Hat deine Smartwatch dein Stresslevel im Griff? Kann dein RoboAdvisor deine anxieties beruhigen? Wie viele TED-Talks hörst du morgens beim Joggen? Are you stronger than yesterday?
Diese und andere Fragen könnten von den Protagonistinnen und Protagonisten stammen, die in den Arbeiten von Stefan Panhans und Andrea Winkler in der Ausstellung "The Pow(d)er of I Am Klick Klick Klick Klick and a very very bad bad musical" im Hartware Medienkunstverein (HMKV) in Dortmund aufeinandertreffen. Ob Seriensternchen, Personal Assistant oder Game-Avatar, sie wollen nur eins: sich selbst verbessern und irgendwie erfolgreich sein. Deswegen lassen sie sich pausenlos von Apples Sprachassistentin Siri beraten, betreiben gleichzeitig Fitness und proben ihre Pitches. Eine Versammlung der Multitasker. Was sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung in Dortmund zieht, ist die Frage, wie sich das internalisierte Dogma der Selbstoptimierung auf Körper, Sprache und Psyche auswirkt. Panhans und Winkler leuchten dies in ihren Videoinstallationen, fotografischen und skulpturalen Arbeiten aus.
Die Figuren der vierteiligen Mini-Serie "Hostel" (2018), die sich in einem engen Zimmer zwischen den Doppelstockbetten versammeln, versuchen sich in der Entertainment- und Kulturindustrie durchzuschlagen. Ihr Motto: "I’m a survivor." Das Ziel: Hochmotiviert und emotional authentisch bleiben, während man dem nächsten Job hinterherjagt. Diese Anpassungsfähigkeit wird konzeptuell so weit getrieben, dass keiner der Personen am Ende einer bestimmten Rolle zugeordnet werden kann. Anstatt mit konsistenten Charakterzügen ausgestattet, scheinen sie von wechselnden Ego-Stadien heimgesucht zu werden. Ihre salvenartigen Schlagabtausche laufen nebeneinander auf zwei Monitoren ab. Sie wirken manisch und hyperaktiv, gleichzeitig überfordert und orientierungslos. Wie Mitspielerinnen in einer Gesellschaft der Singularitäten (Andreas Reckwitz), die um Alleinstellungsmerkmale kämpfen und es zugleich ertragen müssen, als Repräsentantinnen und Repräsentanten einer imaginierten Gruppe rassistisch oder sexistisch instrumentalisiert zu werden.
Ausstellungsraum zwischen Chill-Out-Area und Fitnesslandschaft
Dabei erinnert das Ausstellungssetting an eine Mischung aus Chill-Out-Area und Fitnesslandschaft. Zwischen Gymnastikbällen und Sportmatten kann man auf großen Flatscreens beobachten, wie sich das Schauspiel in die Höhe schraubt. Die überzeichneten Gesten und Phrasen wirken in ihrer Präzision komisch und zugleich tragisch. Zuweilen kommt einem vieles irritierend bekannt vor. Hatte man ähnliche Stimmen nicht selber schon einmal im Kopf?
In diese Richtung zielt auch die neu produzierte Arbeit "Defender" (2021). Drei Frauen, bekleidet in Hoodies, High Waist Jeans und Baseball Caps, stranden in einer Tiefgarage. Dort finden sie einen mit Tarnkleidung eingehüllten SUV vor, der sodann zum Mittelpunkt ihrer Performance wird. Innerhalb der nächsten 30 Minuten entfaltet sich ein “post-industrielles Anti-Musical”, das die Rhetorik neoliberaler Megachurch-Prediger ad absurdum führt. Die von Anne Ratte-Polle, Lisa-Marie Janke und Olivia Hyunsin Kim performten Texte sind eine Collage aus Werbespots, Popsongs und Selbsthilfe-Affirmationen. Gesangseinlagen und Phasen körperlicher Erschöpfung wechseln sich ab. Sie kreisen um den unheimlichen Geländewagen, bis sich das Spektakel in ein kaleidoskopisches Delirium auflöst.
Körper reiben sich an ihrem Umfeld, Energie entweicht in den Raum mit einer Tendenz zu Informationsverlust und Unordnung. Auch die Videoinstallation "Freeroam À Rebours, Mod#I.1" (2017/2021) folgt dieser entropischen Dynamik. Panhans und Winkler untersuchen hier die Darstellungen von Game-Avataren, die in fehlerhaften Bewegungsabläufen gefangen sind oder ziellos herumirren. Diese mal rastlosen, mal apathischen Wiederholungsschleifen werden von realen und virtuellen Performerinnen und Performern nachgestellt. Der Zusammenschnitt von Aufnahmen aus Game- und Bühnenraum lässt beide Welten im Video miteinander verschwimmen.
Gefangen in den Feedbackloops
Mit "If You Tell Me When Your Birthday Is (Machinima Version)" von 2020 verlagern Panhans und Winkler das Geschehen schließlich vollständig ins Virtuelle. Die Arbeit verhandelt die Rückkopplungseffekte zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteurinnen, genauer, zwischen Usern und künstlichen Intelligenzen. In einer surrealen Landschaft treffen zwei Cowboy-Avatare aufeinander. Sie führen eine skurrile Unterhaltung über Anlagestrategien, Stresssymptome und Angst vor Altersarmut, ein Dialog, der auf einem Frage-Antwort Spiel von Künstlerin und Künstler mit verschiedenen Chatbots beruht.
Auch der Ausstellungsraum verweist auf die Durchdringung der Welten. Im HMKV werden die Videoarbeiten installativ erweitert. Beim Besuch bewegt man sich zwischen Monitoren, Projektionen und Filmset-Requisiten hindurch. In einer Ecke findet man Absperrbänder und Sicherheitswesten, an anderer Stelle steigt man über Yogamatten und Terrabänder. Gaming-Sessel und Big Boys dienen als Sitzgelegenheiten. Das Display wird durch eine Wandbemalung aus fragmentierten Streifen in schwarz-weiß komplementiert, die an grafische Splittereffekte erinnert, wie sie an den Raumgrenzen virtueller Gaming-Welten auftreten.
Was in den insgesamt neun Arbeiten auf faszinierende Art und Weise durchdekliniert wird, sind die unterschiedlichen körperlich-gestischen, sprachlichen und affektiven Register unserer algorithmisierten und hyperkapitalisierten Gegenwart – mit all ihren Dissonanzen. Die Figuren sind Symptome und Produkte dieser Gegenwart, verkörperte Zeitgeister, die in auto-referenziellen Feedbackloops gefangen scheinen. In ihrer Welt sind sie stronger than yesterday und verloren in nothing but my way, and my way, and my way, and my way...