Kurator Markus Heinzelmann schwebte eigentlich keine neue Retrospektive von Gerhard Richter vor. Entstanden ist die Idee in der Corona-Zeit, als internationale Kunsttransporte möglichst vermieden werden sollten. Bei der Fülle an museal anmutenden Werken aus regionalen Privatsammlungen kommt man jetzt aber nicht umhin, das Etikett "Werkschau" darauf zu kleben; und zwar eine, die in dieser Form wohl nicht wiederholt werden kann. Denn die meisten der Besitzer der gezeigten Richter-Kunst sind ähnlich hochbetagt wie der 92-jährige Künstler.
Manche der Bilder wurden noch für geringe Summen erworben und hingen schon seit Jahrzehnten in den rheinländischen Wohnzimmern und Gästetoiletten, ohne jemals den Weg in die Öffentlichkeit gefunden zu haben. Später dazu gekommene Sammler und Sammlerinnen mussten erheblich mehr ausgeben, um an einen Richter zu kommen. Leihgaben der Sammlung Olbricht und Haniel zeugen von diesem Aufstieg.
Rund 200 "Verborgene Schätze", so der Titel der Schau, hat man ausfindig gemacht. 122 wurden ausgeliehen, auf kurzen Wegen und meist ohne Namensnennung verschickt. Bis auf den Fotokünstler Andreas Gursky, der das Werk "Der Weinberg" beigesteuert hat. Die chronologische Hängung lässt den Wechsel der Stile und Experimente bis 2017 nachvollziehen, dem Jahr, in dem sich Richter offiziell von der Malerei verabschiedet hatte (inzwischen ist er vom Rücktritt schon wieder teilweise zurückgetreten). Darunter findet man Landschaften, Tierporträts, Abstraktionen und auch die späten Farbverschlierungen des Malers, der sich im Laufe der Zeit offenbar alle Freiheiten nahm, die ihm die autoritäre DDR nie zugestanden hätte.
Der aus Dresden in den Westen geflüchtete Richter wollte sich eigentlich in München niederlassen. Kollege Reinhard Graner überzeugte ihn davon, in Düsseldorf neben Sigmar Polke, Günther Uecker oder Joseph Beuys neu zu starten. Später zog er nach Köln, von wo aus sein Werk ins Rheinland ausstrahlte: In Mönchengladbach wurden erstmals seine pastosen Übermalungen ausgestellt. In Krefeld sorgte der "RAF-Zyklus" für Aufsehen. Seine erste Retrospektive fand 1969 in Aachen statt. Es war die Geburtsstunde des Aachener Kreises, bestehend aus kunstsinnigen Medizinern und Ingenieuren, die Richters Systematik bewunderten.
Die Wertschätzung beruhte auf Gegenseitigkeit. In einem Interview von 1974 sagte Richter, Sammler leisteten Mitarbeit, "indem sie ein Werk akzeptieren, machen sie es erst zu dem, was es sein soll, freilich nicht allein." Keine Frage, die Region trug zu Richters Weltruhm erheblich bei, ihre freigeistige Sammlerschaft an vorderster Stelle. Auch, wenn manch einer der Bewunderer nicht ganz die saubere Weste hatte, die der Katalog durch Auslassungen zu behaupten versucht.
Über Karl Ströher etwa, einstiger Mitbesitzer des Wella-Konzerns, wurde erst 2013 bekannt, dass er zu den Nazi-Profiteuren gehörte, inklusive Ausbeutung von Zwangsarbeitern und Belieferung der Rüstungsindustrie. Nach dem Verkauf des Konzerns konnten Familienmitglieder wie Sylvia Ströher und Thomas Olbricht ihre Investitionen in Kunst ausweiten und so auch die Düsseldorfer Schau mit Leihgaben beliefern. Eigentlich der ideale Stoff für Richters Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus. Wenn er denn noch weitermalen will.