Insta-Watchlist: Rusko Star

"Ich gebe alles, um übertrieben hot zu sein"

In der Reihe "Insta-Watchlist" stellen wir Künstler vor, die uns auf Instagram aufgefallen sind. Der Performer Ruzmir Satic betreibt als Rusko Star exzessive Selbstliebe und hat ein klares Ziel: #MakeGermanyHotAgain


Ruzmir Satic, warum sind Sie ein Star?

Weil ich mich dazu entschieden habe, ein Star zu sein.

Und jetzt sind Sie also ein "Selbstbräuner", wie in ihrer Bio auf Instagram steht?

Ja, ich gebe alles, um übertrieben hot zu sein.

Wer ist Rusko Star?

Rusko Star ist eine lebende Legende, Prophet, Multitalent, Sexsymbol, YouTuber, Influencer, Blogger, It-Boy und so vieles mehr. Er ist der Beste einfach. Wow!

Was steckt hinter diesem Wunsch, ein Star sein zu wollen?

Ich will nicht nur ein Star sein. Es geht um ein Lebensgefühl: Menschen sollen das Leben leben, das sie leben wollen. Body Positivity ist ein großes Thema. Man soll sich selbst lieben und sich so akzeptieren wie man ist, hört man ständig. Sobald man aber zu selbstbewusst ist, kommen – nicht nur – Hater und sagen: "Na, so toll bist Du auch nicht, komm mal wieder runter!" Ich greife niemanden an und trotzdem schreiben mir explizit Menschen "Du provozierst ja so!" Ich provoziere, weil ich sage, dass ich mich selber super finde? Man soll sich also selbst lieben, aber nicht zu sehr.

Rusko ist eine Kunstfigur?

Vor 13 Jahren bin ich auf YouTube das erste Mal als Rusko Star in Erscheinung getreten. Ich war damals 18 Jahre alt und habe mir kaum Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, sich im Internet zu präsentieren. Ich war einfach der, der ich gern sein wollte. Schnell kamen die Hater und haben mich aus dem Netz vertrieben. 2007 waren YouTube und Social Media noch recht jung, über Hass im Netz und den Umgang damit hat niemand gesprochen. Plötzlich waren da Menschen, die kommentierten, ich solle mich umbringen. Und selbst in der Öffentlichkeit wurde ich angegriffen. Damit bin ich nicht klargekommen. Ich habe vor einer Weile realisiert, ich werde mein ganzes Leben ein Außenseiter sein. Und ich habe entschlossen, dies bis ans Ende meines Lebens mit Stolz zu tragen und daraus Stärke zu ziehen. Letzten Sommer habe ich einen zweiten Anlauf in den sozialen Medien genommen. Mit der bewussten Intention wahrzunehmen, was im Netz und um mich herum passieren wird. Seither bin ich auf Instagram aktiv und dokumentiere, wie die Reaktionen heute auf extreme Selbstdarstellung sind. Und ja, das ist ein Kunstprojekt, nur bitte erzählen Sie das niemandem. Ich studiere in Kassel Neue Medien.

Wie reagieren die Menschen heute auf Sie?

Die Reaktionen sind wieder sehr extrem. Manchmal wollen mich Menschen auf der Straße verprügeln. Im Internet gibt es aber auch Menschen, die fühlen, was ich mache und Kraft daraus ziehen, dass ich selbstbewusst auftrete und keine Angst vor den Reaktionen habe.

Sie antworten auf jeden Kommentar?

Ja, das habe ich mir zur Aufgabe gemacht. Ich antworte jedem, der mir schreibt. Negative Kommentare versteht Rusko Star nicht. Das gibt es nicht, da muss es sich einfach um ein Missverständnis handeln. Für Rusko gibt es keine Hater. Alle, die ihm schreiben, finden ihn toll. Jemand hat mir beispielsweise geschrieben: "Ich hoffe, Du bist kein Bosnier." Ich bin Bosnier. Meine Antwort lautete: "Ich bin eine Bereicherung für die ganze Welt." Es kam zurück: "Es ist eine Bereicherung, wenn ich vorbeikomme und Dich durch ganz Kassel klatsche." In meinen Highlight-Stories unter #MakeGermanyHotAgain können sie sich mehr solcher Interaktionen anschauen.

In Ihren Bildunterschriften geht es meist darum, wie hot sie sind. Da steht zum Beispiel: "Ich bin hot, sexy, super talentiert und intelligent."

Ich definiere nicht, was "hot" oder "ugly" ist. Menschen, die meine Texte lesen, können für sich entscheiden, was das für sie bedeutet. „Oh mein Gott, ich bin hot!“, sage ich oft. Und: „Ich mag keine Uglies!“ Die meisten Menschen sehen sich eher bei den „Uglies“, das triggert sie und führt zu Hass in den Kommentaren. Rusko Star möchte, dass Menschen sich so toll finden wie er sich selbst. Hot ist für mich, wenn Menschen mutig und selbstbewusst sind und ihren eigenen Weg gehen. Wenn sich jemand gut fühlt, ist das hot. In meinem Leben gab es so oft Momente, in denen Menschen mir gesagt haben, dass ich nicht gut genug sei. Ich möchte Menschen dazu bewegen, sich selbst anzunehmen. Oder besser gesagt, sich selbst zu feiern.


Sie imitieren einen Ton, den man aus RTL-Formaten kennt.

Ich bin in einem Ghetto in Kassel groß geworden. Als Kind bin ich mit dieser Sprache in Berührung gekommen. Den Slang beherrsche ich also. Viele Menschen reden so, im deutschen Hip-Hop beispielsweise ist diese Sprache sehr präsent. Ich möchte niemanden bloßstellen oder mich über Trash-TV-Formate stellen. Ich fühle eine Verbindung zu dieser Sprache, weil ich damit aufgewachsen bin. Wenn ich Dinge sage wie "Oh wow, ich schwöre …", bricht da etwas aus mir heraus und ich kann – bäm, bäm, bäm – einfach raushauen.

Es gibt die Langzeitperformance von Ihnen auf Instagram. Sie performen aber auch live im Rahmen von Ausstellungen. Was passiert da?

Ja, ich performe gerne. Kürzlich gab es ein "Meet & Greet mit Rusko Star", als meine Klasse in Kassel ausgestellt hat. Rusko Star ist über den roten Teppich gelaufen und hat Autogramme gegeben. Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Ich habe den Motivation Coach live gelebt. Das war eine krasse Erfahrung. Menschen kamen zu mir, um Fotos mit mir zu machen und um sich mit mir zu unterhalten. Ein Mann gegen Ende 40 fragte mich: "Was kann ich tun, damit ich cooler bin?" Ich war total perplex. "Du musst Dich selbst mögen", habe ich zu ihm gesagt. "Hör nicht auf die anderen und lebe das, was dich besonders macht!" Wir haben ein Foto zusammen gemacht, und ich habe ihn umarmt. Das hat mich sehr berührt.

Was macht die Langzeitperformance mit Ihnen?

Wenn ich abends im Bett liege und Texte darüber schreibe, wie geil ich mich finde, macht das etwas mit mir. Ich fühle mich besser. Wenn ich mich nicht gut fühle und mir etwas nicht zutraue, hole ich Rusko Star raus und sage mir: "Hey, Du bist Rusko Star! Du schaffst alles!" In den sozialen Medien kann man eine Person erschaffen, die für die Follower eine reale Person ist. Wenn Menschen mir begegnen, sind sie zum Teil starstruck. Mich haben sogar meine Freunde und meine Familie schon darauf angesprochen: "Was ist los mit Dir? Warum bist Du plötzlich so anders?" Oder Freunde haben Freunde gefragt: "Sag, warum ist Rusko plötzlich so eingebildet?" Menschen akzeptieren das, was sie in den sozialen Medien sehen, ohne es zu hinterfragen. Und das ist dann die Wahrheit.

Das haben andere wie Amalia Ulman und Leah Schrager schon unter Beweis gestellt in ihren Instagram-Performances. Was ist neu bei Ihnen?

Bei Rusko Star ist die Interaktion mit den "Hatern" und den "Lovern" wichtig. Man kann nicht etwas erschaffen und sich befreit und stark fühlen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Man entscheidest, wie man damit umgeht. Rusko Star steht für Selbstverwirklichung. Über Rusko Star wird gelästert, er wird aber auch gefeiert und wird wie ein Held gebraucht. Rusko Star ist all das, was du dir wünschst zu sein. Ob es dir bewusst ist oder nicht.

Jetzt fragen sich sicher einige: Warum ist das Kunst?

Das können sich die Leute natürlich fragen. Nicht jede Kunstform erreicht jeden. Ich bringe Menschen zum Nachdenken und zum Lachen. Ich berühre Menschen emotional, sie sind erschrocken und verblüfft, und gleichzeitig können sie sich wie die Krassesten, Hottesten fühlen, aber nur wenn sie Rusko Star annehmen. Es gibt viel zwischenmenschlichen Diskurs, und das ist das wichtigste.

Wenn Germany also wieder hot ist, hören Sie auf?

Wenn ich erreicht habe, was ich erreichen will und mir mein Gefühl sagt, es reicht, höre ich auf. Dann ist das Projekt abgeschlossen. Ich möchte, das sich etwas ändert: #MakeGermanyHotAgain.