Dies gaben die Verantwortlichen der weltweit wichtigsten Schau für zeitgenössische Kunst am Freitag in Kassel bekannt. Das Kollektiv Ruangrupa, das 2010 in Jakarta gegründet wurde und das aus einem festen Kern aus 10 Künstlern besteht, tritt damit die Nachfolge von Adam Szymczyk an, der die Documenta 14 vor zwei Jahren künstlerisch verantwortete. Es können aber noch mehr Künstler an dem Kollektiv beteiligt sein. Insgesamt gehören zu dem Kollektiv rund 80 Menschen - von Journalisten über Architekten bis zu Videokünstlern.
Farid Rakun und Ade Darmawan, die Ruangrupa in Kassel vertraten, formulieren ihren dezidiert partizipativen kuratorischen Anspruch für die Weltkunstausstellung 2022: "Wir wollen eine global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform schaffen, die über die 100 Tage der Documenta 15 hinaus wirksam bleibt."
"Wir ernennen ruangrupa, weil sie nachweislich in der Lage sind, vielfältige Zielgruppen - auch solche, die über ein reines Kunstpublikum hinausgehen - anzusprechen und lokales Engagement und Beteiligung herauszufordern", heißt es in der Begründung der Findungskommission. Ruangrupa könne aus dem Indonesischen mit "Raum der Kunst" oder «Raum-Form» übersetzt werden. Netzwerk, Gemeinschaft und Partizipation sind Schlagworte, die immer wieder im Zusammenhang mit der Gruppe fallen.
Ihren kuratorischen Ansatz beschreibt das Kollektiv als ein "anders geartetes, gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung – ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen. Wenn die Documenta 1955 antrat, um Wunden des Krieges zu heilen, warum sollten wir nicht versuchen, mit der Documenta 15 das Augenmerk auf heutige Verletzungen zu richten. Insbesondere solche, die ihren Ausgang im Kolonialismus, im Kapitalismus oder in patriarchalen Strukturen haben. Diesen möchten wir partnerschaftliche Modelle gegenüberstellen, die eine andere Sicht auf die Weltermöglichen."
Das Kollektiv war unter anderem an der Gwangju Biennale (2002 und 2018), der Istanbul Biennale (2005), der Asia Pacific Triennial of Contemporary Art (Brisbane, 2012), der Singapore Biennale (2011) und der São Paulo Biennale (2014) beteiligt. 2016 kuratierte Ruangrupa "TRANSaction: Sonsbeek"in Arnheim, Niederlande.
Adam Szymczyk war mit seiner Documenta 14 künstlerisch wie wirtschaftlich in die Kritik geraten: Mit ihren erstmals zwei Standorten in Kassel und Athen kam die documenta 14 auf ein Defizit von 7,6 Millionen Euro und stürzte darüber in eine Krise. Auch künstlerisch wurde das Konzept unter anderem als zu didaktisch und schwer verständlich kritisiert. Es kamen aber mit mehr als einer Million Besucher so viele Menschen wie noch nie zu der Schau.
Die Documenta hat sich seit ihrer ersten Ausgabe 1955 mit stetig steigenden Besucherzahlen zur weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst entwickelt. Eine ähnliche Größenordnung erreicht nur noch die Biennale von Venedig. Seit 1972 findet die Schau im Fünf-Jahres-Rhythmus statt. Die Documenta 15 ist vom 18. Juni bis 25. September 2022 in Kassel geplant.