Insta-Watchlist: Lydia Blakeley

"Schon an der Uni wurde mir gesagt, ich sei zu kommerziell"

In der "Insta-Watchlist" stellen wir Künstler vor, die uns auf Instagram aufgefallen sind. Die Britin Lydia Blakeley verwandelt bekannte Memes in Ölgemälde, die sie wiederum auf Instagram teilt

Lydia Blakeley, Sie suchen im Internet nach populären Memes mit Tieren und machen daraus Gemälde. Kann man Ihre künstlerische Praxis so auf den Punkt bringen?

Ja, es ist tatsächlich bizarr, wie meine künstlerische Praxis mit meiner Nutzung von sozialen Medien verschmolzen ist. Wenn ich durch ein soziales Netzwerk wie Twitter scrolle, lege ich Bilder in meinem Archiv ab, mit denen die Nutzer und Nutzerinnen häufig emotional auf die unterschiedlichsten Inhalte reagieren. Es kennen sicher alle das Meme mit dem Titel "Persian Cat Room Guardian". Als ich das Meme das erste Mal gesehen habe, dachte ich: "Oh Gott, genau so fühle ich mich!" So ist es auch, wenn Leute vor meinen Gemälden stehen: "Oh Gott, I feel you!" Die Pose der Katze fasst das Gefühl einer existenziellen Krise zusammen. Memes bringen universelle Gefühle zum Ausdruck und das mit Wegwerfbildern. Ich mache mit meinen Gemälden daraus etwas Bleibendes.

Und Sie posten die Fotos von Ihren Gemälden auf Instagram, von wo aus sie sich wieder rasant verbreiten.

Ich liebe das Internet. Ich liebe Instagram. Ich liebe Prokrastination. Als ich vor meinem Abschluss stand, wurde daraus mehr. Ich war völlig ratlos, was meine Abschlussarbeit anbetraf. Drei bis vier Monate vor der Ausstellung hatte ich immer noch keine Idee für eine Arbeit. Zum Glück gibt es genug Leute und Künstler im Internet, die einem die Angst nehmen. Der Künstler Brad Troemel ist einer davon. "Don’t panic!", dachte ich mir, Troemel sagte doch, man müsse zum Abschluss noch nicht alles wissen und vielleicht ist man nie so weit. Ich steckte mitten in einer Krise. Da kam mir die Katze aus dem Meme in den Sinn. Ich ging also ins Studio, malte die Katze aus verschiedenen Perspektiven und postete die Fotos von meinem Gemälde auf Instagram. Die Bilder gingen sofort viral. Damit hatte ich nicht gerechnet.

So bin ich auf Sie aufmerksam geworden.

Ja, die Bilder haben sehr viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wir stellen uns alle die gleichen Fragen: Was ist nur in meinem Leben los? Was geht da in der Welt vor sich? Warum bin ich überhaupt hier? Was ist der Sinn des Lebens?

Achten Sie darauf, dass Sie sehr bekannte Memes malen oder geht es hauptsächlich darum, dass man sich in den Bildern mit seinen Gefühlen wiederfindet?

Gefühle sind sehr wichtig, ja. Aber es müssen auch ikonische Bilder sein, wie der vermeintlich traurig auf einer Parkbank sitzende Keanu Reeves. Die Bilder entwickeln ein Eigenleben im Netz. Was wissen wir schon, warum Keanu Reeves auf dieser Bank saß? Wir kennen einfach alle diese Momente, in denen sich alles seltsam oder furchteinflößend anfühlt und wir uns einsam fühlen. Reeves war vermutlich nicht einmal traurig, als er auf der Bank saß.

Sie haben sicher ein riesiges Archiv an Bildmaterial.

Ja, ich würde es ein organisiertes Chaos nennen. Ich speichere ununterbrochen Bilder ab und lege sie in Ordnern nach Projekten ab. Ich habe Ordner über Ordner über Ordner, die ich immer mal wieder durchgehe. Wie viele Bilder ich mittlerweile gesammelt habe, das weiß ich gar nicht.

Und nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welches der vielen Bilder Sie malen?

Ich habe zwar sehr viele Bilder, ich habe aber auch einen Ordner mit Favoriten. In diesen Ordner kommen Bilder, die mit Roland Barthes gesprochen ein Punctum haben. Also, etwas Zufälliges im Bild, das mich trifft. Wenn ich mir die Bilder anschaue, sehe ich manchmal etwas und denke mir: "Oh mein Gott, daraus muss ich etwas machen!" Ich gehe aber auch regelmäßig zurück an den Anfang meiner Camera Roll und schaue, ob mich jetzt ein Bild berührt, das mich vor einem Jahr kalt gelassen hat. Oft ist es einfach ein Bauchgefühl.



Zuletzt haben Sie tatsächlich ein Meme gemalt und gepostet. Das erinnert mich an Apps, mit denen man aus einem Selfie ein expressionistisches oder pointillistisches Gemälde machen kann. Haben Sie jemals daran gedacht, einfach eine App zu entwickeln und den Malprozess abzugeben?

Gute Idee! Jetzt müsste noch jemand die App entwickeln. (lacht) Ich glaube, der Malprozess ist wichtig, für den ich als Künstlerin stehe. Malerei ist ein sehr langsames Medium. Die Materialität ist auch wichtig. Malerei ist ein Kampf. Wenn man diesen Arbeitsprozess nicht durchlebt, verliert man die Opposition zum Digitalen, die für den Erfolg meiner Gemälde verantwortlich ist. Das Meme mit den beiden Hunden und dem Text ist übrigens etwas, das ich zum ersten Mal ausprobiert habe. Ich habe sehr viele Hunde gemalt und irgendwann kamen Kommentare wie: "Okay, Du malst Hunde!" Mit dem Text im Bild wird ersichtlich, dass es um ein Meme und nicht nur um cute Hunde geht.

Ihre Hunde sind gerade als Künstlerkollektion beim Label Acne gedroppt worden. Sie machen aus Memes Gemälde und arbeiten schon kurz nach dem Abschluss Ihres Studiums mit einem großen Modelabel. Haben Sie Angst, dass der Vorwurf des Ausverkaufs kommt?

Als ich noch an der Uni war, hatte ich einen Italian Greyhound mit einem Mann im Hintergrund gemalt. Und eine andere Hundeserie ist für eine Ausstellung bei Steve Turner entstanden. Mich hat die Performance von Hund und Herrchen bei Dog Shows fasziniert. Und dann sind Hunde natürlich Tiere, die fast jeder liebt. Irgendwann einmal war ich in der National Gallery in London und habe mich dabei ertappt, dass ich einfach nur Fotos von Hunden in den historischen Gemälden gemacht habe. Ich folge also einer Tradition mit meinen Hunden. Aber ja, mein letztes Jahr war verrückt. Meinen Abschluss habe ich erst letzten September gemacht. Einige andere Künstler und Künstlerinnen denken sicher, dass Instagram keine gute Wahl ist, um dort immer direkt neu entstandene Arbeiten zu teilen, so wie ich das mache. Und natürlich muss man Kunst im Original sehen. Aber das ist nicht jedem möglich, es kann nicht jeder meine Ausstellungen sehen oder in mein Studio kommen. Wenn ich in meinem Studio vor mich hinarbeite, findet mich niemand. Ich sage lieber: "Hallo Leute, hier bin ich!" Über Instagram erreiche ich ein neues Publikum. Schon an der Uni habe ich von meinen Kommilitonen gehört, ich sei zu kommerziell aufgestellt. Ich denke mir einfach: "Egal, ich mache das so! Kommt damit klar!" Um weiter Kunst machen zu können, muss ich meine Kunst verkaufen.

Haben Sie einen Rat für junge Künstlerinnen und Künstler?

Ich gebe zwar oft Ratschläge, folge aber niemals meinen eigenen Ratschlägen. Ich bekomme selbst von vielen Menschen Ratschläge, die sich oft widersprechen. Es ist immer gut, dem eigenen Bauchgefühl zu folgen und sich Zeit zu nehmen, nachzudenken. Mein Rat ist, soziale Medien zu nutzen, um die eigene Arbeit in die Welt zu tragen. Schauen Sie sich Künstler und Künstlerinnen auf Instagram an, zu denen Sie aufschauen und überlegen Sie, welche Strategien Sie übernehmen könnten.