Für viele Besucher der Documenta 13 im Sommer 2012 war die Arbeit „Leaves of Grass“ des kanadischen Künstlers Geoffrey Farmer das Lieblingskunstwerk. Farmer, Jahrgang 1967, hatte in der Neuen Galerie ein 40 Meter langes Tableau präsentiert, das aus mehr als 16.000 Fotos bestand, die er Ausgaben des amerikanischen "Life"-Magazines entnommen hatte. Jedes Bild, egal ob es einen Hollywood-Star, einen Politiker, ein Tier oder bloß ein Produkt darstellte, war auf einen Grashalm montiert und wippte, einer medialen Präriewiese gleich, gemeinsam mit den anderen im Luftstrom der Besucher vor sich hin.
Mit seiner ersten deutschen Einzelausstellung ist Geoffrey Farmer jetzt im Hamburger Kunstverein zu sehen. Für „Let’s Make the Water Turn Black“, so der Titel der Schau, hat er die rund 1.000 Quadratmeter große Ausstellungshalle im ersten Stock von allen Zwischenwänden befreit und komplett abgedunkelt.
Ein nur wenige Zentimeter hoher Sockel mäandert durch den Raum. Darauf versammelt sind etliche Dutzend skurriler Objekte: künstliche Felsen, ein liegender Saurierhals, eine riesige Muschel voller bunter Glühbirnen, Riesenkürbisse, Eimer, Fässer, Zeitungsstapel, an Vogelscheuchen oder indianische Totems erinnernde Stangen mit menschlichen Gesichtern daran und Unzähliges mehr. Stereotype amerikanischer Alltags- und Popkultur treffen auf Versatzstücke europäischer Kunstgeschichte von Jean Tinguely bis Franz West. Tröten, Lautsprecher und Perkussionsinstrumente sorgen für abwechslungsreiche Beschallung.
Farmer zeigt ein animiertes Maschinentheater, in dem Löwenköpfe aus gefaktem Stein plötzlich auseinanderklappen und zu sprechen beginnen, ein Spazierstock zu tanzen anfängt, ein Plastikkaktus sich krümmt und windet oder Vogelfedern kreisende Bewegungen vollführen. Eine Kakophonie aus Klingeltönen, Tropfgeräuschen, Gongs, Glocken, Hupen, Sirenen, diversen Musikinstrumenten, Konzertausschnitten, Mitschnitten amerikanischer Radioshows, Spoken Word Performances, Theorieexkursen und anderer Soundelemente hält den Betrachter auf Trab.
John Cages minimalistische Kompositionen treffen da auf Texte der Punkpoetin Kathy Acker. Mal passiert hier etwas, mal dort. Mal geht sekundenlang das Licht aus. Es gibt stille und poetische Momente. Dann wieder kommt es zu überbordenden, nahezu stressigen Phasen, die sensiblen Besuchern einiges abverlangen. Ausgangspunkt des Parcours ist das Leben des experimentierfreudigen und äußerst innovativen amerikanischen Komponisten und Rockmusikers Frank Zappa (1940-1993).
Jede Stunde der Choreografie entspricht einem Jahrzehnt in Zappas Leben. Farmer hat für seine Arbeit eine mehrstündige Partitur komponiert, die bei Öffnung des Kunstvereins mit Zappas Geburt startet und pünktlich um 18 Uhr mit seinem Tod endet. Was zwischendurch passiert, ist zwar grob festgelegt. Der computergesteuerte Ablauf wird aber durch Algorithmen immer wieder kräftig durcheinandergewirbelt.
Farmer, der in Kalifornien studiert und sich bereits früh mit den Performances von Mike Kelley beschäftigt hat, in welchen neben einer Vielzahl von Gegenständen aber immer auch der verkleidete Künstler selbst eine Rolle spielt, geht einen entscheidenden Schritt weiter. Er schafft performative Settings und Situationen, in welchen der menschliche Performer nicht länger benötigt wird. Farmers bildgewaltige High-&-Low-Installation, die einer Mischung aus Geisterbahn, japanischem Kabukitheater, Vaudeville-Show und hoch komplexer Text-, Bild- und Soundcollage gleichkommt, dürfte niemanden gleichgültig lassen. Selten war in den letzten Jahren im Hamburger Kunstverein eine Ausstellung zu sehen, die den Besucher derart absorbiert und in Bann gehalten hat. Der frisch aus Wien nach Hamburg gekommenen neuen Direktorin, Bettina Steinbrügge, ist mit ihrer ersten Ausstellung ein Einstand gelungen, der die Erwartungen an ihr weiteres Programm auf jeden Fall sehr hoch geschraubt hat.
Kunstverein in Hamburg, bis 11. Mai 2014
Mit seiner ersten deutschen Einzelausstellung ist Geoffrey Farmer jetzt im Hamburger Kunstverein zu sehen. Für „Let’s Make the Water Turn Black“, so der Titel der Schau, hat er die rund 1.000 Quadratmeter große Ausstellungshalle im ersten Stock von allen Zwischenwänden befreit und komplett abgedunkelt.
Ein nur wenige Zentimeter hoher Sockel mäandert durch den Raum. Darauf versammelt sind etliche Dutzend skurriler Objekte: künstliche Felsen, ein liegender Saurierhals, eine riesige Muschel voller bunter Glühbirnen, Riesenkürbisse, Eimer, Fässer, Zeitungsstapel, an Vogelscheuchen oder indianische Totems erinnernde Stangen mit menschlichen Gesichtern daran und Unzähliges mehr. Stereotype amerikanischer Alltags- und Popkultur treffen auf Versatzstücke europäischer Kunstgeschichte von Jean Tinguely bis Franz West. Tröten, Lautsprecher und Perkussionsinstrumente sorgen für abwechslungsreiche Beschallung.
Farmer zeigt ein animiertes Maschinentheater, in dem Löwenköpfe aus gefaktem Stein plötzlich auseinanderklappen und zu sprechen beginnen, ein Spazierstock zu tanzen anfängt, ein Plastikkaktus sich krümmt und windet oder Vogelfedern kreisende Bewegungen vollführen. Eine Kakophonie aus Klingeltönen, Tropfgeräuschen, Gongs, Glocken, Hupen, Sirenen, diversen Musikinstrumenten, Konzertausschnitten, Mitschnitten amerikanischer Radioshows, Spoken Word Performances, Theorieexkursen und anderer Soundelemente hält den Betrachter auf Trab.
John Cages minimalistische Kompositionen treffen da auf Texte der Punkpoetin Kathy Acker. Mal passiert hier etwas, mal dort. Mal geht sekundenlang das Licht aus. Es gibt stille und poetische Momente. Dann wieder kommt es zu überbordenden, nahezu stressigen Phasen, die sensiblen Besuchern einiges abverlangen. Ausgangspunkt des Parcours ist das Leben des experimentierfreudigen und äußerst innovativen amerikanischen Komponisten und Rockmusikers Frank Zappa (1940-1993).
Jede Stunde der Choreografie entspricht einem Jahrzehnt in Zappas Leben. Farmer hat für seine Arbeit eine mehrstündige Partitur komponiert, die bei Öffnung des Kunstvereins mit Zappas Geburt startet und pünktlich um 18 Uhr mit seinem Tod endet. Was zwischendurch passiert, ist zwar grob festgelegt. Der computergesteuerte Ablauf wird aber durch Algorithmen immer wieder kräftig durcheinandergewirbelt.
Farmer, der in Kalifornien studiert und sich bereits früh mit den Performances von Mike Kelley beschäftigt hat, in welchen neben einer Vielzahl von Gegenständen aber immer auch der verkleidete Künstler selbst eine Rolle spielt, geht einen entscheidenden Schritt weiter. Er schafft performative Settings und Situationen, in welchen der menschliche Performer nicht länger benötigt wird. Farmers bildgewaltige High-&-Low-Installation, die einer Mischung aus Geisterbahn, japanischem Kabukitheater, Vaudeville-Show und hoch komplexer Text-, Bild- und Soundcollage gleichkommt, dürfte niemanden gleichgültig lassen. Selten war in den letzten Jahren im Hamburger Kunstverein eine Ausstellung zu sehen, die den Besucher derart absorbiert und in Bann gehalten hat. Der frisch aus Wien nach Hamburg gekommenen neuen Direktorin, Bettina Steinbrügge, ist mit ihrer ersten Ausstellung ein Einstand gelungen, der die Erwartungen an ihr weiteres Programm auf jeden Fall sehr hoch geschraubt hat.
Kunstverein in Hamburg, bis 11. Mai 2014