Der Berliner Künstler Simon Weckert will Google Maps einen Stau vorgegaukelt haben - und hat dafür angeblich nicht mehr gebraucht als einen Handwagen und einen Haufen Smartphones
Knapp zwei Millionen Menschen haben sich das Youtube-Video angeschaut, in dem Simon Weckert einen mit 99 Smartphones beladenen Bollerwagen durch die Straßen Berlins zieht. Während der Berliner Künstler gemächlich den Mittelstreifen der Ebertbrücke in Mitte entlang wandert und am Google-Hauptquartier vorbei spaziert, verfärben sich die Straßenabschnitte, auf denen er unterwegs ist, auf Google Maps rot – ein Indikator für Stau. Im Kommentarbereich führen Nutzer elaborierte Diskussionen darüber, ob Weckerts Methode tatsächlich funktioniert.
In einem Video der Nachrichtenagentur Reuters beteuert der Künstler, dass die Manipulation tatsächlich stattgefunden habe. Die Idee für die Performance sei ihm während einer Demonstration am 1. Mai gekommen, bei der sich die Google-Verkehrsanzeige ebenfalls rot verfärbte. Ob Fake oder nicht: Pünktlich zum 15. Geburtstag von Google Maps dient Weckerts Video als willkommene Erinnerung, Googles Darstellung der Realität nicht allzu blind vertrauen. Diese Lektion mussten vergangenes Jahr beispielsweise auch die knapp 100 Autofahrer lernen, die vergangenes Jahr in Colorado einer falsch angezeigten Abzweigung folgten und daraufhin auf einem Feldweg im Schlamm stecken blieben.
Karte und Gebiet
"Google Maps wirkt sich durch virtuelle Veränderungen auf die reale Stadt aus", zitiert der Künstler auf seiner Webseite den Stadttheoretiker Moritz Ahlert. Apps wie Airbnb, Uber, Lime, Lieferando und Tinder, die das Berliner Stadtbild in den vergangenen Jahren allesamt auf distinkte Weise verändert haben, könnten ohne die standortbezogenen Daten von Google Maps nicht existieren. Die Intervention im öffentlichen Raum hatte virtuelle Folgen, die sich in realen Veränderungen von PKW-Routen niederschlug.
In seinen Arbeiten beschäftigt sich Weckert, der Neue Medienkunst an der Universität der Künste studierte, immer wieder mit den sozialen Implikationen digitaler Technologien. Mit der willkürlichen Beziehung von Karte und Gebiet setzt sich beispielsweise auch seine Arbeit "Research" (2018) auseinander, in der er die Verläufe nationaler Grenzen auf Google Maps untersucht. Aus seinen Gegenüberstellungen geht hervor, dass die Demarkationslinien zwischen Russland und der Ukraine oder zwischen Indien und China je nachdem, aus welchem Land man auf die Webseite zugreift, unterschiedlich verlaufen.