Deutsche Guggenheim Berlin

Generation 9/11

Die New Yorker Lower East Side der Ära nach dem 11. September 2001 war lange Heimat und kultureller Bezugspunkt für Agathe Snow. Als Teil der Gruppe um Ryan McGinley, Dan Colen und Dash Snow, den sie heiratete (aus Liebe und weil sie eine Aufenthaltsgenehmigung brauchte, erklärt sie, und beides klingt gleichermaßen aufrichtig), kam die gebürtige Französin eher zufällig zur Kunst. Nachdem Snow jahrelang im familieneigenen Restaurant ausgeholfen hatte, begann sie, eigene Essen zu organisieren, die sich zu Happenings ausweiteten: Zwischen 2003 und 2006 lud Snow in Parks, Clubs, Vorgärten oder Galerien zum Festmahl, Titel der Aktion: „Feed the Troops“.

Das Karnevaleske und der Krieg, das Mühen um Geselligkeit in spätkapitalistisch-asozialen Zeiten, das ist der Kern ihrer künstlerischen Arbeit. Kurz nachdem Hurricane Katrina New Orleans verwüstet hatte, inszenierte Snow ihre erste Soloausstellung in Form einer Prozession. Die Überlebenden einer fiktiven Flut zogen durch Manhattan und fanden schließlich Zuflucht in einem Walskelett in der Fuentes-Galerie, wo Snow während der Ausstellungsdauer Skulpturen aus Straßenmüll schuf.

Zur Whitney-Biennale 2008 organisierte Snow einen einwöchigen Tanzmarathon, ihr „Total Attitude Work Out Video“ aus demselben Jahr zeigt Mädchen in Jane-Fonda- (oder American Apparel-) Aerobicanzügen, die praktische Ratschläge in Tanzform geben. Etwa: wie man sich benimmt, wenn man Jesus trifft oder durch eine Zeitreise ins Nazideutschland versetzt wird. Oder bloß: wie man Zutritt zu einem exklusiven Club bekommt.

Mit Autoritäten anderer Art misst sich die 34-Jährige jetzt in einer Auftragsarbeit für die Deutsche Guggenheim in Berlin. Auf dem Boden des Hauses installiert Snow eine Weltkarte, darauf Modelle berühmter Monumente wie die Hagia Sophia, Notre-Dame oder Mount Rushmore. Sie sind klein und stehen auf Rädern, jeder Besucher darf sie verschieben. Die Botschaft wäre fast zu flach, erlebte das, was diese Stätten an nationalistischen und religiösen Konzepten in sich vereinen, seit dem 11. September nicht eine solche Konjunktur.

Deutsche Guggenheim, Berlin, 28. Januar bis 3. April 2011