In der vergangenen Woche lenkte sogar der stark kritisierte Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) den Blick ins Rheinland. "Schauen Sie doch mal, was in Köln los ist", sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung in der Schaubühne zu den geplanten drastischen Kürzungen im Kulturhaushalt der Hauptstadt. Die Botschaft war klar: Die aufgebrachte Kunstszene müsse verstehen, dass es anderswo auch hart - oder noch härter - ist.
Ob ein gefühlter Überbietungs-Wettbewerb des Sparens irgendwie weiterhilft, lässt sich sicher bezweifeln. Aber wer nach Köln schaut, findet ebenfalls eine Kulturszene, die sich große Sorgen macht, denn auch dort sollen die Ausgaben für Musik, Tanz, Theater und Kunst stark gekürzt werden. Die Cologne Jazzweek, das Concerto-Köln-Orchester für Alte Musik, das Shalom-Musik-Köln-Festival für jüdische Musik, die Akademie der Künste der Welt: Sie alle sollen spätestens im übernächsten Jahr leer ausgehen und sind in ihrer Existenz bedroht. Aber auch in der freien Kunstszene wird es Kürzungen geben. Wir haben mit Doris Frohnapfel vom Kunstverein Kjubh gesprochen, der seit 2000 existiert.
Doris Frohnapfel, alle schauen gerade auf die Sparpläne in Berlin, dabei drohen der Kultur in Köln teils noch drastischere Kürzungen. Fühlen Sie sich ein bisschen vernachlässigt?
Das sind wir eigentlich schon gewohnt. Hier in der lokalen Presse gab es natürlich Berichterstattung, aber dass jetzt groß bundesweit darüber gesprochen wird, haben wir gar nicht mehr erwartet.
Sie sind Kassenwartin des Kunstvereins Kjubh, der seit 2000 existiert. Inwiefern haben Sie bisher Unterstützung von der Stadt bekommen?
Wir sind ein Kunstverein, der nicht unbedingt über große Mitgliederzahlen funktioniert, sondern wir finanzieren uns zu einem Großteil durch von Künstlern gestaltete Nietenblätter und der zugehörigen Tombola. Das bezahlt unsere Miete, aber noch keine Künstlerhonorare oder Transportkosten oder ähnliches. Dafür stellen wir Projektanträge und haben pro Jahr ungefähr 10.000 bis 15.000 Euro bekommen, was für einen Projektraum mit mindestens acht Ausstellungen im Jahr in Köln nicht wenig ist.
Steht diese Unterstützung jetzt zur Disposition?
Das weiß man eben jetzt nicht. Es gibt einen Topf beim Referat Bildende Kunst, Medienkunst und Literatur, der auf die Anträge im Kulturamt verteilt wird. Und der ist natürlich auch gekürzt worden: Um 60.000 Euro für das Jahr 2025 und 80.000 für 2026. Das hört sich vielleicht erstmal nicht viel an, ist aber ein beträchtlicher Anteil. Es ist noch nicht klar, wer wie viel bekommt und wie gekürzt wird: ob alle weniger kriegen oder manche gar nichts mehr.
Das heißt, Sie sind im Moment in einer Limbo-Situation?
Ja. Der Haushalt wird erst sehr spät verabschiedet, Bewilligungsbescheide können erst danach im Frühjahr gemacht werden. Wir können unsere Miete bezahlen, aber wir können den Künstlerinnen und Künstlern, die im Februar und März bei uns ausstellen, nicht sagen, ob Honorare oder Transporte so gezahlt werden können, wie vereinbart, beziehungsweise beantragt.
In Berlin wird mangelnde Kommunikation seitens der Politik beklagt. Es sei einfach nicht mit denen geredet worden, die von den Sparmaßnahmen betroffen sind. Wie war das in Köln?
Hier wurde es auch sehr spät kommuniziert. Und beim Kulturdezernenten hieß es eigentlich öffentlich, in der freien Szene könne man gar nichts mehr kürzen, weil da sowieso wenig Geld fließt und viel ehrenamtlich passiert. Natürlich haben Referenten mal hier und da geschaut, was man kürzen könnte, aber das wurde mit den Akteuren nicht besprochen. Ich würde sagen, die Kommunikation war absolut nicht produktiv. Es gab null Transparenz bei diesen Kürzungen.
Es gab Proteste und offene Briefe aus der Kölner Szene. Funktioniert die Solidarität?
Ja, aber die Szene hat sich organisiert, weil sie vorher schon organisiert war. Es gibt die Zusammenschlüsse schon seit Jahren, auch aus der Zeit, als ein Kulturentwicklungsplan mit Beteiligung der Szene gemacht wurde. Aber gewissermaßen wird die Politik von der Verwaltung genauso übergangen wie die Akteure im Kulturbetrieb.
Haben Sie denn Hoffnung, dass der Protest noch etwas bewirkt?
Vielleicht, aber es lässt sich gar nicht vorhersagen, auf welchem Niveau. Das Problem ist, dass viele Initiativen auf null gesetzt werden, da kann man dann einfach nicht weiterarbeiten, auch keine Drittmittel mehr beantragen oder so. Wenn es wenigstens eine kleine Startförderung gibt, kann man wenigstens noch versuchen, andere Gelder einzuwerben.
Worum geht es jetzt? Gespräche hinter den Kulissen, oder bräuchten Sie mehr Aufmerksamkeit?
Es gibt sicherlich noch Gespräche hinter den Kulissen. Aber wir werden auch versuchen, möglichst sichtbar mit unseren Anliegen zu sein.
Erfahren Sie denn auch Unterstützung aus der Kölner Bevölkerung, oder protestieren vor allem die, die in der Kultur arbeiten?
Es sind schon vor allem die, die in der Kultur arbeiten. Da hängt ja ein ganzes Ökosystem an Menschen dran, deren Existent davon abhängt. Die werden nicht reich, aber die leben davon. Andererseits ist es für "Normalsterbliche" auch schwer, das alles zu durchblicken. Es ist alles so spontan, da kann man fast nicht mehr reagieren, bevor es zu spät ist. Und so einen Haushaltsplan versteht man als Laie auch nicht. Es werden sicher Veranstaltungen wegfallen, und das Publikum sitzt dann noch mehr zu Hause am Laptop.
Ärgert Sie eigentlich persönlich das Kulturverständnis, das aus den Kürzungen spricht? Es scheint, als seien vor allem die kleinen Player politische Verschiebemasse.
Was mich am meisten ärgert, ist die Misswirtschaft in Köln. Es gibt so viele Großprojekte wie die Sanierung der Oper oder die geplante Ost-West-Achse, bei der schon so viel Geld geflossen ist und auch verspekuliert wurde und die immer teurer werden. Da bin ich schon etwas beleidigt und fühle mich übergangen. Das wird dann durchgezogen, weil man es irgendwie zu Ende bringen muss, und vieles andere fällt dabei hinten herunter.