Galerist Anton Janizewski

"Der Betrieb ist nicht mehr so elitär wie früher"

Anton Janizewski wusste schon als Schüler, dass er Galerist werden will. Nun hat er neue Räume in Berlin-Mitte eröffnet. Ein Gespräch über Konkurrenz und Zusammenarbeit in der Galerienszene, Kunst mit Aha-Effekt und die Lage auf dem Markt 
 

Anton Janizewski, wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Meine Mutter hat mich 1993 als Baby jedes Wochenende um das Schloss Derneburg in Niedersachsen geschoben, das muss abgefärbt haben.

Und was hat Sie auf den Beruf des Galeristen gebracht? 

Ich hatte zu Schulzeiten viele ältere Freund*innen, die Kunst gemacht haben, aber nichts verkauft haben und es gab auch niemanden, der sich dafür eingesetzt hat, dass die Arbeiten verkauft werden. Schon damals hat mich die Rolle des Galeristen als Vermittler interessiert: Er ist derjenige, der dafür sorgt, dass eine unbekannte Position gesehen und weitererzählt wird. 

Sie wussten also schon zu Schulzeiten, dass Sie Galerist werden wollen?

Ja, dieser Berufswunsch hat sich sehr früh herauskristallisiert. Ich bin mit 17 allein nach Berlin gezogen, weil ich in Weimar von der Schule geflogen bin. Hier bin ich dann in eine Punker-WG gezogen und habe mein Abi nachgeholt. Und in dieser Zeit wurde es mir dann klar, dass ich wirklich Galerist werden will. 

Wie ging es dann weiter nach dem Abitur?

Ich habe dann angefangen, Kunstgeschichte zu studieren und habe währenddessen schon ziemlich viele Praktika in verschiedenen Berliner Galerien gemacht. Das Studium habe ich dann recht bald zugunsten der praktischen Arbeit aufgegeben, als sich die Gelegenheit bot, einen eigenen Raum zu bespielen. Da war mir klar, dass ich die Chance wahrnehmen muss. 

Hatten Sie finanzielle Unterstützung bei diesem Schritt?

Nein, deswegen habe ich mich auch nicht sofort zu 100 Prozent selbstständig gemacht. Ich habe lange Zeit nebenher in einer Galerie gearbeitet und parallel dazu meine eigene Galerie aufgebaut, die zunächst noch mehr als Off-Space funktioniert hat. Das hat sich dann Schritt für Schritt entwickelt. Ich habe sieben Tage die Woche gearbeitet: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag im Büro der anderen Galerie, Freitag, Samstag, Sonntag, morgens und nachts in meiner eigenen. Das ging nicht anders, denn gerade zu Beginn gibst du viel Geld aus, ohne dass besonders viel rein kommt. Den Sammler*innenstamm muss man sich ja erstmal aufbauen. Ich hatte aber das große Glück, dass mir Heike Hanada, die mich von Beginn an unterstützt hat, zu guten Konditionen einen Raum in ihrem Architekturbüro vermietet hat, und ich habe eine großartige Freundin, Lilli. Den beiden bin ich sehr dankbar. 

Gab es eine Deadline, die Sie sich gesetzt haben, um festzulegen, dass es bis dahin laufen muss? 

Nein, eigentlich nicht. Ich hatte ja da schon alles auf eine Karte gesetzt, und ich war immer optimistisch, dass es klappen wird. Und bin es noch.

Sind Sie denn mit den Galerien, bei denen Sie gearbeitet haben, noch im Austausch? Haben sie Sie bei Ihrem Vorhaben, eine eigene Galerie zu gründen, unterstützt?

Ja, mit manchen bin ich im guten Austausch und ich würde schon sagen, dass sie mich unterstützt haben. Nagel Draxler haben mir beispielsweise die neuen Galerieräume hier am Rosa-Luxemburg-Platz vermittelt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Kurz nachdem Sie sich mit Ihrer Galerie selbstständig gemacht haben, kam Corona. Wie war das?

Zunächst war es natürlich beängstigend. Um sichtbar und im Kontakt mit Käufer*innen zu bleiben, haben die großen Galerien ja bald diese aufwändigen Online-Angebote aus dem Ärmel geschüttelt, Online-Führungen, Online-Viewing Rooms und so weiter. Dazu hatte ich natürlich nicht die finanziellen Mittel. Also musste ich mir eben etwas anderes überlegen, immer mit Blick auf die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen ... Es war alles nicht ganz einfach, ich habe weniger Ausstellungen gemacht, als ich im Normalfall gemacht hätte, und die, die es gab, waren immer mit Restriktionen verbunden – aber es hat am Ende doch alles funktioniert. 

Was haben Sie sich damals überlegt, um weiterhin sichtbar zu bleiben?

Es gab beispielsweise eine Performance von Olga Hohmann, die eigene Texte vorgelesen hat, während zwei Performer*innen Minigolf spielten, auf einer Minigolf-Anlage, die wir in der Galerie aufgebaut haben. Es durften immer zwei Leute rein, die sich die Performance für einige Minuten ansehen konnten und dann wurde gewechselt, weil zu diesem Zeitpunkt maximal fünf Personen in einem Raum dieser Größe erlaubt waren. Das wurde sehr gut angenommen vom Publikum, teilweise haben die Leute zwei Stunden vor der Tür gewartet, bis sie rein konnten. Da hat man schon gespürt, dass die Menschen hungrig waren auf Kunst und auf Events, auf denen man anderen Menschen begegnet und Input bekommt. 

Wie kamen Sie zu den Künstlerinnen und Künstlern, die Sie heute im Programm haben?

Ferdinand Dölberg, Rebekka Benzenberg und Nicholas Warburg, die alle ihre ersten Einzelausstellungen bei mir in der Galerie hatten, habe ich auf den Rundgängen ihrer Akademien entdeckt. Nicholas‘ Arbeit hat damals einfach herausgestochen auf dem Rundgang an der Städelschule. Die Präsentation der Arbeiten dort ist schon sehr auf den Kunstmarkt ausgerichtet, fast wie bei einer Messe. Es werden viele Formate gezeigt, die sich gut verkaufen lassen. Seine Arbeit ist da rausgefallen: Er hatte einen Baum im Raum installiert und ganz oben war ein auf einem Zettel skizziertes Selbstporträt von ihm zwischen dem Baum und der Wand eingeklemmt. Der Titel war "Selbstporträt mit Baum". Das hat mir gefallen. Ein paar Monate später haben wir die erste Einzelausstellung gemacht, "BRDigung".

Was muss eine Position haben, dass Sie darauf aufmerksam werden?

Was mich an einem Kunstwerk anzieht und was auch alle Positionen, die ich im Programm habe, verbindet, ist, dass sie sich mit gesellschaftlichen Fragen im Kontext aktueller Diskurse auseinandersetzen. Das hat man auch in der ersten Ausstellung "Look!" gesehen, die am neuen Standort in Mitte einen Einblick in mein Programm gab: Emma Adler setzt sich in ihrer Arbeit mit AfD-Propagandamaterial auseinander, Rebekka Benzenberg beschäftigt sich mit Macht und der Darstellungen von Frauen in der Kunstgeschichte. Der Titel der Ausstellung ist der Videoarbeit von Dorian Sari entliehen, in der er zum einen die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung thematisiert und zum anderen Medienkritik übt: Es geht um die Frage, welche Konflikte und welches Leid in den Medien gezeigt werden und wo weggeschaut wird. 

Was würden Sie sagen, kann Kunst für gesellschaftliche Fragen leisten?

Künstler*innen sind Expert*innen: Sie eignen sich Wissen an, sie vertiefen sich in eine Thematik und lassen ihre Recherche am Ende künstlerisch bearbeitet in das Werk einfließen. Als Betrachter*in nimmt man dann sozusagen an ihrem Forschungsprozess teil. Man will die Arbeit verstehen, einordnen und setzt sich mit ihrer Thematik auseinander. Anders als in der Wissenschaft steht in der Kunst aber nicht die quellenbasierte oder theoretische wissenschaftliche Arbeit im Vordergrund, sondern ein visueller Eindruck oder auch ein Gefühl. Kunst hat die Kraft, einen Aha-Moment zu erzeugen – der manchmal auch ein Schock sein kann –, der wiederum zu einer Erkenntnis führen kann. 

Aktuell zeigen Sie Helena Uambembe, die gerade den Ars-Viva-Preis gewonnen hat. Was ist hier der potentielle Aha-Moment? 

Helena Uambembe arbeitet viel zu Erinnerung und Geschichte, vor allem ausgehend von ihrer eigenen Familiengeschichte, die sehr von den Fluchtbewegungen im südwestlichen Afrika in der Periode der Dekolonisierung geprägt ist. Durch die Auseinandersetzung mit ihrem Werk lernt man nicht nur etwas über diese Lebensrealitäten, sondern auch über die deutsche Kolonialgeschichte. Im Betrachten ihrer Bilder in einer Berliner Galerie können wir also auch viel über uns und über unsere Gesellschaft lernen. Es ist doch interessant zu sehen, dass sich bei einer Künstlerin, die ihre Arbeiten ausgehend von ihrer eigenen Familienrealität entwickelt, ziemlich schnell zeigt, wie stark ihre private Geschichte auch mit den Nachwirkungen des deutschen Kolonialismus verwoben ist. So bewachte ihr Onkel als Söldner der südafrikanischen Armee etwa den Okavangofluss an der Nordgrenze Namibias, den einst die deutsche Kolonialmacht als Grenze festlegte. In Uambembes Arbeiten sind es vor allem Krokodile, die diese Gewaltgeschichte allegorisch versinnbildlichen. Ein weiteres Beispiel für ein potenziellen Aha-Moment ist die geplante Herbst-Ausstellung von Emma Adler. 

Inwiefern?

Im September stehen die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg an. Ich werde parallel eine Einzelausstellung von Emma Adler zeigen, die sich in ihrer Kunst seit 2017 mit Verschwörungstheorien beschäftigt und in einer neuen Serie von Arbeiten Werbestrategien der AFD analysiert. 

Haben Sie alle der von Ihnen repräsentierten Positionen "entdeckt"?

Nein, nicht alle. Dorians Arbeit habe ich beispielsweise 2021 auf der Fiac gesehen, wo Dorian mit seiner Galerie Öktem Aykut aus Istanbul war. Hier haben die ersten Schritte ohne mich stattgefunden.

Haben Sie Angst, dass Künstlerinnen und Künstler nach der ersten Aufbauarbeit zu größeren Galerien übergehen?

Klar, das kann passieren. Aber ich arbeite mit allen Künstler*innen in meinem Programm sehr eng zusammen, da muss es auch zwischenmenschlich passen. Mit vielen bin ich in einer Art Dauerkommunikation: Ein Bild ist fertig, und ich bekomme direkt ein Foto geschickt. Viele haben mit mir gemeinsam ihre Karrieren begonnen, auf die ersten Ausstellungen bei mir folgten erste Präsentationen in Kunstvereinen, erste Museumsankäufe und so weiter. Über die Zeit sind sie alle auch Freund*innen geworden. Aber ja, natürlich kann es immer passieren, dass man sich trennt. 

Kann eine starke freundschaftliche Ebene nicht auch schwierig sein? Wie halten Sie die Balance zwischen freundschaftlicher Verbundenheit und wirtschaftlichen Interessen?

Bisher kam ich noch nicht in die Situation, dass ich zwischen diesen beiden Bereichen abwägen musste. Beide Seiten sind ja daran interessiert, sich gegenseitig weiterzubringen. Dieses Commitment mag ich, dass beide Seiten sagen: Wir tun uns zusammen, gehen eine Beziehung ein, die möglichst langfristig sein soll, einigen uns darauf, dass beide ihren Teil dazu beitragen, dass es funktioniert und vorangeht. Wenn ich aber beispielsweise merken würde, dass sich eine Position in eine Richtung entwickelt, die ich nicht mehr vertreten will oder kann, dann müsste ich darüber nachdenken, wie es weitergehen könnte. Auch, wenn bei einer der beiden Seiten der Eindruck entsteht, dass man nicht mehr unterstützen kann oder dass Unterstützung ausbleibt, muss man weitersehen.

Ziehen "Ihre" Künstler*innen Sie auch in den künstlerischen Prozess ein? Werden Sie beispielsweise um Rat gefragt?

Wir stehen natürlich in einem kontinuierlichen Austausch über die Arbeit, aber die künstlerischen Entscheidungen treffen selbstverständlich alle selbst, und das ist auch gut so. Mein Job ist es, die fertigen Arbeiten zu zeigen und zu verkaufen.

Welche Rolle haben Galerien innerhalb des Kulturkosmos einer Stadt? 

Gerade für junge Künstler*innen ist die Repräsentation durch eine Galerie wichtig als erster Baustein der Karriere. Häufig werden unbekannte Positionen zunächst in einer Galerie gezeigt, bevor sie in einem zweiten Schritt auf institutioneller Ebene zu sehen sind. Aber meiner Meinung nach wird diese Bedeutung der Galerien zu wenig wahrgenommen. Und für Kunstinteressierte sind Galerien eine tolle Ergänzung zu dem Angebot, das es in Museen, Kunsthallen und Kunstvereinen gibt, da eben viele Newcomer*innen hier als erstes zu sehen sind, und das auch noch kostenlos. Allerdings glaube ich, dass es für viele Menschen immer noch eine Hemmschwelle gibt, in eine Galerie zu gehen. Vielleicht weil Galerien einseitig als Geschäfts-Ort wahrgenommen werden. Dabei sind sie ja viel mehr. 

Wen wollen Sie mit Ihrem Programm ansprechen?

Mein Programm richtet sich nicht nur an potentielle Käufer*innen. Vieles von dem, was ich mache, ist nicht primär auf den Verkauf ausgerichtet. Letztes Jahr gab es beispielsweise ein großes Dinner mit Olga Hohmann und Jan Koslowski, bei dem die Gänge von einer Art Lesung begleitet wurden. Es gab Schauspieler*innen, die als Koch verkleidet Jan Koslowski gesalzen haben, und einen Sänger. Das Abendessen war quasi die Kunst. Es kommt auch vor, dass ich Künstler*innen dazu einlade, bei mir auszustellen, und ich weiß schon im Voraus, dass sich das nicht verkaufen wird, weil es beispielsweise Performance oder Musik ist. Aber mir geht es darum, auch diesen Künstler*innen, die ich interessant finde, eine Plattform zu bieten und dann in der Folge zu schauen, was sich daraus entwickelt. Das sind tolle Projekte, die mir viel Spaß machen, auch wenn sie mir finanziell erst einmal nichts bringen. 

Hatten Sie schon sammelnde Kundschaft, als Sie entschieden haben, sich selbstständig zu machen?

Nein, leider nicht, das musste ich mir erarbeiten. 

Wie macht man das?

Besonders schön ist es natürlich, wenn eine Ankaufskommission extra aus New York einfliegt. Ansonsten: aktives Ansprechen. Ich bin viel unterwegs, vernetze mich und schreibe öffentliche Sammlungen an. Außerdem bin ich mit der Galerie auf Messen vertreten. Dieses Jahr war ich bereits auf der Art Düsseldorf, im September werde ich auf der Vienna Contemporary ausstellen, und im November stelle ich auf Artissima in Turin und auf der Art Cologne Künstler*innen aus meinem Programm vor.

Was schreibt man denn einem potentiellen Sammler oder einer Sammlerin?

Zum Beispiel, dass ich mich mit dem Profil der Sammlung auseinandergesetzt habe und momentan ein Werk zeige, das in diesem Zusammenhang interessant sein könnte.

Und das klappt?

Eher selten, aber immer wieder und dann entstehen daraus richtig gute Dinge. Einige meiner Künstler*innen sind so in gute Sammlungen gekommen.

Wie nehmen Sie die Galerien-Szene Berlins wahr?

Die Galerien sind fester und wichtiger Bestandteil des Kulturlebens der Stadt. Es gibt ein vielfältiges Angebot, also große, etablierte Galerien, aber auch kleinere Galerien mit eher jungem Programm. Mein Eindruck ist, dass der ganze Galerie-Betrieb nicht mehr so elitär ist, wie er früher einmal war und dass immer mehr Leute anfangen zu sammeln. Da ich mit jungen Positionen arbeite, sind die Preise oft auch noch nicht so hoch, was den Kreis potenzieller Sammler*innen deutlich erweitert.

Der Galerist Dirk Geuer hat in einem Interview gesagt, dass man im Kunstmarkt "Ellbogen und Hornhaut" braucht. Sehen Sie das auch so? 

Ich versuche, mit den jungen Kolleg*innen in einem guten Austausch zu sein. Wir geben uns zum Beispiel gegenseitig Tipps, wenn es um Bewerbungen für Messen geht. Ich denke in jedem Fall, dass ein Zusammen besser ist als ein Gegeneinander. Vielleicht lässt sich da schon eine Veränderung gegenüber der älteren Generation feststellen. Das Zitat würde ich auf jeden Fall so nicht unterschreiben. Also Hornhaut kann man sicher gebrauchen, aber Ellenbogen … In meiner Arbeit eigentlich nicht. 

Und warum braucht man Hornhaut?

Eine Galerie aufzubauen, die mit den Künstler*innen in ihrem Programm gemeinsam wächst, braucht einfach Zeit. Es dauert, bis eine Position und auch eine Galerie bekannter wird, und es dauert, bis mit wachsender Bekanntheit, wachsender Nachfrage und mit wichtigen Schritten in einer Künstler*innenkarriere auch die Arbeiten teurer werden. Beispielsweise haben wir die Arbeiten von Ferdinand Dölberg 2019 mit Faktor 11 berechnet, also die Höhe einer Leinwand plus die Breite mal den Faktor. Damals haben wir nur ein paar hundert Euro beim Verkauf einer Arbeit verdient, aber wir haben einige Sammler*innen begeistert, die auch heute noch Arbeiten von Ferdinand kaufen, obwohl die Werke inzwischen schon etwas teurer sind.

Welche Voraussetzungen braucht es für den Beruf des Galeristen?

Man muss interessiert an Menschen sein und gut kommunizieren können, Lust auf Austausch haben. Das ist wieder diese Vermittlerposition des Galeristen, von der ich eingangs gesprochen habe und die ich sehr mag: Sich mit den Besucher*innen über eine Arbeit auszutauschen und im Gespräch immer weitere Ebenen aufzublättern. Da ist der erste Eindruck, den man hat, wenn man vor einem Werk steht, dann kommt vielleicht eine gesellschaftliche Komponente hinzu, aus der sich wiederum neue Interpretationsebenen ergeben. Zu beobachten, wie sich ein Werk einem Menschen nach und nach erschließt, finde ich unheimlich schön. Um eine Arbeit verkaufen zu können, muss man sie sehr genau kennen. Man muss also bereit sein, sich wirklich tiefgehend mit einem Werk auseinanderzusetzen. Das ist gerade bei jungen Positionen wichtig, um den Preis erklären und rechtfertigen zu können.

Was ist, Ihrer Meinung nach, der Vorteil des Galeristen-Berufs gegenüber der Arbeit in einer Institution? 

Ich denke, dass man so viel enger mit den Künstler*innen zusammenarbeitet. Außerdem begleitet man sich ja nicht nur für die Dauer einer Ausstellung, sondern über viele, viele Jahre. Ich glaube auch, man ist freier als im institutionellen Kontext, wie ich ihn mir vorstelle. Ich kann im Prinzip machen, was ich will. Wenn mir eine Position gefällt und die Künstler*innen Lust haben, dann machen wir was. Wir müssen uns das nicht genehmigen lassen oder so. Ich muss "nur" sehen, dass ich die dafür nötigen Kosten zusammenbekomme.

Wie fühlen Sie sich hier am neuen Standort am Rosa-Luxemburg-Platz?

Hier ist es super. Meine alten Räume lagen im ersten Obergeschoss, man musste klingeln und Treppen hochlaufen. Hier kann man einfach reinspazieren. Das finde ich toll, denn so kommen auch spontan Leute. Außerdem bin ich hier Tür an Tür mit tollen Kolleg*innen: Nagel Draxler, Mountains und BQ. Man besucht sich gegenseitig bei den Eröffnungen, wir planen ein gemeinsames Sommerfest. Ich mag es hier sehr. 

Sie haben den Raum verändert, was war Ihre Idee dabei?

Das Architektenduo Lilli Hanada und Hannes Hehemann verantworten den Umbau meiner neuen Räume. Durch das Verschieben einer einzigen Bestandswand haben sie es geschafft, ressourcenschonend einen bewegungsfreieren und offeneren Ausstellungsraum zu gestalten. Die Spuren des Eingriffs sind beibehalten, gehören zum Raum und erzählen den Moment des Verschiebens.

Wie nehmen Sie Berlin als Kunststandort wahr?

Ich glaube, solange die Künstler*innen hier sind, ist eigentlich alles gut.

Die Frage ist nur, ob das so bleibt, wenn der Arbeits- und Lebensraum immer teurer wird. Das war ja lange eine Zugkraft Berlins … Sie sind ja nah dran an der jungen Kunstszene, die sich keine großen, teuren Ateliers leisten kann. Wie nehmen Sie die Situation wahr?

Das stimmt natürlich. Es ist wichtig, dass günstige Ateliers zugänglich sind. Aber mein Eindruck ist, dass die alle sehr einfallsreich sind und sich immer irgendwas auftut. Auch, wenn das dann im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt ist, im Allgemeinen zu klein oder zu weit weg. Berlin hebt sich noch immer dadurch von anderen großen Kunst-Zentren ab, dass es noch Ecken gibt, in denen es möglich ist, günstig zu leben und zu arbeiten. Das kann natürlich nicht der Grund sein, sich als Stadt auszuruhen. In jedem Fall ist es wichtig, gut zugänglichen, bezahlbaren Raum zu schaffen, damit die Leute, die hier sind, bleiben und neue Leute dazukommen, und das am besten sofort. 

War es für Sie eine Option, Ihre Galerie in einer anderen Stadt zu eröffnen?

Für das, was ich mache, funktioniert das nicht, denke ich. Ich zeige ja junge, zum Teil auch etwas herausfordernde Sachen und da braucht es schon ein Publikum dafür. Mein Programm könnte ich so nicht in Erfurt zeigen, zum Beispiel. Sorry, Erfurt!