Günther Uecker hat viele Pläne. Gerade ist er aus dem Iran zurückgekehrt. Dort hat der Universalkünstler in mehreren Städten eine Ausstellung mit Arbeiten gezeigt, die von seinen Begegnungen mit der Kultur des Landes inspiriert sind. Am 22. März kommt die Schau "Huldigung an Hafez" in die Kunsthalle nach Rostock, da will er zur Eröffnung hin. Im Sommer ist eine Ausstellung in Polen geplant. Doch zuvor gibt es ein anderes Datum: den 90. Geburtstag am 13. März.
Der aus Mecklenburg stammende Künstler arbeitet jeden Tag in seinem großen Atelier in Düsseldorf in einem Speicher im quirligen Medienhafen. Das Dach ist schallgedämmt, der Lärm soll draußen bleiben, der Blick auf Rhein und Hafen ist frei. Uecker trägt eine beige Cordhose, bequeme Schuhe, einen weißen Pullover und eine schwarze Weste. Er ist guter Dinge und zeitlos heiter. "Für mich ist es die reine Freude", sagt er über die tägliche Arbeit im Atelier. Er schiebt lachend hinterher: "Ein eigenes Gefängnis - mit Freigang."
In dem sehr großen Raum herrscht eine kontemplative Ruhe zwischen Stapeln von Büchern, mit Bildern bedeckten Tischen, Bechern mit Pinseln und Leinwänden von gewaltigen Ausmaßen. Eine Nähmaschine ist übersät mit eingehämmerten Nägeln. Es sei eine Hommage an die vor elf Jahren gestorbene Choreographin Pina Bausch, erzählt Uecker. Auf der Maschine wurden die Ballett-Kostüme genäht.
"Es wird mehr Geld gedruckt als Kunst gemacht"
Die Kunstwerke Ueckers werden in den großen Museen - etwa dem Museum of Modern Art in New York - ausgestellt. Er ist einer der prominentesten Künstler der Nachkriegszeit. Seine Nagelbilder erzielen inzwischen Millionenpreise auf Auktionen. Darauf angesprochen, sagt Uecker überraschenderweise: "Das belastet mich sehr." Denn dies verändere das Verhältnis zur Kunst und zu anderen Menschen. Sie sähen teilweise den "Geldwertaspekt" in ihm. Aber alte Freunde seien aufrichtig. "Es wird mehr Geld gedruckt als Kunst gemacht", meint der Künstler allgemein über den Kunstmarkt.
Als Sohn eines Landwirts wuchs Uecker in einfachen Verhältnissen auf der Insel Wustrow an der Ostsee auf. Die Folgen des Krieges erlebte er hautnah. 1953 ging er in den Westen und gelangte nach Düsseldorf. Mit Otto Piene und Heinz Mack schloss er sich zur Künstlergruppe ZERO zusammen, die Ende der 1950er Jahre die tradierte Kunst infrage stellte. Die Gruppe löste sich zwar wenige Jahre später auf. Aber die Künstler gründeten 2008 die Stiftung ZERO Foundation und übergaben Kunstwerke, Fotos und Archivmaterial.
Uecker ist viel gereist, er war in Afrika, Japan, Sibirien, China, Kambodscha, Lateinamerika, den Vereinigten Staaten, Island, Israel und dem Iran. In seinen Bildern verwendet er auch fremde Schriften und bemalt große Leinwände mit, wie er sagt, «Verletzungswörtern». Eine seiner öfter zitierten Bemerkungen heißt: "Wo die Sprache versagt, beginnt das Bild."
Keine Feier zum 90.
Uecker hat "einen kleinen Familienbetrieb". So nennt er das Team mit seiner Frau Christine und Sohn Jacob. Es gibt keine angestellten Mitarbeiter, die bei der Koordination von Terminen oder Ausstellungen helfen. "Jeden Tag arbeiten, auch sonntags", sagt er über sein Künstlerleben. Das erinnere ihn an die Kindheit mit Tieren auf dem Land.
In seinem Atelier steht ein Hammerklavier. Es ist der Nachbau eines Instruments von Ludwig van Beethoven. Die Noten einer Klaviersonate liegen dabei. Uecker begeistert sich für Musik. Er besucht Festspiele in Salzburg und Bayreuth und hat Bühnenbilder für Oper und Schauspiel geschaffen.
Feiern will er seinen 90. Geburtstag nicht, absolut nichts habe er vor, sagt er, "Geburtstag ist für meine Mutter, und das halte ich ganz heilig in meinem Herzen". Das sei ihm umso mehr bewusst, als er nun 90 Jahre alt werde. Dieses Alter bedeute ihm sehr viel, sagt er. Hirten in der Wüste in Afrika wüssten nicht unbedingt, wie alt sie sind. Das wäre ihm eigentlich lieber. Und er fügt an: "Aber ich weiß es schon, weil ich unter rechnenden Menschen lebe."