Galeristin Anahita Sadighi

"Ich befürchte, wir befinden uns in einer Phase des sozialen Rückschritts"

Anahita Sadighi sieht sich nicht nur als Galeristin, sondern auch als Kulturvermittlerin. Sie engagiert sich politisch und bringt antike und zeitgenössische Kunst zusammen. Ein Gespräch über Verantwortung, Superkräfte und derzeitige Debatten


Anahita Sadighi, im Februar eröffneten Sie in Ihrer Berliner Galerie die Ausstellung "In 36,000 Ways" des belgisch-tunesischen Künstlers Karim Ben Khelifa. In der Einladung war ein Objekt zu sehen, das an ein antikes Werkzeug erinnerte. Es gab es keine weiteren Informationen über die Ausstellung, keine Pressemitteilung, kein noch so kurzer Text. Ist dieses "Vorenthalten" von Information schon Teil der Ausstellung?

Nein, keinesfalls. Unsere Einladungen sind sehr reduziert, wir wollen neugierig machen. Im Mittelpunkt von "In 36.000 Ways" steht ein gewöhnliches, jedoch wirkungsvolles Objekt: Schrapnell, das der Künstler an einer Frontlinie in der Südukraine gesammelt hat. Ben Khelifa betont die seltsame Ausstrahlung dieser Metallfragmente und vergrößert sie, um Formen freizulegen, die an alte Relikte und Artefakte erinnern. Die verschiedenen Lesarten, die das Bild hervorruft, erlauben allen eine eigene Interpretation. Das schafft Spannung und einen regen Austausch zu der Ausstellung.

Besucht man die Galerie, begegnet einem das Objekt in unterschiedlichen Formen und Größen: Als Digital-Print, als gerahmtes Objekt und zu einer Art überdimensioniertem Mobilé arrangiert. Erst der genauere Blick auf die gerahmten Arbeiten lässt die Thematik erahnen. Handschriftliche Informationen weisen darauf hin, dass es sich nicht um schlichte Bruchstücke aus Metall handelt: "The Fragmentation Effect for Collateral Damage And Target Neutralisation" zum Beispiel. 

Karim Ben Khelifa setzt sich mit gegenwärtiger Kriegsführung auseinander. Im Mittelpunkt stehen dabei die Metall-Objekte, die in der Ausstellung einen skulpturalen Charakter innehaben – tatsächlich handelt sich um messerscharfe Splitter. Sie stammen von der russischen S-300-Rakete, die pro Einheit in bis zu 36.000 solcher Fragmente zersplittert. Indem sie vergrößert werden, fällt der Fokus auf die unterschiedlichen Formen. Andererseits wird offensichtlich, welchen Schaden und welches Leid diese Objekte anrichten. Seine handschriftlichen Notizen weisen auf die Verschmelzung von Spitzentechnologie und dem primitivsten Trieb der Menschheit hin: dem Drang zu töten und zu dominieren. Die Mittel dazu werden immerfort in der sterilen Umgebung von Militärlabors perfektioniert: anhand von Materialwissenschaft, ballistischen Studien und Aerodynamik. Dieses Streben nach zerstörerischer Exzellenz unterstreicht jedoch einen harschen Widerspruch: Unsere technologischen Fortschritte sind nicht mit einer moralischen Entwicklung einhergegangen.

Ben Khelifa hat lange als Korrespondent und Fotojournalist in Krisengebieten wie Palästina, Irak, Afghanistan, Somalia, Iran, Nord-Korea gearbeitet. Bei der Eröffnung der Ausstellung sagte er: "Mein Job ist es, etwas Greifbares in seltsamen Zeiten zu schaffen." Wie sind bisher die Reaktionen der Besuchenden?

Die Ausstellung sorgt für ganz unterschiedliche Reaktionen. Die Auseinandersetzung mit Krieg erhält hier noch einmal eine andere Dimension. Die Besucherinnen und Besucher, die tagtäglich Berichterstattungen aus Kriegsgebieten lesen, werden plötzlich mit der Realität des Krieges konfrontiert. Sie bekommen eine Ahnung, welchen Grausamkeiten die Menschen in Kriegsgebieten zum Opfer fallen. Wir haben die Objekte, die Zerstörung, Tod und schlimmste Verletzungen verursachen, direkt vor uns. Wir sehen die scharfen Kanten, erahnen ihr Gewicht. Der Krieg ist nicht mehr eine abstrakte Realität irgendwo weit weg, sondern wird vorstellbar, fast zum Greifen nah. Karim Ben Khelifa regt dazu an, darüber nachzudenken, wie diejenigen, die an der Kriegsführung beteiligt sind, insbesondere diejenigen, die weit von der Front entfernt sind, sich der Verantwortung für ihre Handlungen entziehen. Er erreicht dies durch die Gegenüberstellung des rohen Objekts mit der gesäuberten, wissenschaftlich geprägten Militärsprache, die Effizienz und Leistung betont. 

Ist die Ausstellung wegweisend für das Programm Ihrer neu ausgerichteten Galerie? Mit dem Raum Anahita Sadighi haben Sie Ihre beiden vorherigen Galerien Anahita – Arts of Asia und Anahita Contemporary fusioniert ... 

Galerien und Ausstellungsorte haben eine besondere Verantwortung, aktuelle Narrative aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und sich dabei auch mit unbequemen und schwierigen Themen auseinanderzusetzen. In Zeiten von Krieg und Zerstörung und der damit zusammenhängenden Flucht von Millionen von Menschen weltweit gilt es natürlich, solche Zusammenhänge zu erörtern und wichtige Fragen aufzuwerfen. Wir sind in Deutschland an vielen Kriegen direkt oder indirekt beteiligt. Hier wird aus Krieg Kapital geschlagen, zum Beispiel in Form von Waffenlieferungen. Das muss kritisch hinterfragt werden. Die Galerie wird sich auch in Zukunft solchen Themen widmen und mit engagierten internationalen Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten. Gemeinsam schaffen wir einen Raum für Dialog, Kreativität und differenzierten Austausch. 

Wie kam es zu der Vereinigung?

Mir ist es wichtig, aktuelle Diskurse mit Kunst zu vermitteln. Ich glaube, dass die Fusion meiner Galerien - jede mit eigenem thematischen Schwerpunkt und Anforderungen - ein großes transformatives Potenzial birgt. Die globalen Ereignisse der letzten Jahre haben mich in dieser Überzeugung bestärkt. 

Sie verbinden in Ihrem Programm antike und zeitgenössische Kunst und rücken dabei die unbekannten Schöpferinnen außereuropäischer Kulturen in den Vordergrund. Ihr Konzept beinhaltet dabei nicht "nur" das Zeigen von Kunst. Sie verstehen sich nicht ausschließlich als Galeristin, sondern auch als Kulturvermittlerin. 

Ich möchte mit meiner vielseitigen Arbeit und meinem Engagement neue Wege beschreiten. Wir müssen mehr Kulturen, Epochen und Geografien in Dialog bringen und weibliche Perspektiven in den Vordergrund rücken. 

Woher kommt dieses Verständnis Ihrer Rolle als Galeristin?

Als im September 2022 die Proteste in Iran losgingen, war für mich klar, dass ich mich positionieren muss. Dieses Ereignis war ein Wendepunkt in meiner Karriere: raus aus der klassischen Rolle der Galeristin hin zu einer neu definierten Rolle. Das hängt auch eng mit meiner Familiengeschichte zusammen. Ich möchte mit Hilfe antiker Artefakte eine zeitgemäße Geschichte erzählen, Position beziehen, Aufmerksamkeit generieren, für die Themen, die mir wichtig sind: Repräsentation, Gleichberechtigung, das Erbe und die Aktualität nicht-westlicher Kulturen. In den Kant-Garagen habe ich als Auseinandersetzung mit den Protesten die Installation "Woman Life Freedom" konzipiert, eine Hommage an die protestierenden Frauen. Die aus einer Vielzahl persischer Amphoren aus dem 16. bis 18. Jahrhundert zusammengestellte Installation war außerdem als Bühne gedacht, als ein Raum, innerhalb dessen niederschwelliges Interagieren ermöglicht werden sollte. Es fanden hier Kulturveranstaltungen, Panels, Poetry-Lesungen und Performances statt. Kunst als Kulisse für Dialog, Kulturvermittlung und gesellschaftliches Engagement.  

Der Begriff "Zwischenräume" fällt bei Ihnen häufiger – können Sie erläutern, was Sie damit genau meinen?

Sie sind das Zuhause von vielen Künstlerinnen und Künstlern mit Migrationshintergrund, die zwischen verschiedenen Kulturen aufwachsen. Solche kreativen und geistigen Zwischenräume werden in der Kulturlandschaft insgesamt zu wenig beachtet. Ob im Film, im Theater oder in der Kunst. Aber es gibt so viele Geschichten, die sich dort abspielen. Wir sollten daraus Kraft und Inspiration schöpfen, auch für das Selbstverständnis einer neuen deutschen Kultur. Der Zwischenraum wird uns die nächsten Jahrzehnte prägen, gerade in der Kreativbranche.

Sie sind in Teheran geboren und in Berlin aufgewachsen, haben in Frankfurt und London Kulturwissenschaften, Islamische Kunst und Architektur studiert und hatten schon früh engen Kontakt zur Kunst: Ihr Vater ist der Künstler, Galerist und Sammler Hamid S. Neiriz. War diese "Tradition" der Grund für Ihre Berufswahl?

Meine Rolle als Galeristin ist stark mit meiner Identität verbunden. Ich sehe meine Arbeit als Galeristin als eine Verschmelzung von Theorie, Wissenschaft, Praxis und meiner eigenen Familiengeschichte sowie meiner Leidenschaft. Von Kindesbeinen an hatte ich Zugang zu Kunst, der Umgang mit ihr hat daher für mich etwas Selbstverständliches, Spielerisches. Außerdem sind wir Iranerinnen und Iraner immer schon gute Gastgeberinnen gewesen – wir lieben es, zu hosten. Ich verstehe die von mir konzipierten Ausstellungen als eine Einladung in einen Raum, der auf eine bestimmte Art und Weise gestaltet ist, anhand von Kunstwerken und Artefakten. Es ist in gewisser Weise eine Einladung in meine Welt.

Gab es für Sie Alternativen zum Beruf der Galeristin?

Ja! Ich habe mein Leben lang Musik gemacht, das war und ist meine große Leidenschaft. Ich habe meine Jugend am Klavier verbracht und viel Kammermusik gespielt. Meine Entscheidung gegen eine Karriere als Pianistin war hart und schmerzhaft. In Zukunft möchte ich meine Leidenschaft für Musik und meine Rolle als Galeristin stärker miteinander verbinden. Ich habe den Eindruck, dass die Kunst-Bubble und die Musik-Bubble nebeneinander existieren, sich zu selten begegnen. Ich möchte die beiden Bereiche in einen Dialog bringen, deswegen veranstalte ich eine multidisziplinäre Party-Reihe mit elektronischer Musik, Live-Performances, Tanz, Installationen, in die das Publikum aktiv miteinbezogen wird. Ich sehe im Zusammenkommen verschiedener Welten ein großes Potential, neue Zwischenräume entstehen zu lassen und einen besonderen Ort der Begegnung und Erfahrung zu schaffen. Außerdem werden viel zu wenig Partys von Frauen veranstaltet. Das möchte ich ändern.

Eine prominente Rolle in Ihrem Galerie-Programm spielen die Kelims, gewebte Teppiche oder Wandbehänge. Sie sind wunderschön. Was erzählt uns so ein Objekt?

Kelims und Teppiche waren von großer Bedeutung für das nomadische Leben. Die Gabbeh sind Knüpfarbeiten mit flachem Flor und keiner so engen Knotendichte. Sie dienten anfänglich als Kleidungsstücke oder Decken, die über den Nutzen für den täglichen Gebrauch hinaus den Nomadinnen "Superkräfte" verleihen sollten. Dahinter steckt die Idee von Schutztieren: Bären, Wölfe und Löwen haben die Fantasie der in der Natur lebenden Völker beeinflusst. Sich mit dieser mythischen Welt zu beschäftigen, finde ich faszinierend. Ein Gedanke, der tief in die Vergangenheit zurückreicht und sich über Jahrtausende entwickelt hat. Zudem befähigten die gut transportablen Arbeiten die Stämme zu ihrer mobilen und flexiblen Lebensweise. 

Wie?

Bekanntermaßen waren Nomaden nicht sesshaft, und häufige Ortswechsel prägten ihren Lebensstil. Sie waren daher auf mobile Alltagsgegenstände angewiesen. Die Textilien atmen diesen nomadischen Lifestyle, und das fühlt man. Produziert wurden die Stücke autark und nachhaltig. Dank ihrer Tierherden waren die Nomadinnen in der Lage, Schafwolle sowie Ziegen- und Kamelhaar zu verwenden. Sie spannten das Garn und sammelten Pflanzen, die zur Färbung dienten. Anschließend webten sie die Kelims und knüpften die Teppiche. Was für Multitalente! Bis in das 20. Jahrhundert hinein tradierten die Nomadinnen eine lebendige Farbsymbolik, deren Kompositionen das Ergebnis komplexer Überlieferungen und Gedankengängen war. Wer sich eingehend mit nomadischer Kunst beschäftigt, wird bemerken, dass die Arbeiten durchaus Vorreiter der Moderne waren. Und ihre Werke sind aktuell. 

Was sagen sie uns heute?

In ihrer Expressivität, Individualität und ästhetischen Ausdruckskraft stehen sie den großen Werken der modernen Kunst nicht nach. Aber sie werden nicht als solche gewürdigt, weil es eine riesige Diskrepanz gibt in der Wahrnehmung des Schaffens im Westen und des Schaffens in Regionen, die nicht dazu zählen. Dabei erzählen uns diese Objekte wichtige Geschichten und haben einen sehr sinnlichen Aspekt. Wir können sie nicht nur betrachten, wir riechen sie auch, können sie fühlen. Ich glaube, dass diese sinnliche Erfahrung etwas ist, wonach sich viele Menschen sehnen. Denn eine sinnliche Erfahrung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit unserer eigenen Körperlichkeit. 

Eine Körperlichkeit, die uns durch den ständigen Gebrauch von technischen Geräten vielleicht ein Stück weit verloren geht …

Ja!

In einem Text schreiben Sie: "Ich bin davon überzeugt, dass die Geschichte der Nomadinnen auch aktuelle Debatten bei uns in Deutschland bereichern kann. Die Geschichte der Nomadenkunst ist auch eine Geschichte der starken Frauen." Was können wir daraus schöpfen?

In der persischen Nomaden-Kultur waren es die Frauen, die den Zugang zur Spiritualität, zur mystischen Welt hatten und ihn mittels ihrer Handwerkskunst für alle öffneten. Dieses Narrativ des starken Weiblichen wurde überschrieben. Wir haben den Zugang zum Weiblichen, zur Natur, zur Spiritualität und zur mystischen Welt verloren, und ich denke, dass wir uns der Bedeutung dieser Aspekte wieder bewusst werden müssen. Darin liegt eine große transformative Kraft. 

Schlägt sich das in Ihrem Galerie-Programm nieder? Mit welchen Positionen werden Sie in Zukunft zusammenarbeiten?

Mir ist es wichtig, Positionen aus Regionen zu zeigen, in denen der Zugang zum Kunstmarkt nicht so selbstverständlich ist. Es werden mehr Künstlerinnen und Künstler aus Iran und dem Globalen Süden zu sehen sein. Die aktuelle Situation zeigt sehr deutlich, dass es wichtig ist, Stimmen zu Wort kommen zu lassen, die nicht die gängigen Narrative bedienen. Zu oft passiert es, dass hier nur Positionen gezeigt werden, die einem hier vorherrschenden Bild entsprechen und die ohnehin schon bestehende Klischees bestätigen. 

Welche zum Beispiel?

Wenn es beispielsweise um das Bild der Frau in Iran geht, dann interessiert mich insbesondere die Position von dort lebenden Künstlerinnen; mich interessiert es nicht, wenn ohnehin schon bestehende Stereotype reproduziert werden, wie beispielsweise das der passiven Frau, die in ihrer Opferrolle verharrt. Es ist wichtig, Menschen eine Bühne zu geben und hier zu Wort kommen zu lassen, die ihre Meinung in ihrer Heimat nicht selbstverständlich äußern können. Darum habe ich im Frühjahr 2023 in meinen Ausstellungsräumen in den Kant Garagen die Ausstellung "Cast out of Heaven" des iranischen Fotografien Hashem Shakeri gezeigt und für das Fotografiska habe ich die Ausstellung "Let Us Believe in the Dawn of Spring" konzipiert. Die Arbeiten der in Iran lebenden Künstlerinnen und Künstler gaben Einblicke in die Realität vor Ort, zeigten uns solidarische, mutige, moderne, selbstbestimmte Protagonistinnen. 

Wie nehmen Sie die aktuelle Situation in Deutschland wahr?

Ich befürchte, wir befinden uns in einer Phase des sozialen Rückschritts. Es gibt im Moment so viel Leid, so viel Krieg. Die Welt steht in Flammen, und in Deutschland wird wieder erfolgreich eine ausgrenzende und hasserfüllte Politik betrieben. Parallel dazu erleben wir den Rückschritt in der Fähigkeit, wirklich rational zu diskutieren und zu debattieren. Das gilt für die Politik ebenso wie für die sozialen Netzwerke und selbst unter nahen Menschen. Man ist entweder dafür oder dagegen, entweder Freund oder Feind. Für das Dazwischen ist kein Platz. Wir entfernen uns immer weiter voneinander, und es wird immer schwieriger, einen Konsens zu finden. Wir brauchen gegenseitigen Respekt, Verständnis und Akzeptanz. Das sind die Ziele, für die Vielfalt und Pluralität wichtig sind. Als Institution oder Kulturschaffende haben wir die Verantwortung, uns für diesen Austausch zu engagieren und die Gesellschaft wieder näher zusammenzubringen. 

Wie?

Das vorherrschende Schwarz-Weiß-Denken schadet beispielsweise dem Diskurs zum Krieg in Gaza. Die Cancel Culture dazu bereitet mir große Sorgen. Es fehlt an differenzierter Berichterstattung, bestimmte Stimmen werden ohne inhaltliche Auseinandersetzung pauschal diskreditiert und ausgegrenzt. Jüngstes Beispiel: Die Preisverleihung auf der Berlinale zu “No Other Land” von Yuval Abraham und Basel Adra. Gerade in Deutschland tragen wir eine historische Verantwortung, uns für Frieden und Menschenrechte einzusetzen. Die öffentliche Diskreditierung der Filmemacher, die sich für Dialog, Frieden und ein Ende des Krieges einsetzen, wird unserer besonderen Verantwortung nicht gerecht und schadet auch dem wichtigen Kampf gegen Antisemitismus.

2020 haben Sie gemeinsam mit acht Berliner Frauen – mit der SPD-Politikerin Sawsan Chebli, den Schauspielerinnen Susana AbdulMajid und Muriel Wimmer, der Aktivistin Elisabed Abralava, den Künstlerinnen Elke Foltz und Rebecca Korang und der Designerin Nazanin Ebadi – die Plakataktion "Keine Experimente" durchgeführt. Überall in der Stadt haben Sie Plakate aufgehängt, die Einzel-und Gruppenporträts von Ihnen zeigten. Versehen waren die Plakate mit dem Hashtag "KeineExperimente", ein Slogan des ehemaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, den Sie sich aneigneten und umdeuteten. Warum?

"Keine Experimente" ist ein Anti-Slogan, der immer wieder genutzt wurde, um den Status quo zu verteidigen. Er steht für eine Abwehrhaltung gegenüber Veränderung, für Stillstand und Skepsis. Die Aktion war eine freie, nicht-kommerzielle künstlerische Intervention, die Stereotypen hinterfragt. Außerdem geht es in der Kampagne auch um Solidarität unter Frauen.

Es ist eine sehr herausfordernde Zeit. Hat Kunst Ihrer Meinung nach das Potential, uns durch solche Zeiten zu helfen oder sogar Veränderungen anzustoßen?

Kunst und Kultur haben natürlich dieses transformative Potential. Kunst sensibilisiert uns für die relevanten Fragen unserer Zeit. Das ist essentiell für sozialen und geistigen Fortschritt und eine Gesellschaft, die alle Menschen gleich welcher Herkunft miteinbezieht. Gerade in herausfordernden Zeiten sind wir als Kunst- und Kulturschaffende in der Verantwortung, wichtige Diskurse voranzubringen und Veränderungen anzustoßen.