Insta-Watchlist: Pascal Möhlmann

"Ich male, was jetzt ist"

In der "Insta-Watchlist" stellen wir Künstler vor, die uns auf Instagram aufgefallen sind. Der Maler Pascal Möhlmann verehrt Van Dyck und kollaboriert mit Virgil Abloh. Seinen Stil nennt er "Neue Schönheit" mit Punk-Rock-Attitüde

Pascal Möhlmann, in ihrer Bio auf Instagram steht kurz und knapp "Neue Schönheit". Was verstehen Sie darunter?

Ganz kindisch habe ich mit Daniel Herman, einem befreundeten Künstler unter diesem Namen eine Künstlergruppe gegründet. Irgendwann einmal hatte ich ihn gefragt: "Was malst Du denn?" Er zögerte, war peinlich berührt und sagte: "Im Moment male ich Blumen." Er wisse, das gehe gar nicht, erklärte er mir, Blumen aber finde er schön. Er entschuldigte sich dafür, weil er etwas malt, das ihn berührt und er es für sich haben möchte. Im Gespräch kamen wir darauf, dass wir beide uns immer von der Schönheit verführen haben lassen. Wobei wir Schönheit in einem weiten Sinne verstehen und in Gegenständen (auch oder vor allem den alltäglichen), Stimmungen, Kompositionen, Farben und so weiter finden. Mit einer Punk-Rock-Attitüde haben wir ein Statement daraus gemacht.

Werden Sie heute auf Instagram besser verstanden als damals an der Akademie?

Wenn ja, dann auch nur, weil fast alle auf Instagram sind. Das Publikum ist größer, deshalb ist auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass von einigen Leuten meine Arbeit verstanden wird.

Warum malen Sie?

Ich male, um etwas für mich festzuhalten und damit zu haben. Ich male, was jetzt ist. Ich liebe es, zu malen. Während ich male, versuche ich Dinge zu verstehen. Wenn ich zum Beispiel einen Arm male, möchte ich den Arm begreifen und spüren. Manchmal klappt das in drei Minuten, manchmal brauche ich drei Stunden.

Sie arbeiten mit Modellen im Atelier?

Genau. Früher habe ich darauf bestanden, alles live im Atelier zu malen. Da ich viele Porträts und hier und da auch Auftragsarbeiten male, musste ich irgendwann anfangen, mit Fotos zu arbeiten, da nicht alle Auftraggeber Zeit haben, Stunden im Atelier Modell zu sitzen.

Sie malen kaum männliche Akte. Warum?

Ich schäme mich fast ein bisschen für meine Antwort. So richtig habe ich mir darüber nämlich nie Gedanken gemacht, das hat sich so ergeben.


Der Vorwurf Sexismus kocht bei Ihnen auf Instagram immer wieder hoch. Werden Sie beschimpft?

Beschimpft werde ich nicht. Aber ja, mir wird gesagt, dass ich ein typischer männlicher Künstler und on top ein typischer weißer männlicher Künstler sei. Die Frauen in meinen Gemälden sind immer schlank und rasiert. Das ist aber keine Strategie von mir. Meine Modelle sind meist meine Ex-Frau und meine Freundin, beide sind schlank. Instagram hat in letzter Zeit immer wieder Bilder von mir gelöscht. Darunter sind auch Gemälde, die ich selbst mit weißen Balken zensiert habe. Man sollte ja davon ausgehen, dass Malerei problemlos als Kunst erkannt wird. Viele Menschen feiern natürlich auch meine Kunst auf Instagram. Die werden aber meist nicht so laut wie die Empörten, das Negative bleibt leider mehr hängen.


Welche Bilder werden gelöscht? Ich erinnere mich an einen naturalistisch gemalten Dildo, der nicht mehr auf ihrem Account zu sehen ist.

Oh, ja! Das Bild habe ich selbst gelöscht, weil die homophoben Reaktionen so heftig waren und ich so viele Follower verloren habe. Ein Bild mit Sexszenen, das jedes Mal gelöscht wird, wenn ich es poste, ist "Bang Bang" aus dem Jahr 2006. Darin stelle ich zwei Facetten des Menschen gegenüber: das Tierische und das Intellektuelle. Menschen haben Sex und prügeln sich, der Boden ist übersät mit kulturellen Zeugnissen. Im Bild nimmt niemand wahr, was alles am Boden liegt. Den Betrachtern des Bildes geht es offenbar nicht anders.

Sie sind stilistisch sehr stark von den Alten Meistern beeinflusst. Bei Ihren Bischofsporträts denkt man unweigerlich an Tizian.

Das stimmt. Mein großer Held seit Jahrzehnten ist Van Dyck. Vor allem sein späterer Malstil haut mich jedes Mal um, weil er alles so mühelos erscheinen lässt. Das gilt natürlich aber auch für ganz viele andere Künstler wie Velázquez, El Greco, Manet und Neo Rauch. Wenn ich in einem Museum bin, stelle ich mich direkt vor die Gemälde und schaue mir jeden Zentimeter genau an. Ich versuche dann etwa zu verstehen, wie der Vorder- und der Hintergrund zusammenkommen. Ich habe von den alten Meistern eine Sprache gelernt, die es mir ermöglicht, mich auszudrücken. Ich bin noch lange nicht angekommen und suche weiter, wie sich diese Sprache verändern lässt. Seit einigen Jahren merke ich, dass ich mich immer weniger mit dem technischen Aspekt des Malens beschäftige, sondern eher intuitiv und schnell darauf los pinsele.


Haben Sie den Eindruck, dass Malerei wieder mehr Beachtung findet?

Absolut. Das aber nicht nur im Kunstbetrieb, sondern auch in der Modewelt und in der Popkultur. Virgil Abloh, mit dem ich eine Kollektion gemacht habe, ist ein gutes Beispiel. Ich habe mich mit ihm darüber unterhalten, warum er Mode und Kunst verbindet. Dahinter steckt ein erzieherischer Gedanke. Kids, die nie das Gefühl hatten, Kunst sei auch für sie gemacht, bringt Virgil Alte Meister wie Caravaggio nahe, ohne viele Worte darüber verlieren zu müssen. Er nimmt einfach einen Hoodie und packt piratenmäßig die Grablegung von Caravaggio darauf. Und plötzlich denken alle, das sei cooler shit. Vom Hoodie aus kann es weitergehen. Da wird dann vielleicht gegoogelt, wer Caravaggio war und was es mit dem Gemälde auf sich hat.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Virgil Abloh?

Er wurde über Instagram auf mich aufmerksam und hat sich bei mir gemeldet. Wir haben die Nummern ausgetauscht und uns viel über WhatsApp unterhalten.


Haben Sie gemeinsam am Motiv für die Kollektion gearbeitet?

Ja, es ging hin und her mit den Ideen. Er hat mir ein Bild geschickt, das ihm von mir besonders gut gefallen hat und sagte, etwas in diese Richtung würde passen mit dem ein oder anderen Hinweis auf Off-White. Er hat mir Schuhe und Accessoires wie einen Gürtel geschickt, von mir bekam er ein Bild von einer Statue, "Der Raub von Proserpina" von Bernini. Innerhalb von wenigen Minuten hat er mir geschrieben, dass das eines seiner all time favorite artworks sei.

Wie waren die Reaktionen auf die Kollektion?

Die Kollektion wird erst im der kommende Fall/Winter Saison in den Läden sein. Die Show in Paris Anfang des Jahres wurde sehr gelobt.  

Sie waren Anfang des Jahres in Paris zur Modenschau? Was kommt als Nächstes von Ihnen und Virgil Abloh?

Mehr Ölbilder, aber was und wie genau ist noch geheim. Die Idee war von Anfang an, die Zusammenarbeit weiter laufen zu lassen.