Henrike Naumann, in der Ausstellung "DDR Noir: Schichtwechsel" haben Sie Gemälde Ihres Großvaters Karl Heinz Jakob, zu DDR-Zeiten ein prominenter Maler, in Ihre eigenen Installationen aus Möbeln der Nachwendezeit gehängt. Warum diese Kombination?
Durch den Tod meiner Großmutter in diesem Jahr waren wir mit ihrem Nachlass beschäftigt. Sie hat diese Werke über die Jahre in ihrer Wohnung aufbewahrt. Ich wollte mich schon seit einiger Zeit mit der Malerei meines Großvaters und der Tätigkeit meiner Großmutter als Schaufensterdekorateurin bei der Handelsorganisation - einem staatlich geführten Einzelhandelsunternehmen in der DDR - und dem Einfluss ihrer künstlerischen Arbeit auf mein eigenes Schaffen auseinandersetzen. Ich wollte erproben, inwieweit meine Möbelinstallationen etwas mit der Kunsttradition der DDR zu tun haben könnten. Und ich wusste, das wird ein ästhetischer Clash. Das reizt mich mehr als alles andere.
Die Möbel, die Sie benutzen - wie würden Sie die beschreiben? Ist das der Kitsch der Konsumwelt der 90er?
Die Möbelästhetik, mit der ich arbeite, entspricht dem, was nach der DDR kam: merkwürdige Designs, billige Qualität. Objekte, die absolut in einer Gegenwart verhaftet sind, und sobald ihr Moment vorbei ist, als unerträglich hässlich empfunden werden. Sie stehen für mich für verschiedene Dinge: Teil der westlichen Welt zu werden, die Freiheit, konsumieren zu können, den Ausverkauf der DDR, die Haltlosigkeit in einer sich veränderten Welt.
Ihr Großvater ist 1997 gestorben. Was für Erinnerungen haben Sie an ihn?
Er hat immer geraucht. Immer. Deswegen ist er auch sehr früh gestorben. Ich habe mich oft in sein Atelier geschlichen und ihn um Zeichenpapier gebeten. Als ich dann aber meist Micky Maus gemalt habe, war er etwas konsterniert.
War er regimetreu?
Weiß nicht, ob ich diese Frage beantworten kann. Er war nicht in der Partei, soviel ist sicher. Er war im Verband Bildender Künstler der DDR, hatte Auslandsstipendien und hat Kunst am Bau gemacht. Er hat innerhalb des Kunstsystems DDR agiert und gut gelebt. Er hatte aber auch immer mal Stress, zum Beispiel als seine Bergarbeiterdarstellungen als nicht positiv genug kritisiert wurden.
Wie gefallen Ihnen seine Bilder heute?
Ich habe mir für die Ausstellung aus seinem Werk die herausgesucht, die mich am meisten interessieren und mir am meisten gefallen. Das sind die aus den späten 50ern und frühen 60ern, als er mit sehr bunten Farben gemalt hat. Als er die entstanden sind, war er so alt wie ich jetzt und an einem ähnlichen Punkt wie ich jetzt. Sie gefallen mir, weil sie mich daran erinnern, dass auch ich als Künstlerin mich in einem System bewege, zu dem ich mich permanent verhalten muss.
Was passierte mit Ihrem Großvater nach der Wende?
Zu DDR-Zeiten war er sehr respektiert, danach hat sich - über die lokale Kunstszene hinaus - keiner mehr so richtig für ihn interessiert. Nach der DDR gab es nur noch zwei Schubladen, regimetreu oder oppositionell. Ich möchte mit der Ausstellung dazu beitragen, die Dinge differenzierter und komplexer zu sehen.
Welchen Ort hat die Kunst der DDR in der heutigen Kunstszene? Und welchen sollte sie haben?
Es gehen viele davon aus, dass ab 1990 die Westkunstgeschichte auch meine Kunstgeschichte ist. Das ist aber nicht so einfach möglich für mich. Schon familiär hatte die Kunst der DDR einen Einfluss auf mich. Wenn ich das nun ins Große übertrage, so sollte auch die Kunstgeschichte der DDR Teil der gesamtdeutschen werden. Durch die Arbeit an der Ausstellung habe ich auch das erste mal sehr persönlich gemerkt, wie Kunst und Kunstgeschichte im Kalten Krieg zum Machtinstrument wurde - und es nach 1990 auch blieb.
Sie sind 1984 geboren, als Künstlerin orientieren Sie sich international. Wie wichtig ist die DDR heute noch für Sie?
Als ich mit meiner künstlerischen Arbeit anfing, wurde ich oft gefragt, warum ich mich mit einer Sache beschäftige, an die ich doch eigentlich gar keine Erinnerung habe und die doch wirklich schon aus, vorbei und abgehakt ist. Doch mittlerweile ist deutlich, dass mehrere Generationen DDR die Menschen geprägt haben. Und die Erfahrung, dass im Jahr 1990 von einem Tag auf den anderen alles vorbei, abgewickelt, widerlegt sein sollte, hat bei vielen Menschen eine Leerstelle hinterlassen. Ich bin froh, mit meiner Arbeit einen neuen Blick auf die "zuckende Leiche DDR", wie es der Künstler Wilhelm Klotzek mal in einem Gedicht fomulierte, werfen zu können.