Damien Hirst ist längst mehr als ein weltberühmter Künstler, der Haie in Formaldehyd einlegt und Totenköpfe mit Diamanten dekoriert. Der 50-Jährige ist Multimillionär, vielfacher Haus- und Grundbesitzer, Gelegenheits-Stadtplaner, Publizist und Kunstsammler. Jetzt geht Hirst auch unter die Galeriebesitzer: Am Donnerstag eröffnet sein eigenes Ausstellungshaus in London, in dem er der Welt zeigen will, welche Kunstwerke er für sammelwürdig hält. Eintritt verlangt er dafür nicht.
Außen Backstein und ein zackiges Fabrikdach, innen hohe Decken, viel Licht und schlichte, weiße Wände. Das umgebaute Industriegebäud der Newport Street Gallery südlich der Themse nimmt mit rund 3500 Quadratmetern Ausstellungsfläche einen erheblichen Teil der Straße ein. Das zuständige Architekturbüro Caruso St John hat auch die Tate Britain am anderen Themseufer modernisiert und baut die neue Bremer Landesbank.
In seiner ersten Ausstellung ehrt Hirst den 2011 gestorbenen John Hoyland und dessen wenigstens in Großbritannien halbwegs bekannte und anerkannte, abstrakte Malerei. Ausgerechnet Hoyland? Der wetterte in den 90ern jedenfalls nicht zu knapp gegen Hirst und dessen Künstlergruppe der Young British Artists (YBA). Ob die Ausstellung gut ist oder nicht - darüber sind die Kritiker uneins: "eine Art Offenbarung", befindet die "Times", "Hirst setzt aufs falsche Pferd", lästert der "Guardian". Von Donnerstag an bis 3. April sind die Werke zu sehen.
Interessanter ist ohnehin die Frage, was Hirst bezweckt - schließlich soll er 25 Millionen Pfund (knapp 34 Mio Euro) ausgegeben haben, ohne jeden Zuschuss von Sponsoren oder der öffentlichen Hand. Selbst für jemanden, dessen Vermögen die "Sunday Times" auf 215 Millionen Pfund schätzt, ist das eine Menge Geld. "Ich glaube, Kunst sollte von so vielen Menschen wie möglich erlebt werden, und ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich Werke besitze, die in Kisten verstaut sind, wo sie keiner sehen kann", erklärt der Künstler.
Die "nächste Stufe im Plan zur Herrschaft über die Kunstwelt" nennt dagegen der "Telegraph" das Projekt. Dabei nimmt Hirst, der etwa mit Plänen für eine Öko-Siedlung mit 750 Häusern Schlagzeilen machte, sich selbst bislang bewusst zurück. Als vergangene Woche die Kunstkritiker durch sein jüngstes Bauprojekt schlenderten, ließ er sich nicht blicken. "Wir wollen uns auf die Ausstellung konzentrieren", zitiert "The Art Newspaper" Kurator Hugh Allan.
Das "Wall Street Journal" glaubt, dass Hirst, "ein früherer Superstar", mit der Galerie seine eigene Karriere wiederbeleben will und auch kann. Sammler und Händler setzten bereits darauf, dass die Preise für seine Werke mit dem Interesse an der Newport Street Gallery wieder stiegen. Einen Versuch, sein Vermächtnis zu retten, wittert auch die "Times" - fügt aber hinzu: "Im wirtschaftlichen Klima Großbritanniens verdient jeder, der sein eigenes Geld in eine kulturelle Einrichtung von hoher Qualität steckt und die Türen für die Öffentlichkeit öffnet, Applaus und Respekt."
Im Kuratieren hat Hirst schon früher Gespür bewiesen: 1988, noch als Student, organisierte er die Meilenstein-Ausstellung "Freeze" in London, die der Bewegung der YBA zum Durchbruch verhalf. Inzwischen hat der Künstler mehr als 3000 Werke von Kollegen gekauft, darunter Jeff Koons, Pablo Picasso, Francis Bacon, Tracey Emin und Banksy. Ob nun Eigennutz dahinter steckt oder nicht: Material für die Schauen hat er genug.