David Loesche, wie viele Kilo Müll tragen Sie gerade am Körper?
Ich bin jetzt bei circa 15 bis 20 Kilo, ich habe am 1. Dezember angefangen zu sammeln. Es ist komplett mein eigener Müll. Das Gewicht meines Abfalls ist ungefähr halb so groß wie das eines Durchschnittsbürgers. Ich versuche zwar eigentlich, für die Dauer dieser Aktion so zu konsumieren wie eine durchschnittliche Person, aber das hat anscheinend nicht ganz geklappt. Allerdings integriere ich auch nur meinen Restmüll und nicht meine Bio-Abfälle. Die würden erstens verschimmeln, und zweitens klappt die Verwertung von Bio-Müll in Deutschland vergleichsweise gut.
Tragen Sie den Müll auch, wenn Sie zuhause sind?
Nein, nur wenn ich unterwegs bin. Ich würde mir meinen Rücken kaputt machen, wenn ich ihn die ganze Zeit tragen würde.
Sie verfolgen Ihre Aktion, die auf unser enormes Müllproblem aufmerksam machen soll, jetzt schon seit eineinhalbhalb Monaten. Wie waren die bisherigen Reaktionen?
Es sind überwiegend positive Reaktionen. Am begeistertsten sind, glaube ich, die Menschen, die selbst mit Müll zu tun haben und zum Beispiel in der Gebäudereinigung tätig sind. Die sehen das jeden Tag und finden toll, was ich mache. Es kommt aber auch auf den Ort an. Manchmal werde ich eher ignoriert, und an anderen Orten sind die Menschen es viel mehr gewohnt, auch mal ins Gespräch zu kommen. Ich versuche, nett zu schauen, damit die Menschen sich auch trauen, auf mich zuzukommen. Ich will mich ja auch nicht aufdrängen.
Wann wäre Ihre Aktion ein Erfolg?
Effekte von politischen Aktionen einzuschätzen, ist immer schwierig. Ob Menschen wirklich etwas an ihrem Verhalten oder ihrem Konsum ändern, werde ich niemals messen können. Ich würde aber sagen, dass viele Leute den Eindruck machen, als würden sie stärker reflektieren. Eine Sache, über die ich mir viele Gedanken mache, ist, dass diese Aktion natürlich eher Einzelpersonen adressiert. Gleichzeitig soll sie auch aufzeigen, dass Einzelne schnell an Grenzen stoßen. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn die Aktion von Menschen mit mehr Handlungsspielraum wahrgenommen wird als der Otto Normalverbraucher. Menschen, die in Positionen sitzen, wo sie vielleicht auch erhöhte Verantwortung haben. Managerinnen oder Manager bei irgendwelchen Einzelhandelsketten oder Personen in der Politik.
Wie genau ist das Projekt entstanden?
Außer dem amerikanischen Aktivisten Rob Greenfield, von dem ich mir das Projekt abgeschaut habe, habe ich leider nicht sehr viel Inspiration gefunden. Ich würde mir wünschen, dass solche kreativen Aktionen noch sichtbarer werden, damit noch mehr Leute dazu inspiriert werden, das auch zu tun. Innere Beweggründe für die Aktion entspringen der Tatsache, dass ich mich in meinem Studium der ökologischen Landwirtschaft und darüber hinaus viel mit der Klima-Wissenschaft und den Ökosystemen auseinandersetze. Besonders mit den Effekten von menschlichem Handeln auf Ökosysteme und globaler Ökonomie. Ich dachte, dass mich diese Aktion anspricht, weil sie selbstironisch ist und eine Leichtigkeit ausstrahlt. Sie durchbricht die Normalität und begegnet Irrsinn vielleicht mit Irrsinn. Außerdem nimmt man sich dabei nicht allzu ernst. Ich glaube, dass wir mit einem zu ernsten und zu moralisierenden Auftreten eher riskieren, Menschen abzuschrecken.
Meinen Sie zum Beispiel die "Letzte Generation"?
Natürlich haben auch die Mitglieder der "Letzten Generation" Recht, wenn sie viel konfrontativer protestieren. Ich will gar nicht bewerten oder beurteilen, wie gut oder schlecht das ist. Aber ich glaube, dass es sicher Leute gibt, die das abschreckt. Vorallem die Menschen, die in der Bewegung einen Grund finden, die Klimabewegung zu diskreditieren und ihr Anliegen als "übertrieben" und als "Katastrophismus" abzutun. Mich hätte das früher sicher auch abgeschreckt.
Was halten Sie von Tomatensuppen- oder Kartoffelbrei-Würfen auf Kunstwerke?
Grundsätzlich denke ich, dass Kunst einen super Zugang für alle möglichen Themen schaffen kann. Ich habe allerdings letztens einen Artikel des Journalisten Sven Hillenkamp gelesen. Er sagt, dass der Fortschritt, den wir durch die Bewegung von Greta Thunberg bereits gemacht haben, jetzt verlangsamt. Dass wir also seitdem alle, die leicht zu überzeugen sind, schon mitgenommen haben und das Bewusstsein erweitert haben. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir noch sensibler sein müssen, wie wir eigentlich die Leute kriegen, die wir bis jetzt vor den Kopf gestoßen haben, oder die sich bis jetzt immer noch nicht dafür interessieren. Wenn man sich die Frage stellt, dann hilft wahrscheinlich dieser Ungehorsam eher nicht, und es wirkt eher kontraproduktiv. Man kann auch darüber streiten: Vielleicht warten die Politiker nur auf Gelegenheiten, um Aktivistinnen und Aktivisten zu diskreditieren. Um eine Entschuldigung zu haben, nicht darauf zu reagieren, weil es außerhalb der demokratischen Mittel liegt, die sie akzeptieren. Ich finde, dass Humor und Kreativität noch viele Möglichkeiten bieten würden.
Würden Sie sich selbst als Künstler oder als Aktivist sehen?
Ich habe bei meiner Aktion am Anfang ehrlich gesagt nicht an Kunst gedacht. Man kann das interpretieren, aber meine Intentionen sind grundsätzlich politischer Natur. Das ist allerdings auch wieder eine Definitionsfrage, was ist schon Kunst? Ist es erst Kunst, wenn ich das will, oder schon vorher?
Es hat zumindest eine sehr performative Qualität. Was passiert mit dem Müll, wenn Sie mit dem Projekt fertig sind?
Das ist eine sehr gute Frage! Meine Mutter hatte vorgeschlagen, dass ich den Müll an einen Großkonzern wie Danone schicken könnte, mit einem Dank für die Materialverschwendung, für die solche Firmen verantwortlich sind. Da ich keine Milchprodukte kaufe, passt das aber nicht so ganz. Aber vielleicht hat ja eine Monopol-Leserin oder ein Leser eine kreative Idee, wie man den Müll auf eine nicht so konfrontative Weise weiter verwerten kann.
Bleibt es erstmal bei dieser einen Aktion, oder kommt schon bald die nächste?
Vielleicht versuche ich als nächstes mal, ein Jahr lang nur so viel Müll zu produzieren wie in meinen Rucksack passt, oder so ähnlich. Das wird für meinen Rücken sicher angenehmer.