Man kann es mögen oder nicht, aber es ist offensichtlich: Greta Thunberg ist eine Ikone. Das wird schon am religiösen Vokabular deutlich, das Anhänger wie Gegner benutzen. In der Novemberausgabe von Monopol beschreibt Sebastian Frenzel, dass der Streit um Greta entlang jahrtausendealter Demarkationslinien verläuft: vom byzantinischen Bilderstreit über die ikonoklastischen Ausschreitungen der Reformationszeit bis zum Fetischismusangst der Moderne.
Deshalb kommt auch eine aktuelle Bremer Ausstellung zum Thema Ikonen am Phänomen der jungen Klimaaktivistin nicht vorbei. "Greta ist ein wunderbares zeitgenössisches Beispiel dafür, wie Ikonen funktionieren", sagt Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg. "Da ist das Einmalige ihrer Person, das Herausstellen ihrer Aura, das Heilsversprechen, dass gerade sie mit ihrem jungen Alter und ihrer Unschuld das globale, kaum zu bewältigende Problem der Klimaerwärmung lösen kann. Dies alles sind Elemente einer Wundertätigkeit, wie sie Ikonen traditionell zugesprochen wird."
Lieber Politik statt Preisen
In San Francisco entsteht gerade ein besonders großes Ikonengemälde. Der argentinische Maler Andres Petreselli, der auch unter dem Pseudonym "Cobre“ bekannt ist, vollendet in dieser Woche ein riesiges Wandbild an einem Gebäude am Union Square. Er hoffe, dass es Menschen helfen werde, zu erkennen, dass "wir uns um die Welt kümmern müssen".
Doch hilft der Kult um eine Person tatsächlich der Sache? Bei Greta Thunberg offenbar, denn ihr überaus erfolgreicher Aktivismus – nach ihrem Vorbild gehen Millionen Menschen freitags auf die Straße statt in die Schule – führt eine Selbstwirksamkeit vor, von der auch ihre Gegner träumen dürften. Dass dies nicht immer so sein und es irgendwann einen Umschlagpunkt geben könnte, ahnt wahrscheinlich auch die 16-Jährige selbst. Erst kürzlich lehnte sie eine Auszeichnung ab mit der Begründung, dass die Klimabewegung keine weiteren Preise brauche, sondern Politiker, die auf die Erkenntnisse der Wissenschaft hörten.
Greta Thunberg ist zurzeit übrigens in den USA gestrandet. Eigentlich wollte sie Anfang Dezember zur Weltklimakonferenz nach Chile reisen, die wurde aber wegen der Unruhen dort nach Madrid verlegt. Jetzt ist die die 16-Jährige an der Atlantikküste und sucht eine umweltfreundliche Überfahrtmöglichkeit nach Europa. Dass sie demnächst in San Francisco vorbeikommt, ist also eher unwahrscheinlich.