Hip-Hop-Ausstellung in Essen

Vom Bordstein zur Skyline

Hip-Hop hat nicht nur die Geschichte der Musik, sondern auch die Mode und die Kunst geprägt. Eine Ausstellung im Museum Folkwang zeigt nun neue Stücke aus der Sammlung: von legendären Musikerporträts bis zu Fan-Publikationen

Neues findet man meist im Untergrund – auch im Museum Folkwang. Zur aktuellen Ausstellung "Hip-Hop & Street Culture" geht es durch die Sammlung, vorbei an den Klassikern, hinunter ins Untergeschoss des Altbaus. Thomas Seelig, Leiter der Fotografischen Sammlung, nutzt die unteren Räume des Hauses, um Neuerwerbungen zu präsentieren und jungen Kunstschaffenden eine Plattform zu bieten. Also: Walk this way.

Gleich im ersten Raum geben zwei starke Porträts der Rap-Ikonen Notorious B.I.G. und Tupac Shakur den Ton an. Das hier ist ein Männer-Ding: cool, einsam, stark. Die Fotos entstanden Mitte der 1990er-Jahre – da ist Hip-Hop schon fast 20 Jahre alt und mehr Business als Underground. Die beiden Musiker sind Helden der Szene. Und Feinde: Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Ausschreitungen, ihre Plattenfirmen sind Rivalen, die sich um das große Geld streiten. Verantwortlich für die "Helden-Porträts" ist eine Frau: die niederländische Fotografin Dana Lixenberg. Beide Motive haben es auf das Cover des US-Magazins "Vibe" geschafft und gingen nach dem gewaltsamen Tod der Musiker "viral", wie man heute wohl sagen würde. 

Wie sich diese Bilder ihren Weg bahnten, das ist eine eigene spannende Geschichte. Ein Wandtableau, das Lixenberg 2018 gemeinsam mit der Gestalterin Linda van Deursen entworfen hat, widmet sich den vielfältigen Wegen der medialen Reproduktion ihres Werks: von Fanzine bis Tattoo, von den Simpsons bis zum Milchschaum auf dem Kaffee. Durch wechselnde Kontexte und Aneignungsformen werden sie zum Mainstream – und nun auch zu Recht Teil der Folkwang-Sammlung.

Als würde man Instagram ausdrucken

Hip-Hop und Street Culture: Es ist in großer Bogen für eine kleine Ausstellung. Doch mit nur sieben Werken gelingt es durchaus, die wesentlichen Aspekte zumindest exemplarisch zu benennen. Beispiel Mode: Der niederländische Konzeptkünstler Hans Eijkelboom fotografierte im Auftrag des Magazins "Fantastic Man". Gemeinsam mit Art Director und Stylist Imruh Asha inszenierte er Models in den Straßen von Amsterdam. Die zwölfteilige Serie von 2022 gehört ebenfalls zu den Neuerwerbungen und ist hier erstmals zu sehen. Es ist, als würde man Instagram ausdrucken, um in den bunten Bilderbögen vergleichende Studien zu betreiben.

Selbstinszenierung, die Straße und der besondere Blick auf den öffentlichen Raum – das sind auch Aspekte der Arbeiten von Beat Streuli, des französischen Profi-Skateboarders Paul Grund und des polnischen Fotografen Adam Lach, dessen Dokumentation einer Graffiti-Arbeit für die politische Dimension der Street Culture steht. Etwas Besonderes sind sicher die 50 Zines "50 Jahre Hip-Hop" des New Yorker Kollektivs Black Mass Publishing. Yusuf Hassan und Kwamé Sorrell haben den Verlag gegründet, um mehr Sichtbarkeit für Schwarze Künstlerinnen und Künstler zu schaffen. Jede Ausgabe widmet sich einer Person – und mit Lauryn Hill, Missy Elliott und Queen Latifah sind inzwischen auch Frauen Teil der Hip-Hop-Geschichte.

Die Zines sind auf dem Fotokopierer entstanden. Old School, aber eben auch eine Form der Autonomie und Reaktion auf die Macht der großen Verlage. Farbiges Papier, nur wenige Seiten, auf denen Lyrics, Fotos oder auch mal Noten sensibel kombiniert werden. Lasse Branding, Fotograf, Fan und kuratorische Assistenz der Ausstellung, hat diese Form des Samplings fasziniert: "Hip-Hop ist so laut, und die Zines sind so zart. Ich war sofort verliebt."

"Retro im besten Sinne"

Thomas Seelig kommentiert den Neuerwerb weniger leidenschaftlich, aber dennoch begeistert. Die Zines seien "Retro im besten Sinne", und man spüre die "Faszination für eine andere Form der Geschwindigkeit." Im MoMA stehen sie in der Bibliothek. Für Seelig gehören die Publikationen unbedingt in die fotografische Sammlung – ihm geht es "um verschiedene Zustände der Fotografie."

Für die Ausstellung wurde eine museale Präsentation in Vitrinen gewählt. Leider, denn man hätte gerne in den Zines geblättert. Und auch Seelig sagt: "In Zeiten von Instagram sind andere Formen und der Wunsch nach Materialität wieder im Trend. Wir wollen etwas in den Händen halten."

Ein Blick um die Ecke scheint das zu bestätigen. In den anderen Räumen im Untergeschoss zeigt das Museum parallel zu "Walk This Way" die sechs besten Abschlussarbeiten des Photography Masters 2024 der Folkwang Universität der Künste. Die Studierenden wechseln zwischen Techniken und Materialien, beschäftigen sich mit Fragen der Identität und race-bezogener Repräsentation und nutzen analoge Techniken. Tatsächlich gibt es auch eine Abschlussarbeit in Form einer Zeitung. Man darf gespannt sein, wie es im Untergrund weitergeht – und wer oder was es dann demnächst in die oberen Etagen schafft.