Die Vienna Contemporary hat ihren Osteuropa-Fokus unter der neuen Leitung Johanna Chromiks weiter geschärft. Elke Buhr verrät ihre Messe-Highlights und sagt, was man bei dem parallel laufenden Galeriefestival "Curated by" nicht verpassen sollte. Außerdem spricht die Monopol-Chefredakteurin bei Detektor.fm über den charmanten Schmäh österreichischer Kunst
Plan B
Die Viennacontemporary versteht sich traditionell als Brücke zu Osteuropa, und die neue künstlerische Leiterin Johanna Chromik hat diesen Fokus weiter ausgebaut. So zeigt die Galeria Plan B mit Horia Damian einen der großen Avantgardisten der rumänischen Moderne. Damian baute visionäre Architekturen und schuf plastische abstrakte Wandarbeiten, die selbst wie Treppen oder Fenster wirken. Seine Einzelpräsentation ist Teil der auch insgesamt sehr starken Sektion Explorations, kuratiert von Harald Krejci, in der zehn Galerien künstlerische Werke zeigen können, die zwischen 1945 und 1980 entstanden sind - der museale Teil der Messe.
Karsten Schubert & Exile
Eine tolle Entdeckung, ebenfalls in der Explorations-Sektion, ist die 1937 in Wien geborene britische Malerin Tess Jaray. Seit den 60er-Jahren überführt sie Muster und Elemente von Architektur, die sie sieht, in abstrakte Malereien mit extrem coolen grafischen Gitterstrukturen, die an Bridget Riley denken lassen. Jaray hat lange in London gelehrt, in Österreich ist ihr Werk noch nie gezeigt worden. Auf der Messe zeigt Exile alte Gemälde, in der sich Jaray passenderweise auf ein Detail des Stephansdoms bezieht. In den Galerieräumen in der Stadt wird die Präsentation mit neueren Arbeiten komplettiert.
Focus: "NSK State in Time"
Auch die Sonderausstellung der Messe bezieht sich auf Kunst aus Osteuropa. Gastland ist Slowenien, aber eigentlich gar kein Nationalstaat, denn es geht um den territoriumslosen "NSK State in Time", den die Bewegung der "Neuen Slowenischen Kunst" Anfang der 90er-Jahre als Reaktion auf den Jugoslawienkrieg ins Leben rief. Die Ausstellung kombiniert Werke der Mitbegründer IRWIN und Laibach mit Arbeiten einer jüngeren Generation, die sich ebenfalls mit transnationalen Gemeinschaften beschäftigen. Man kann sich auch einen Pass ausstellen lassen, um selbst ein Bürger des "NSK State in Time" zu werden. Mal schauen, über welche Grenzen man damit so kommt.
Thomas Geiger, Galerie Sperling
Die "Zone 1" mit den geförderten Kojen für Künstler und Künstlerinnen unter 40 fällt in Wien immer wieder durch einen intelligenten Humor auf. So hat Thomas Geiger, präsentiert von der Galerie Sperling, bei der Performance-Biennale im indischen Chandigarh - eine von Le Corbusier geplante Stadt - Besucher gebeten, wie "Great Europeans" auf historischen Denkmälern zu posieren. Seine Fotos zeigen die Ergebnisse: ein mittelalter Inder als nachdenkliche Marie Curie, eine junge Inderin in der triumphierenden Pose Churchills. So kann man mit Witz von Fremdheit und Aneignung erzählen und neue Bilder in die globalisierte Welt einspeisen.
Sophie Thun, Galerie Sophie Tappeiner
Sophie Thun teilt das Schicksal vieler junger Künstler und Künstlerinnen, die für erfolgreichere Kollegen jobben und sich deshalb häufig in Hotelzimmern irgendwo auf der Welt wiederfinden, wo sie Ausstellungen für andere aufbauen. Auf den fotografischen Collagen, die in diesen Hotels entstanden ist, posiert sie nackt, nur die Brille auf der Nase, mit herausforderndem Blick in die Kamera, oft in zweideutig sexuellen Posen in Interaktion mit ihrem verdoppelten Selbst. Eine lustig-trotzige Selbstbehauptung.
Julian Turner, Galerie Filiale
Julian Turner ist ein Meister der Kulisse, der sich die Welt baut, wie sie ihm gefällt. Den Stand der Galerie Filiale, kleine Schwester der Galerie Grässlin, hat er in das Mausoleum des jugoslawischen Diktators Tito umgebaut. Die Heizungsverkleidung ist Öl auf Leinwand, als Blumenvasen stehen nachgemalte Ketchupflaschen darauf, und ein Zug aus Pappmache entpuppt sich als eine Bar. Wie praktisch!
Katarina Poliacikova bei Jiri Svestka
In der Hauptsektion zeigen die meisten Galerien einen Querschnitt durchs Programm. Jiri Svestka dagegen wagt auch hier eine Einzelpräsentation: Die junge Slovakin Katarina Poliacikova hat dort mit Fotografie und Installation eine sehr stimmige kleine Ausstellung geschaffen, in der gefundene Fotos der Milchstraße und selbst gemachte des Schaums in der eigenen Spüle einen poetischen Bogen schlagen.
"Curated By": Galerie Kandlhofer
Für außergewöhnliche Qualität der Galerienausstellungen in der Stadt sorgt in Wien seit Jahren das von der Stadt unterstützte Galerienfestival "Curated By", bei dem Galerien renommierte Kuratoren und Kuratorinnen einladen können, bei ihnen Ausstellungen zu machen. Eine der bemerkenswertesten ist die Schau über "Cursed Images", verfluchte Bilder, die der Künstler Ed Fornieles bei der Galerie Kandlhofer kuratiert hat. John Bock steuert gruselige Filme bei, von Chris Burden ist ein alter Film über einen Truck, der nur Pech bringt, dabei, Issy Wood zeigt wunderbar unheimliche Malerei. Und mit der Einbeziehung des alten Wiener Aktionisten Otto Muehl stellt Fornieles die interessante Frage, wie unbehaglich man sich eigentlich angesichts von Werken eines Künstlers fühlt, dem sexuelle Übergriffe nachgewiesen wurden.
"Curated By": Galerie Steinek
A propos unheimlich: Den Gipfel der Unbehaglichkeit erreicht man bei der Galerie Steinek, deren Ausstellung gerade deshalb absolut sehenswert ist. In der Schau "Kibbutz Buchenwald" bohrt der israelische Künstler Gil Yefman tief in der so gar nicht vergangenen Geschichte des Holocaust. In dem Film "Bad Renro and Penelope at Kibbutz Buchenwald" läuft er selbst als schwarz maskierte Drag Queen gemeinsam mit einem gebeugten alten Mann im Hitler-Outfit durch die Gedenkstätte Buchenwald - es ist der Holocaustüberlebende Dov Or-Ner. In dem Moment, in dem die beiden, Postproduktionstechnik sei dank, wie kleine Raketen in den Himmel schießen, muss man schon fast wieder lachen.