Berlin hat eins, München bereits das 36., und Düsseldorf und Köln teilen sich sogar ein gemeinsames – die Rede ist von einem Gallery Weekend. Nun zieht der Landesverband der Hamburger Galerien nach und lädt unter dem Motto "Walk & Talk" am 22. und 23. November zur ersten Ausgabe seines Galerienrundgangs ein.
Hamburg keine Kunststadt? Von wegen! Die Metropole an der Elbe mag sich in der Vergangenheit in Sachen Kunst in typisch hanseatischem Understatement eher durch Zurückhaltung denn durch laute Töne ausgezeichnet haben. In diesem Spätherbst erheben die Galerien jedoch gemeinsam die Stimme und rufen das erste Hamburger Gallery Weekend aus. Sechs von Experten geführte Rundgänge in ebenso vielen Stadtteilen sollen die Teilnehmenden miteinander und mit den Galeristinnen und Galeristen ins Gespräch bringen. Ein von Oskar Piegsa ("Die Zeit") moderierter Talk am Freitagabend, 22. November, gibt ergänzend Einblick in die jüngsten Entwicklungen der Hamburger Kunstszene.
Diese verjüngt sich zunehmend, neue Energien sprudeln, neue Sparten werden erschlossen. Allein von den teilnehmenden Namen sind drei im Jahr 2023 gegründet worden. Die Galerie Hyle (sprich: Hüle), mitten im sonst wenig progressiven Stadtteil Eppendorf, zeigt unter dem Titel "Shaper" Malereien von Birte Horn, in denen spielerisch die Reize der Farbe und die Spannungen der Form in dynamischen Konstruktionen ausgetestet werden. Raum und Leerraum treten so im Schaffen der Künstlerin, die an der Folkwang Universität Essen bei László Lakner studierte, in einen erfrischenden Dialog.
Die fragile Schönheit der Blätter
Belebend ist auch der Blick auf das Programm der Galerie. Insbesondere junge weibliche Positionen sind hier vertreten. So zum Beispiel die kürzlich in der Kunsthalle ausgestellte Elena Greta Falcini oder Chiau Syuan Chai, die erst vergangenes Jahr ihren Abschluss an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (HfbK) gemacht hat. Zahlreiche Absolventinnen und Absolventen der Akademie vertritt auch die Produzentengalerie, die –1973 gegründet – seit rund 50 Jahren mit ihrem innovativen Ausstellungsprogramm in der Admiralitätstraße und auf Kunstmessen wie der Art Cologne auf sich aufmerksam macht.
Die aktuelle Ausstellung "Felder, Blätter und andere Gegebenheiten" zeigt Arbeiten des Franz-Erhard-Walther-Studenten Manfred Holtfrerich (auch ein HfbK-Alumnus). Bekannt ist dieser für seine zarten, akribisch ausgeführten Aquarelle, in denen er die Fragilität und Schönheit von Blättern festhält. Ahorn, Buche oder Eiche erscheinen in neuem Licht, werden nicht als Vertreter ihrer Art, sondern als nur sich selbst abbildend verstanden. Holtfrerich fühlt sich der Minimal Art verbunden und nutzt die Akribie, um mit ihr die Spuren der Malerei zu verwischen.
Siebdrucke und Objekte, die zu nachdenklichem Schmunzeln anregen, finden sich im nächsten Stadtteil. Bei Feinkunst Krüger in der sogenannten Hamburger Neustadt werfen in der Einzelausstellung von Tilman Knop Werke voller entfremdeter Alltäglichkeiten Fragen über die Absurdität des Lebens auf. Die experimentelle Ausrichtung der Galerie bot in der Vergangenheit ebenfalls vielfach Studierenden der HfbK wie auch der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) die erste Plattform für den Schritt in den Kunstmarkt.
Lotte Laserstein im Winter
Neben den contemporary artists finden sich beim Gallery Weekend natürlich auch arrivierte Positionen. Lotte Laserstein, eine wichtige Vertreterin der gegenständlichen Malerei in der Weimarer Republik, wird in der thematischen Gruppenausstellung "Winter" bei Felix Jud Buch- und Kunsthandlung gezeigt. Frostige Landschaften von rund einem Dutzend Malerinnen und Maler stimmen auf die kalte Jahreszeit ein. Für Hamburg einzigartig ist bei Felix Jud die Kombination von Kunstausstellungen und einem sorgfältig ausgewählten Sortiment an Büchern, das von Belletristik bis zu Fachliteratur reicht.
Weniger gegenständlich und dennoch ebenfalls der Natur verbunden zeigt sich die Gruppenausstellung "Herbstzeitlose" der Galerie Holzhauer, deren Räume etwas versteckt in Ottensen liegen. Im Hinterhof eines ehemaligen Industriekomplexes lässt Swen Kählert, wiederum ein HAW-Absolvent, Gebilde in den Raum wachsen, die allein aus Farbe aufgebaut sind. Carolyn Leyck verleiht ihren abstrakten Malereien durch die Verwendung reiner Pigmente eine beeindruckende Leuchtkraft. Inspiriert von alten Schultafeln schneidet die Absolventin der Kunstakademie München aus diesen das Motiv aus und hinterlegt das Cut-Out mit ihren Malereien. Das Ergebnis dieser invertierten Collagen aus Malerei und Papier sind Blumenumrisse, die sich auf der Schwelle von Dokumentation und abstrakter Verfremdung bewegen.
Dem Nichts widmet dagegen Tom Reichstein Contemporary im Oberhafenquartier eine Ausstellung. Die schwedische Künstlerin Ylva Carlgren präsentiert in den großzügigen Räumen teils wandfüllende Aquarelle, die am Kipppunkt von Abwesenheit und Präsenz des Materials agieren. Neben den klassischen Kunsträumen haben sich in Hamburg auch innovative Konzepte wie JB Fine Arts etabliert. Dem White Cube den Rücken kehrend, werden Arbeiten von Frankie Gao oder Henrik Eiben dort in der Salon-ähnlichen Atmosphäre einer charmanten Altbau-Suite gezeigt.