Zum dritten Mal eröffnet in Köln die Pluriversale, schon der Name ist Programm: Wenn da am ersten Abend die Filmemacherin Hito Steyerl sich in einer Lecture-Performance der Unsichtbarkeit und gleichzeitigen allsehenden Überwachung von Kampfzonen wie Kobane widmet und im Anschluss der Leipziger Houseproduzent Gunnar Wendel aka Kassem Mosse die Sounds des Krieges live in einer Audioinstallation verarbeitet – dann wird klar, man ist auf einer Veranstaltung gelandet, die auch bei heiklen Themen Interdisziplinarität und Grenzüberschreitung wagt. Kunst, Film, Politik sowie jede Menge Konzerte und Diskussionen: Die Akademie der Künste der Welt hat wieder ein vielseitiges Paket geschnürt, das ab 3. September an verschiedenen Orten der Stadt ausgerichtet wird.
2012 wurde die Akademie gegründet, spätestens mit der zweiten Ausgabe der Pluriversale hat ihre Veranstaltungsreihe öffentliche Aufmerksamkeit erregt – seitdem wird sie von einem festen Kuratorenteam organisiert, dem David Riff, Peter Scheiffele und die künstlerische Leiterin der Akademie, Ekaterina Degot, angehören. "Bei der ersten Pluriversale hat ein kleines, aber interessiertes Publikum das Angebot der Akademie genutzt. Es braucht Zeit und Raum, aber dieser Kern ist uns erhalten geblieben, ist zu einem größeren Publikum herangewachsen und wird das auch in Zukunft hoffentlich weiter tun. Wir sind für jeden offen, der für uns offen ist", sagt Degot, die 1958 in Moskau geboren wurde. "Wir kreieren Nahrung für Gedanken und Diskussion, das ist nie leicht bekömmlich. Wir bestehen darauf, eine kritische, politische Agenda mit einer hochqualitativen, experimentell-künstlerischen Attitüde zu kombinieren."
Der Fokus der Pluriversale III liegt auf dem Krieg in der Ukraine. So versammelt die Gruppenausstellung "Phone Calls from the Cemetery and Other Stories" Arbeiten ukrainischer und russischer Künstler, die sich unter anderem mit Propaganda auseinandersetzen. Die Schau wird von einem Symposium begleitet und findet in Kooperation mit der Kiew-Biennale statt. Ihr Titel referiert auf ein Projekt der aus dem ukrainischen Osten stammenden Künstlerin und Maidan-Aktivistin Alevtina Kakhidze, die Telefongespräche mit ihrer im Kriegsgebiet lebenden Mutter aufgezeichnet hat. Gemeinsam mit dem Kölner Theatermacher Georg Blokus, der die Jugendabteilung der Akademie leitet, wird Kakhidze die Gespräche in eine Performance übersetzen.
Dokumentarische und experimentelle Filme treffen im anlässlich der Pluriversale II eröffneten Academyspace auf Zeichnungen sowie Konzerte von zumeist jungen Künstlern, die in Köln vor Ort sein werden. Flankiert wird die Ausstellung von Talks, unter anderem mit den beiden Kuratoren der Kiew-Biennale, Hedwig Saxenhuber und Georg Schöllhammer. Raus aus dem Ausstellungsraum, rein in die Stadt begibt sich die aus Zagreb stammende Gruppe Shadow Casters mit "Ex-posing Cologne". In der ortsspezifischen Performance lädt das Kollektiv zu einer mehrsprachigen intermedialen und sensorischen Erkundungstour durch Köln.
Den Schlusspunkt bildet ein Gespräch zwischen Kasper König und Okwui Enwezor: Über drei Dekaden nach der von König in den Kölner Messehallen kuratierten "Westkunst"-Schau werden die beiden der Frage nachgehen, in welchem Verhältnis Westkunst und Weltkunst heute stehen.