Schrille Punks, knutschende Pärchen in einem Meer voller Trabis, wehende Fahnen von Demonstranten auf dem Alexanderplatz – unverfälscht zeigen die Bilder Harald Hauswalds den DDR-Alltag in all seinen Facetten, zwischen SED-Diktatur und Untergrund-Opposition. Der in Radebeul geborene Hauswald ging nach einer Fotografenlehre selbst nach Ost-Berlin und wurde dort Teil der Szenen, die er dokumentierte. Mit aller Deutlichkeit artikulieren seine Ende der 1970er- bis Mitte der 1990er-Jahre entstandenen Fotografien die Würde der Porträtierten, den Wandel des Ostberliner Stadtraums und das Wirken oppositioneller Gruppen und Jugendkulturen in einer von Verfall gezeichneten ostdeutschen Republik.
In seinen Bildern reichen sich Kontraste die Hand: Die Langsamkeit des DDR-Alltags und die Dynamik einer florierenden Protestkultur, die Eintönigkeit des Lebens und das Selbstbewusstsein von Persönlichkeiten. Und so nähert sich Hauswald seinen Sujets mal mit humorvoller Faszination, mal mit satirischer Schärfe, dann wieder mit kühler Distanz.
An der Seite von Sibylle Bergemann und Ute und Werner Mahler gründete Hauswald im Herbst 1990 "Ostkreuz – Agentur der Fotografen" und setzte damit einen Meilenstein für kommende Generationen deutscher Fotografen. Bis Ende 2020 sollen mehr als 7500 seiner Filme durch den Ostkreuz Verein für Fotografie konservatorisch gesichert werden, 6000 davon sollen im Rahmen eines Projektes zur Aufarbeitung der SED-Diktatur als Einzelbilder digitalisiert werden. Und das ist gut so, sind Hauswalds Fotografien doch nicht weniger als authentische Zeugnisse deutsch-deutscher Geschichte.
Nun versammelt C/O Berlin circa 250 seiner Bilder in einer umfassenden Retrospektive unter dem Titel "Voll das Leben!" und stellt sie in einen Dialog mit Teilen seiner über zwölf Jahre geführten Stasiakte. Von 1977 bis 1989 observierten etwa 40 inoffizielle Mitarbeiter Hauswald auf Schritt und Tritt. 1985 erhielt er wegen "staatsfeindlicher Hetze", "Devisenvergehen", "Agententätigkeit" und "Weitergabe nicht geheimer Nachrichten" einen Stasi-internen Haftbefehl. So zeigt die Berliner Schau, wie ein Beobachtender zum Beobachteten wurde.