Margaret Murphy, sehen Sie sich selbst als feministische Künstlerin?
Ja, ich bin eine feministische Künstlerin, da ich mich in meiner Fotografie mit Fragen befasse, die relevant für Frauen sind. Themen wie Empowerment, Schönheitsideale und Sexualität versus Sexualisierung beschäftigen mich. Meine Arbeit ist so facettenreich, wie die Erfahrung, als Frau zu leben.
Feministische Netzkünstlerinnen werden gerne mal kritisiert, weil ihre Themen als nicht so dringlich wahrgenommen werden für die Gesellschaft wie die der Generationen davor. Da heißt es dann, es ginge nur um Selbstdarstellung, Aufmerksamkeit, Schönheitsideale und das Spiel mit dem männlichen Blick.
Für mich ist wichtig, daran zu denken, dass wie auch immer ich wahrgenommen werde, einfach damit zu tun hat, dass ich eine Frau bin. Als Frau stehe ich ständig unter Beobachtung. John Berger hat in "Ways of Seeing" darüber geschrieben. Wenn ich den Blick in meiner Arbeit auf mich selbst richte, habe ich das Gefühl, Kontrolle darüber zu haben, wie ich gesehen werde. Ich möchte nicht auf Make-up verzichten oder darauf, schön auszusehen, nur weil das irgendwann einmal eine Forderung von Feministinnen war. Ich mag es, mich attraktiv und schön zu fühlen.
Wie sind die Reaktionen auf Ihre Fotos?
Ich bekomme sehr viele Nachrichten von Frauen, weil sie inspirierend finden, was ich mache. Sie erzählen mir, dass sie mit ihrem Körper unzufrieden seien und es ihnen helfe, wenn sie sehen, dass ich meinen Körper akzeptiere und feiere. Natürlich bekomme ich auch Aufmerksamkeit von Männern, was gar nicht mein Ziel ist. Immerhin fühlt es sich nicht an wie catcalling auf der Straße. Wieso sollte es aber im Internet anders sein als im Supermarkt, wo Männer Frauen auch auf den Arsch schauen? Kommentare kommen immer, wenn man als Frau durch die Welt geht.
Im Internet können Sie Menschen blockieren, die Sie nerven oder sexuell belästigen. Das geht auf der Straße nicht, da gibt es kein Entkommen.
Das stimmt. Im Internet ist es tatsächlich sicherer. Ich bin trotzdem sehr vorsichtig und achte darauf, welche Informationen ich von mir online teile. Offline bin ich anders vorsichtig. Ich gehe beispielsweise nicht nachts spazieren und trage immer Pfefferspray bei mir.
Wann haben Sie mit Ihrer Serie begonnen? Gab es einen Anlass dafür?
Seit 15 Jahren bin ich online, das ist mehr als die Hälfte meines Lebens. Ich fotografiere mich also schon sehr lange selbst, da das dazugehört, wenn man in den sozialen Medien unterwegs ist. Ich habe das aber nie als eine künstlerische Arbeit gesehen. Letzten Sommer kam mir der Gedanke, dass ich mit den Bildern mehr machen könne. Was ist ein gutes Bild? Mit dieser Frage beschäftigt man sich normalerweise. Als ich aber anfing, die Selfies künstlerisch zu bewerten, interessierte mich, wie sie sich in etwas verwandelten, das über ihren beabsichtigten Zweck hinausging. Die Bilder sagten mehr über mich, als jedes gute Bild, das ich zuvor gemacht hatte. Warum muss zwischen den Fotos, die ich für meine Online-Präsenz mache, und meiner Kunst unterschieden werden? Die Selfies sind für mich mittlerweile die besseren Bilder, weil sie wegen meiner künstlerischen Unsicherheiten völlig ungehemmt daherkommen. Ich dachte nicht darüber nach, ob ein Bild gut komponiert oder gut beleuchtet ist. In meiner Klasse an der Hartford Art School habe ich hilfreiches Feedback bekommen.
Was sagen Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen?
Es kamen viele Fragen. Ob ich die Fotos mit dem Smartphone mache. Oder ob ich die Bilder mit Photoshop bearbeite. Und ja, einige der Fotos habe ich mit einem Smartphone gemacht. Das Smartphone ist oft Teil der Komposition. Einige der Kommilitonen haben mich gefragt, was meine Fotos von denen unterscheidet, die Frauen sonst von sich auf Instagram teilen. Warum sind meine Fotos Kunst und nicht einfach nur Selfies? Einen Unterschied gibt es nicht. Und dann sagten einige, dass sie die Fotos am stärksten finden, die mich ungeschminkt zeigen. Das sehe ich nicht so. Ich finde die Bilder am stärksten, für die ich mich zurecht gemacht habe, da hier mehr Kraft von mir selbst ausgeht. Ältere Menschen, die nicht so präsent in den sozialen Medien sind, verstehen den Drang nicht, sich selbst so genau unter die Lupe nehmen zu wollen. Das Feedback ist hilfreich für mich. Ich möchte niemanden abschrecken, aber es ist okay für mich, wenn das passiert. Irritiert hat mich, dass jemand gesagt hat, es sei mutig von mir, solche Fotos zu machen.
Warum?
Ich nehme an, gemeint war, dass ich nicht den klassischen Schönheitsidealen entspreche. Körper wie meinen sieht man nicht sehr oft in Magazinen. Das hat sich mittlerweile etwas geändert. Ich habe einfach einen Körper. Ich schäme mich nicht für meinen Körper.
Die deutsche Autorin Sophie Passmann hat gerade darüber geschrieben, dass man als Frau immerzu gesagt bekommt, wie man sich mit seinem Körper zu fühlen hat. Statt also ständig über "Body Positivity" zu sprechen, würde sie es gut finden, wenn man es bei "Body Neutrality" belässt. Ein Körper ist einfach da und macht seinen Job. Das müsse reichen. Wie stehen Sie zu dieser Debatte?
"Body Neutrality" führt uns in die Richtung, in die wir als Gesellschaft gehen müssen. Ich fühle mich mit meinem Körper erst gut, nachdem ich zu viel Zeit mit negativen Gefühlen verbracht habe. Körperneutralität ist für mich der Ruhezustand, aber ich lasse auch Momente der "Body Positivity" zu.
Einige der Bilder wirken sehr privat, als hätten sie diese für sich selbst gemacht. Es fühlt sich an, als würde man sich ihr privates Fotoalbum ansehen.
Ja, einige der Fotos habe ich tatsächlich für Partner von mir gemacht. Es gibt diese Bilder. Vermutlich macht jeder solche Fotos. Ich möchte nicht so tun, als wäre das nicht der Fall.
Sind schon Bilder von Ihnen von Instagram gelöscht worden?
Das ist noch nicht passiert. Ich weiß, dass ich über ein Minenfeld laufe. Deshalb achte ich darauf, dass die entsprechenden Körperteile bedeckt sind. Ich zensiere mich also selbst.