Idee, Design und Künstlerresidenzen einzubeziehen  als eine Möglichkeit, ökologische Fragestellungen aus einer anderen Perspektive zu betrachten und über die reine Wissenschaft hinaus in neue Resonanzräume zu führen. Das Atelier Luma in Arles beschäftigt sich intensiv mit ökologischem Design und der Entwicklung neuer Materialien, indem es Abfallprodukte in innovative Baustoffe umwandelt. Viele dieser Materialien fanden später Verwendung im Turm von Frank Gehry sowie im Neubau des Atelier Luma.

Was ist Ihre persönliche Motivation hinter all diesen Aktivitäten, was macht Ihnen am meisten Spaß?

Dass man sich alles vorstellen und alle möglichen Projekte entwerfen kann. Man geht los, man forscht. Wir arbeiten mit Schriftstellern, mit Philosophen, mit Wissenschaftlerinnen, mit Designern, die echte Lösungen finden. Natürlich kommt es auch oft vor, dass Projekte nicht klappen. Aber wir konzentrieren uns nicht auf die Probleme, sondern auf die Lösungen. Und damit produzieren wir Realitäten.